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Oldies but Goldies – Alte Kartell­schadens­ersatz­ansprüche profitieren von Verjährungs­hemmung

14.06.2018

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshof („BGH“) hat am 12. Juni 2018 in einem lang erwarteten Urteil entschieden, dass die Hemmungswirkung des § 33 Abs. 5 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die ihre Grundlage in Kartellrechtsverstößen vor dem Inkrafttreten der Regelung am 1. Juli 2005 haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren (Az.: KZR 56/16).

Der Ausgangsfall („Grauzementkartell“)

Die Beklagte, eine Zementherstellerin, hatte mit anderen Zementherstellern unter Verstoß gegen das Kartellrecht in den Jahren 1993 bis 2002 Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Das Bundekartellamt erließ daraufhin im April 2003 unter anderem gegen die Beklagte einen Bußgeldbescheid, der 2013 durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtskräftig wurde (BGH, Beschluss vom 26.02.2013 – Az.: KRB 20/12).

Die Klägerin, eine Baustoffhändlerin, nahm die Beklagte – gestützt auf diesen Bußgeldbescheid – auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht für kartellbetroffene Beschaffungsvorgänge in Anspruch. Die Beklagte wandte gegen ihre Inanspruchnahme Verjährung ein.

Die Rechtsfrage

Damit wurde die Frage entscheidungserheblich, ob die Hemmungswirkung des § 33 Abs. 5 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle („GWB (2005)“) Anwendung findet, wenn der Kartellrechtsverstoß vor dem Inkrafttreten der Norm liegt und der Anspruch des Geschädigten zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt war.

Die Vorschrift des § 33 Abs. 5 GWB (2005), die mittlerweile in § 33h Abs. 6 GWB aufgegangen ist, wurde mit der 7. GWB-Novelle im Juli 2005 zusammen mit der neuen Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 3 GWB (2005) in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgenommen. Gemäß § 33 Abs. 5 GWB (2005) wird die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach § 33 Abs. 3 GWB (2005) gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Kartellrechtsverstoßes ein Verfahren einleitet.

Ob diese Bestimmung auch auf sog. „Altfälle“ Anwendung findet, war in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten. Auch die Vorinstanzen im hiesigen Fall vertraten unterschiedliche Auffassungen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte die erstinstanzliche Entscheidung wegen Verjährung aufgehoben und stattdessen festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den Mehrerlös nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben (Urteil vom 09.11.2016, Az.: 6 U 204/15 Kart (2)).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts nunmehr abgeändert und der Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht – hinsichtlich der Zinsansprüche allerdings nicht in beantragter Höhe – stattgegeben.

Für die Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 stützt sich der BGH auf einem unter anderem in Art. 169 EGBGB kodifizierten allgemeinen Rechtsgedanken, nach dem bei einer Änderung des Verjährungsrechts die neuen Vorschriften auch auf vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits entstandene, noch nicht verjährte Ansprüche Anwendung finden. Anders sei dies nur, wenn es grundlegende Änderungen im materiellen Recht gebe oder der Gesetzgeber ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen habe. Beides sei nach Auffassung des BGH im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die bisher allein verfügbare Pressemeldung – Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht – lässt Umfang und Begründung der zurückgewiesenen Zinsforderung im Unklaren. Für die Praxis spielen jedoch auch die Zinsen eine gewichtige Rolle. Denn die auf kartellbedingte Schäden anfallenden Zinsen können in Anbetracht der Dauer einer gerichtlichen Forderungsdurchsetzung erheblich sein und in Einzelfällen auch die Höhe des geltend gemachten Schadens übersteigen.

Fazit und Ausblick

Mit der Entscheidung des BGH dürfte grundsätzlich die Attraktivität der deutschen Gerichtsbarkeit für kartellgeschädigte Anspruchsteller gestiegen sein. Und auch bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Ausland dürften Kläger zunehmend bemüht sein, auf die Anwendbarkeit von deutschem Recht hinzuwirken.

Auch wenn der BGH mit seiner Entscheidung die Durchsetzung von Kartellschadensersatz weiter erleichtert hat, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch weiterhin zahlreiche rechtliche Hürden einem schnellen Ausgleich kartellbedingter Schäden entgegenstehen. So müssen Kläger weiterhin nachweisen, dass ihre Erwerbsvorgänge tatsächlich durch den Kartellverstoß betroffen sind oder aber die Wettbewerber der Kartellbeteiligten ihre Preise an das kartellbedingt überhöhte Preisniveau angepasst haben. Zwar werden Anspruchsteller von einigen Instanzgerichten auch insoweit mit Anscheinsbeweisen unterstützt. Letztlich trägt aber der Kläger die Beweislast, inwieweit die Preise im Kartellzeitraum tatsächlich über dem Niveau hypothetisch wettbewerbsfähiger Preise lagen. Diese Frage lässt sich nur aufgrund eines umfassenden Verständnisses der Mechanismen auf den betroffenen Märkten belastbar beantworten.

Schließlich sind aus heutiger Sicht auch noch nicht alle Fragen im Zusammengang mit der Verjährung von Kartellschadensersatzansprüchen beantwortet. Zwar lässt sich die Entscheidung grundsätzlich auch dahingehend verstehen, dass die Hemmung nicht nur – wie im Ausgangsfall – bei vor Juli 2005 abgeschlossenen Kartellrechtsverstößen greift, sondern auch dann, wenn der Kartellrechtsverstoß über Juli 2005 hinaus fortgesetzt wurde. Abzuwarten bleibt jedoch, ob sich der BGH in den Entscheidungsgründen auch dazu einlässt, ob die Hemmung für vor Juli 2005 liegende Sachverhalte ab Verfahrenseinleitung oder erst mit dem Inkrafttreten der Hemmungsvorschrift Anwendung findet und ab welchem Zeitpunkt von einer Einleitung des Verfahrens im Sinne der Vorschrift auszugehen ist. Dies kann insbesondere für weit zurückliegende Kartellrechtsverstöße relevant werden, bei denen eine absolute Verjährung in Betracht kommt.

Die Pressemitteilung des BGH können Sie unter diesem Link abrufen.

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Kartellrecht
Dawn Raids

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