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Recht auf Vergessen­werden im Online-Archiv

15.09.2015

 

Das OLG Hamburg (Urt. v. 7. Juli 2015 – Az. 7 U 29/12) hat entschieden, dass ein von medialer Berichterstattung Betroffener von einem Online-Archiv, das die entsprechende Veröffentlichung öffentlich zugänglich hält, verlangen kann, dass der Beitrag durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen nicht aufgefunden wird.

Der Kläger wandte sich gegen verschiedene Veröffentlichungen einer Zeitung aus den Jahren 2010 und 2011, die in ihrem Online-Archiv dauerhaft abrufbar waren. Gegenstand der Berichterstattung waren Einleitung, Verlauf und Einstellung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft gegen den Kläger. Gab man bei Google den Namen des Klägers an, wurden die streitgegenständlichen Artikel in den Ergebnislisten von Internet-Suchmaschinen angezeigt. Nachdem das erstinstanzlich befasste LG Hamburg (Urt. v. 30. März 2012 – Az. 324 O 9/12) das Begehren des Klägers auf Unterlassung der Berichterstattung mit Nennung seines Namens abwies, entsprach das OLG Hamburg in der Berufung dem (abgeänderten) Klageantrag teilweise. Das OLG Hamburg urteilte, dass das Presseunternehmen es zu unterlassen habe, die den Namen des Klägers enthaltenden Beiträge auf ihrem Internetauftritt in einer Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass diese Beiträge durch Eingabe des Namens des Klägers in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden und in den Ergebnislisten ausgewiesen werden.

Das OLG Hamburg stützte den Unterlassungsanspruch auf § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und führte zur Begründung aus, dass der gebotene Ausgleich zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Klägers, nicht beständig mit vergangenen Geschehnissen konfrontiert zu werden und der Pressefreiheit dadurch hergestellt werden könne, indem ein unmittelbarer Zugriff auf ältere Beiträge über eine bloße Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Internet-Suchmaschine verhindert werde. Die Presse sei zwar nicht verpflichtet, rechtmäßig veröffentlichte Beiträge nachträglich abzuändern oder aus dem Online-Archiv zu entfernen, die Anzeige der Artikel in den Ergebnislisten der Suchmaschinen bei Eingabe allein des Namens des Klägers perpetuiere aber den nicht unerheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers unangemessen. Die Richter stützten ihr Ergebnis unter anderem auf das viel diskutierte Urteil des EuGH (Urt. v. 13. Mai 2014 – Rs. C-131/12 – Google Spain/AEPD) zum sog. „Recht auf Vergessenwerden“. Der EuGH stellte in diesem Urteil fest, dass Suchmaschinen aus Datenschutzgründen dazu verpflichtet werden können, Links aus den Suchergebnissen einer reinen Namenssuche zum Schutz der europäischen Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und der personenbezogenen Daten zu entfernen.

Die Pflicht eines Online-Archivs, die Auffindbarkeit eines Artikels zu beschränken, aktualisiert sich nach Ansicht des OLG Hamburg vergleichbar mit der Haftung der Betreiber von Internetforen, wenn ein qualifizierter Hinweis des Betroffenen auf die erfolgte Verletzung des Persönlichkeitsrechts an den Verantwortlichen des Archivs erfolgt.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Archivierung von rechtmäßigen Medienveröffentlichungen weiterhin zulässig ist. Die Auffindbarkeit der Beiträge durch Internetsuchmaschinen allein bei Eingabe des Namens des Betroffenen ist zu beschränken, wenn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen das Interesse der Medien und der Allgemeinheit z.B. aufgrund erheblichen Zeitablaufs überwiegt. Die Literatur weist jedoch kritisch darauf hin, dass derzeit keine technische Möglichkeit bestehe, Suchmaschinen anzuweisen, bestimmte Seiten im Rahmen einer reinen Namenssuche nicht anzuzeigen. Damit bleibe lediglich die Möglichkeit, den Suchmaschinenzugriff auf die streitigen Artikel gänzlich zu verhindern, so dass dieser selbst dann nicht auffindbar wäre, wenn zusätzlich sachverhaltsbezogene Suchbegriffe verwendet werden, obwohl die Listung der Artikel in diesem Falle nach Ansicht des OLG Hamburg zulässig ist. Es ist daher durchaus zweifelhaft, ob andere Gerichte mit Blick auf diese technischen Hürden der Rechtsprechung des OLG Hamburg folgen werden.

 

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