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SanInsKG tritt am 09.11.2022 in Kraft

04.11.2022

Am 20.10.2022 hat der Bundestag mit großer Mehrheit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Güterrechtsregisters (BT-Drs. 20/2730) zugestimmt, in den auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 20/4087) noch kurzfristig ein Gesetz zur Änderung des Insolvenz- und Sanierungsrechts aufgenommen wurde.

Hintergrund der insolvenz- und sanierungsrechtlichen Änderungen ist das gesetzgeberische Ziel, die durch die Ukrainekrise hervorgerufenen Unwägbarkeiten und Belastungen für die Wirtschaft abzumildern und eine Welle von Unternehmensinsolvenzen zu vermeiden, in dem die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung abgemildert wird. Der Bundestag hat dazu eine Umbenennung des bisherigen COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) in das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz – SanInsKG)“ beschlossen und in das SanInsKG Regelungen aufgenommen, durch die die Anforderungen an das Eintreten einer Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung erhöht werden.

Das SanInsKG hat am 28.10.2022 erfolgreich den Bundesrat passiert. Es wurde am 08.11.2022 veröffentlicht und tritt am Tag nach der Veröffentlichung, das heißt am 09.11.2022 in Kraft.

I. Wesentliche Änderungen durch das SanInsKG

Um auf die aktuelle Situation auf den Energie- und Rohstoffmärkten zu reagieren, wird die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung abgemildert. Dazu wird der Prognosezeitraum für eine positive Fortbestehensprognose bei der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 Abs. 2 InsO von zwölf auf vier Monate verkürzt. Geschäftsleitern wird es dadurch erleichtert, eine positive Fortbestehensprognose ihres Unternehmens annehmen und darlegen zu können. Ferner wird die Maximalfrist für Insolvenzanträge wegen Überschuldung gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 InsO von sechs auf acht Wochen erhöht.

Überdies werden die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen gemäß § 270 a Abs. 1 Nr. 1 InsO sowie § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG von sechs auf vier Monate verkürzt, wodurch der Zugang zu einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und zu (gerichtlichen/außergerichtlichen) Stabilisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen nach dem StaRUG erleichtert wird.

Die Anpassung dieser Zeiträume ist der derzeit schwierigen finanziellen Situation vieler Unternehmen sowie der für Unternehmen momentan bestehenden Erschwernisse bei einer vorausschauenden Unternehmensplanung geschuldet, da sich solche Planungen auch aus Sicht des Gesetzgebers „angesichts der derzeitigen Preisvolatilitäten und der auf absehbare Zeit weiterhin bestehenden Unsicherheiten über Art, Ausmaß und Dauer des eingetretenen Krisenzustands oft nur auf unsichere Annahmen stützen“ (BT-Drs. 20/4087, S. 7).

Gemäß der bisherigen Gesetzeslage gingen vorbenannte Prognoseschwierigkeiten und Planungsunsicherheiten vielfach zulasten der durch die Ukrainekrise betroffenen Unternehmen und ihrer Geschäftsleiter. Um sich nicht persönlichen Haftungsrisiken und strafrechtlichen Risiken wegen verspäteter Insolvenzantragstellung auszusetzen, waren Geschäftsleiter bislang gehalten, unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen, wenn sie zwar davon ausgingen, dass das von ihnen geführte Unternehmen zumindest in den kommenden vier Monaten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durchfinanziert ist, aber nicht darüber hinaus für zwölf Monate. Durch die Änderungen des SanInsKG soll vermieden werden, dass Unternehmen vorschnell in eine Insolvenzantragspflicht wegen solcher Prognoseschwierigkeiten bei der Überschuldungsprüfung gedrängt werden.

Das Gesetz verzichtet für die Abmilderung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung auf besondere Voraussetzungen, insbesondere auf ein Erfordernis der Ursächlichkeit (Kausalität) der Ukrainekrise für die Überschuldung. Die Geschäftsführung des in der Krise befindlichen Unternehmens muss daher nicht nachweisen, dass die finanziellen Schwierigkeiten des von ihr geführten Unternehmens auf die Ukraine- bzw. Energiekrise zurückzuführen sind, um sich auf die insolvenzrechtlichen Erleichterungen von der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung berufen zu können. Begründet wird das Fehlen eines Kausalitätserfordernisses damit, dass nahezu alle Wirtschaftsteilnehmer (zumindest mittelbar) von der Ukrainekrise betroffen sind und der Nachweis einer kausalen Betroffenheit daher verzichtbar erscheint. Zudem wäre der Nachweis der Kausalität mit (Prognose)Unsicherheiten behaftet, die das Gesetz gerade zu beseitigen versucht (DS 20/4087 S. 8).

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der (ebenfalls zwingende) Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO durch die Neuregelungen des SanInsKG nicht berührt wird. Hier bleibt es daher bei der bisherigen Gesetzeslage gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 InsO, dass ab Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen ist.

Sowohl für den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung als auch den Antragsgrund der Zahlungsunfähigkeit ist ferner zu beachten, dass der Acht-Wochen- bzw. Drei-Wochen-Zeitraum jeweils nur ausgeschöpft werden darf, sofern in dieser Zeit die begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt werden kann. Sofern diese Aussicht nicht besteht, ist auch künftig vor Ablauf der Frist Insolvenzantrag zu stellen.

II. Geltung der Privilegierungen auch schon bei angelaufener Insolvenzantragsfrist wegen Überschuldung

Unternehmen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SanInsKG auf Basis einer 12-Monatsbetrachtung keine positive Fortbestehensprognose haben und daher bereits wegen Überschuldung insolvenzantragspflichtig sind, profitieren auch noch von den Neuregelungen des SanInsKG, sofern bei ihnen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SanInsKG noch nicht die (vormals sechswöchige) Insolvenzantragsfrist gemäß § 15a Abs. 1 S. 2 InsO abgelaufen ist. Das gilt jedoch nur, soweit die Insolvenz allein auf einer Überschuldung beruht, also nicht daneben auch noch eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, und das Unternehmen zumindest für die kommenden vier Monate eine positive Fortbestehensprognose hat. Im Ergebnis entfällt damit eine bereits bei Inkrafttreten des SanInsKG bestehende Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung wieder, wenn die schuldnerische Gesellschaft im Zeitpunkt des Inkrafttretens des SanInsKG auf Basis einer Vier-Monatsbetrachtung eine positive Fortbestehensprognose hat.

III. Befristung der Neuregelungen

Die durch das SanInsKG geschaffenen Regelungen sind zunächst bis zum 31.12.2023 befristet. Ob die Regelungen darüber hinaus verlängert werden (ggf. in geänderter Fassung), ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Es steht zu erwarten, dass der Gesetzgeber erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 eine Entscheidung hierzu treffen wird, die maßgeblich davon abhängen dürfte, wie sich die Ukrainekrise bis dahin entwickelt.

Grundsätzlich gilt der auf vier Monate verkürzte Prognosezeitraum für eine positive Fortbestehensprognose bis zum 31.12.2023. Der ursprüngliche Prognosezeitraum von zwölf Monaten kann aber bereits ab dem 01.09.2023 wieder relevant werden, falls für die Geschäftsleitung dann bereits absehbar ist, dass auf Basis der ab dem 01.01.2024 wieder auf einen Zwölf-monatigen Zeitraum zu beziehenden Prognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Durchfinanzierung und damit eine Überschuldung der Gesellschaft bestehen wird.

V. Auswirkungen auf die Praxis

Die Neuerungen des SanInsKG bringen sowohl für die Geschäftsleiter rechnerisch überschuldeter Unternehmen als auch für Kreditgeber dieser Unternehmen, wie etwa Banken, Entlastungen bei der Beurteilung einer Insolvenzantragspflicht und ihrer damit verbundenen Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken. Nicht nur Geschäftsleiter eines schuldnerischen Unternehmens sind persönlichen Haftungs- und Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt, wenn sie verspätet Insolvenzantrag stellen. Auch Banken setzen sich eigenen Haftungsrisiken wegen des Vorwurfs einer Beihilfe zur Insolvenzverschleppung bzw. sittenwidrigen Schädigung aus, wenn sie einem Unternehmen in Kenntnis seiner Krise bzw. Insolvenzreife Kredit gewähren, der Kredit zur Beseitigung der Insolvenzreife jedoch nicht ausreicht. Durch die Neuregelungen des SanInsKG können viele Unternehmen nun als noch hinreichend gesundes Unternehmen eingestuft werden, die unter der bisherigen Gesetzeslage vielfach keine positive Fortbestehensprognose hatten und daher insolvenzantragspflichtig waren, weil sie lediglich für die kommenden ca. vier Monate durchfinanziert waren, aber nicht für die kommenden mindestens zwölf Monate.

Die Neuerungen des SanInsKG befreien Geschäftsleiter schuldnerischer Unternehmen daher nicht nur von der bisherigen strengen Pflicht zur Stellung von Insolvenzanträgen wegen Überschuldung, die vielfach in der Ukrainekrise zu vorschnellen Ergebnissen geführt hätte, sondern erleichtern ihnen möglicherweise auch den Zugang zum Kapitalmarkt, um sich während der Ukrainekrise neues Kapital beschaffen zu können. Dies ist mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel, eine Welle an Unternehmensinsolvenzen zu vermeiden, begrüßenswert.