News

Pflichtteils­verzichte – wann sind sie wirksam?

01.08.2017

Die Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten und der Kinder können im Erbfall zum Problem werden. Insbesondere in Fällen, in denen der Nachlass im Wesentlichen aus unternehmerisch gebundenem Vermögen besteht und dieses nicht gleichmäßig auf alle gesetzlichen Erben, sondern zum Großteil auf den Unternehmensnachfolger übergehen soll, stellen die Pflichtteilsansprüche der übrigen Familienmitglieder ein erhebliches Liquiditätsrisiko dar. Im schlimmsten Fall kann die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche das Unternehmen wirtschaftlich in die Knie zwingen.

Vor diesem Hintergrund vereinbaren Unternehmer häufig bereits im Rahmen des Ehevertrages einen gegenseitigen Pflichtteilsverzicht mit ihrem Ehepartner. Mit den Kindern werden entsprechende Verträge nach Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossen. Teilweise geschieht dies im Zusammenhang mit der lebzeitigen Übertragung von einzelnen Vermögensgegenständen, z.B. einer Immobilie oder Barvermögen; teilweise werden Pflichtteilsverzichtsverträge aber auch isoliert abgeschlossen, also ohne Gegenleistung.

Grundsätzlich ist der Abschluss von Pflichtteilsverträgen ohne Weiteres zulässig, auch wenn der Verzichtende keine Gegenleistung für den Verzicht erhält. Allerdings ist es wichtig, im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss bestimmte Regeln einzuhalten.

Dies zeigt einmal mehr der kürzlich vom Oberlandesgericht Hamm entschiedene Fall (OLG Hamm, 08.11.2016, 10 U 36/15). Gegenstand der Entscheidung war ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag, den ein Vater mit seinem Sohn zwei Tage nach dessen 18. Geburtstag abgeschlossen hatte. Für den Erb- und Pflichtteilsverzicht wurde dem Sohn die Übertragung des hochwertigen Sportwagens des Vaters zugesagt; diese Gegenleistung stand allerdings unter drei kumulativ zu erfüllenden Bedingungen, insbesondere dass der Sohn bis zu im Vertrag bestimmten Zeitpunkten seine Gesellen- bzw. seine Meisterprüfung als Zahntechniker mit Bestnote abschließen würde. Der Sohn hat den Vertragstext erstmals im Rahmen des Beurkundungstermins gesehen. Vor Abschluss des Vertrages war ihm nur mitgeteilt worden, dass der Vater ihm seinen Sportwagen schenken wolle, wenn er seine Ausbildung mit guten Ergebnissen zu Ende bringt. Mit einer derart wertvollen Schenkung müssten dann aber auch alle Erb- und Pflichtteilsansprüche erledigt sein. Nicht bekannt war dem Sohn, dass er den Erbverzicht unbedingt und mit sofortiger Wirkung erklären sollte, während die ihm versprochene Gegenleistung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig war.

Das Gericht hat den Vertrag für sittenwidrig und damit unwirksam befunden, da der Vater bewusst die geschäftliche Unerfahrenheit und Beeinflussbarkeit des Sohnes zu seinen Zwecken ausgenutzt habe. Es sei dem Vater bekannt gewesen, dass die Aussicht, den Sportwagen des Vaters zu erhalten, angesichts der „nahezu fanatischen Begeisterung“ des Sohnes für den Sportwagen bei diesem ein Rationalisierungsdefizit auslösen würde, das ihn zur unreflektierten Unterzeichnung des Vertrages bewegen würde. Zugleich befand das Gericht, dass die im Vertrag vorgesehenen Bedingungen den Sohn in zu missbilligender Weise in der Wahl seines Berufes einschränken und somit eine Knebelwirkung auslösen.

Aus dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall lassen sich in Zusammenschau mit der übrigen Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen folgende Lehren ziehen: Der Verzichtende muss mit ausreichendem zeitlichen Abstand zum Notartermin über den Inhalt des Vertrages informiert werden, so dass er genügend Zeit hat, sich über die Konsequenzen des Vertrages klar zu werden. Soweit der Vertrag Gegenleistungen vorsieht, dürfen diese ihrer Art nach nicht so beschaffen sein, dass die Aussicht auf den Erwerb geeignet ist, den Verzichtenden in seiner Entscheidung in irrationaler Weise zu beeinflussen. Dies gilt umso mehr, je jünger der Verzichtende ist. Schließlich darf der Verzichtende nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, insbesondere falscher Angaben über die Höhe des Vermögens des Erblassers, zum Vertragsschluss bewegt werden. Die Preisgabe der Vermögensverhältnisse des Erblassers ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Verzichts. Werden die Vermögensverhältnisse aber thematisiert, müssen die diesbezüglichen Aussagen zutreffend sein. Problematisch kann auch sein, wenn der Erblasser zwar keine expliziten Angaben macht, der Verzichtende aber für den Erblasser erkennbar von falschen Verhältnissen ausgeht. In solchen Fällen sollte eine entsprechende Aufklärung erfolgen und idealerweise auch eine Offenlegung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse. Falls Letzteres nicht gewünscht ist, empfiehlt es sich, im Vertrag klarzustellen, dass der Verzicht ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Erblassers erklärt wird.

Steuerrecht
Familienunternehmen & Private Clients

Share