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Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

19.03.2019

Mit Beschluss vom 07.03.2019 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Teile des Rechts der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung verfassungswidrig sind. Der BGH hat natürlich keine eigene Verwerfungskompetenz für formelle Gesetze und hat diese Frage deshalb daher dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Entscheidung vorgelegt. Eine solche Vorlage hat Seltenheitswert. Es ist die erste Vorlage eines Strafsenats des BGH seit mehr als 50 Jahren.

Hintergrund der Vorlage ist die Neuregelung zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Die Neuregelung erweiterte nicht nur die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurden, beispielsweise durch eine nun allgemein anwendbare erweiterte Einziehung oder durch die nun mögliche selbständige Einziehung von Vermögenswerten unklarer Herkunft und ein Verteilungsverfahren des so eingezogenen Erlöses an die Geschädigten. In der Übergangsvorschrift des § 316h S. 1 EGStGB hat der Gesetzgeber zusätzlich noch festgelegt, dass auch für Taten eine Einziehung angeordnet werden kann, die strafrechtlich wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr verfolgt werden können. Dies gilt ausweislich des Wortlauts von § 316h Abs. 1 EGStGB nicht nur für Taten, die im Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung bereits verjährt sind, sondern auch für solche Taten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung am 01.07.2017 bereits verjährt waren und später unter Geltung des neuen Rechts abgeurteilt werden sollen.

So auch im Vorlagefall des BGH: Hier ging es um die illegale Beschäftigung bulgarischer Arbeitnehmer in einem Geflügelbetrieb in Niedersachsen in den Jahren 2008 bis 2010. Das Landgericht Oldenburg hatte zwei Angeklagte, die Geschäftsführer des Geflügelbetriebs, von den Vorwürfen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz freigesprochen, aber gegen das von den beiden Angeklagten geleitete Unternehmen die Einziehung des Wertes der Taterträge angeordnet. Da die bulgarischen Arbeiter mehr als 830.000 Arbeitsstunden ohne die zumindest noch im Tatzeitraum erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit geleistet hatten, ordnete das Landgericht Oldenburg die Einziehung des Werts der geleisteten Arbeitsstunden an, ein Betrag von mehr als EUR 10,5 Mio. Da die Taten im Jahr 2010 bereits beendet waren; war die fünfjährige Verjährungsfrist zur Strafverfolgung mit Inkrafttreten der Neuregelung zum 01.07.2017 bereits abgelaufen. Die nach damaligem Recht nicht mehr vorhandene Möglichkeit der Einziehung, nach damaliger Terminologie „Verfall“, lebte so durch die Regelung des § 316h S. 1 EGStGB wieder auf.

In der Vorlagefrage an das BVerfG fragte der BGH gezielt danach, ob die Regelungen des § 316h S. 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar sei.

Am strengen, speziell für das Strafrecht geltende Rückwirkungsverbot des § 103 Abs. 2 GG mochte der BGH diese Regelung offenbar nicht messen, offenbar weil er auch wie der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es sich bei der Einziehung um eine dem zivilrechtlichen Kondiktionsrecht vergleichbare Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands handelt und nicht um eine Sanktion im engeren Sinne. Dementsprechend verstößt aus Sicht des BGH die Regelung des neuen Rechts zur Rückwirkung auf solche Taten, bei deren Begehung das neue Recht zwar noch nicht galt, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts aber noch nicht verjährt waren, nur gegen das allgemeine Rechtsstaatsprinzip. Dieses untersagt nur eine „echte Rückwirkung“. Dementsprechend verstoße lediglich eine Rückwirkung auf solche Taten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts bereits verjährt waren, gegen das Rechtsstaatsprinzip, nicht jedoch eine solche auf Taten, die zwar bereits beendet, aber mit Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht verjährt waren. Eine Rechtsnorm entfaltet nämlich „echte Rückwirkung“, wenn der Gesetzgeber rückwirkend in einen schon vollständig abgeschlossenen Sachverhalt eingreift. Eine solche echte Rückwirkung ist nur in engen Grenzen zulässig. Diese seien überschritten: Der nachträglichen Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits verjährten Taten steht ein schutzwürdiges Vertrauen des Rechtsunterworfenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen.

Die Entscheidung des BVerfG auf dem Vorlagebeschluss des BGH hin wird von weitreichender Bedeutung sein. Die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung wurde in der Literatur bereits vielfach angezweifelt. Folgt das BVerfG dem BGH nicht und bestätigt deren Verfassungsmäßigkeit so können sich Staatsanwaltschaften mehr noch als bislang ermutigt fühlen, auch bereits abgeschlossene Sachverhalte mit dem Ziel zumindest der Einziehung erlangter Vermögenswerte zur Anklage zu bringen.

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