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Qualifizierung und Weiter­bildung als Rahmen­bedingung und Grund­voraussetzung der Arbeitswelt 4.0 - Teil 1

19.03.2019

Die Bedeutung von Qualifizierung und Weiterbildung für die Arbeitswelt 4.0

Arbeitsmarkt 4.0 - Digitalisierung als Jobkiller oder Jobbringer?

Wie Digitalisierung und Industrie 4.0 die Arbeitswelt 4.0 prägen und gestalten werden, kann derzeit noch nicht sicher prognostiziert werden. Eine aktuelle Studie des Weltwirtschaftsforums (The Future of Jobs 2018) zeigt zwar die Möglichkeit eines massiven Stellenrückgangs durch die Digitalisierung auf. In Rede stehen 75 Millionen Arbeitsplätze, die weltweit zum Jahr 2022 wegfallen bzw. durch Maschinen ersetzt werden könnten. Allerdings wird gleichzeitig auch ein Beschäftigungsaufbau im Umfang von 133 Millionen neuen Stellen prognostiziert.

Neue Kernkompetenzen

Die Prognose, dass im Zuge der Industrie 4.0 insbesondere IT-Kompetenzen zur Grundlage des Arbeitsalltags in nahezu jedem Arbeitsverhältnis werden, erscheint deshalb nicht zu gewagt. Bereits jetzt bilden fast 2/3 aller deutschen Unternehmen (63 %) ihre Mitarbeiter zu Digitalthemen weiter. Das hat eine gemeinsame Studie des TÜV-Verbands und des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2018 ergeben, für die 504 Unternehmen ab 10 Mitarbeitern in Deutschland befragt wurden. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren haben erst 36 % der Unternehmen ihren Mitarbeitern Fortbildungen angeboten, damit sie digitale Kompetenzen erwerben und vertiefen können. Nahezu alle Befragten sind sich dabei darüber einig, dass lebenslanges Lernen im Zusammenhang mit der Digitalisierung immer wichtiger wird (99 %). Während 95 % der Aussage zustimmen, dass Schule, Ausbildung und Studium heute nicht mehr für das gesamte Berufsleben ausreichen und durch regelmäßige Fortbildungen im Arbeitsalltag ergänzt werden müssen, fehlen in der betrieblichen Realität derzeit häufig Zeit und finanzielle Mittel: Im Schnitt können Beschäftigte jährlich nur 2,3 Arbeitstage für Weiterbildungen aller Art nutzen. Dafür stehen jedem Mitarbeiter durchschnittlich EUR 709 zur Verfügung. Mit einem Anteil von 57 % hat die Mehrheit der Unternehmen (noch) keine Strategie für die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Das muss sich ändern, wenn Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder verbessern wollen.

Was heißt „digitale Kompetenzen“? Dabei geht es nicht nur darum, einen Computer bedienen zu können. Die Einführung neuer Techniken und die Etablierung neuer Arbeitsweisen erfordern auch den Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Qualifikation in der Arbeitswelt 4.0 wird Flexibilität und autodidaktischem Können in immer höherem Maße erfordern, während physische und statische Fähigkeiten stetig weniger von Relevanz sein werden. Wohin sich das Anforderungsprofil insgesamt entwickelt, ist zwar noch nicht absehbar. Denn dafür entwickelt sich die digitale Arbeitswelt und mit ihr die an Arbeitnehmer gestellten Qualifikationserfordernisse zu schnell.

Wiederum keine zu gewagte Prognose ist aber, dass der Fokus in Zukunft noch stärker auf dem Umgang mit Daten liegen wird. Die „Verknüpfungskompetenz“ (Steuern und interpretieren der Datenflut) und „Datability“ (Umgang mit Daten in Clowd und Crowd) werden zu wichtigen Kerneigenschaften, die sich Arbeitnehmer aber vielfach nicht „on the Job“ aneignen können. Bei zahlreichen Beschäftigten besteht deswegen ein Bedarf an speziellen Weiterbildungsmaßnahmen.

Die Industrie 4.0 kann allerdings auch umgekehrt dazu führen, dass Maschinen sowohl manuelle als auch kognitive Aufgaben, die teilweise hochkomplex sind, übernehmen und so auch fachlich weniger qualifizierte Mitarbeiter eine Chance haben. Hier ist die Verbindung zum Arbeitsmarkt 4.0: Die zentrale Frage ist, inwieweit Menschen, deren Tätigkeiten wegfallen, neue Tätigkeiten ausfüllen können. In den meisten Fällen wird dies eine umfangreiche Weiter- oder Neuqualifizierung erforderlich machen.

„Nationale Weiterbildungsstrategie“ und erste Umsetzungsschritte

Das Thema Fort- und Weiterbildung steht damit in der Arbeitswelt 4.0 sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer im Mittelpunkt des Interesses. Insofern wundert es nicht, dass auch der Koalitionsvertrag 2018 sich zum Ziel gesetzt hat, eine „nationale Weiterbildungsstrategie“ mit den Sozialpartnern zu entwickeln, die Arbeitnehmer im digitalen Wandel unterstützen soll. Mit dem Qualifizierungschancengesetz (siehe unseren Beitrag vom 07.01.2019) sind nun erste Umsetzungsschritte unternommen.

Weil Qualifizierung und Weiterbildung Rahmenbedingung und Grundvoraussetzung der Arbeitswelt 4.0 sind, stellen wir in den nächsten Wochen wöchentlich die derzeitigen rechtlichen Spielregeln für die Qualifizierung und Weiterbildung im Zusammenhang mit der Arbeitswelt 4.0 vor, insbesondere folgende Kernfragen:

  • Wann können Arbeitnehmer eine Qualifizierung und Weiterbildung verlangen?
  • Bildungsurlaub als Vorbereitung für den Arbeitsmarkt 4.0?
  • Sind Arbeitnehmer zur Qualifizierung und Weiterbildung verpflichtet?
  • Veränderung des Berufsbilds - Fortbildung als Obliegenheit im eigenen Interesse
  • Ich bin dann mal zur Fortbildung - und Du zahlst! - Zeitpunkt und Kosten von Fortbildungsmaßnahmen
  • Mitbestimmung bei Qualifizierung und Weiterbildung - Wie ist der Betriebsrat einzubinden?
  • Wenn es ganz ernst wird: Betriebsänderung und „Qualifizierungssozialplan“
  • „Qualifizierungsbetriebe“ als Alternative zum Personalabbau?
  • Reformbedarf - Wo stehen wir und wo sollen wir hin?

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