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Selbständig oder nur zum Schein? – Ein wichtiger Compliance-Baustein

02.10.2015

Sog. „Scheinselbständige“ stehen als „illegal“ Beschäftigte immer wieder im Fokus von Betriebsprüfungen durch Sozialversicherung oder Zoll sowie von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Mediale Aufmerksamkeit, verbunden mit dem Vorwurf mangelnder Compliance, ist in derartigen Fällen ebenfalls nicht selten, gerade wenn prominente Unternehmen in Rede stehen. Dabei ist die richtige rechtliche Bewertung abhängig von der gewählten Einsatzform nicht immer einfach bestimmbar. Vermieden werden muss, dass der Verdacht einer Scheinselbständigkeit überhaupt aufkommt. Darauf müssen nicht nur die verwendeten Vertragsdokumente, sondern auch die betrieblichen Prozesse abgestimmt sein.

Vorsorge ist besser als Nachsorge

Sofern im Unternehmen Freelancer / freie Mitarbeiter aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen tätig und nach Rechnungsstellung bezahlt werden sollen, muss bereits vor Beginn – aber auch während – der Tätigkeit geprüft werden, ob eine Einbindung in die Betriebsabläufe operativ erforderlich ist, die sozialversicherungs- und steuerrechtlich eine Qualifikation als abhängig Beschäftigter bewirkt. Denn Fehleinschätzungen haben erhebliche, vor allem teure Konsequenzen für das Unternehmen und die Geschäftsleitung.

Warum Vorsorge?

Wird die fehlerhafte Einstufung eines Freelancers anlässlich einer Betriebsprüfung festgestellt, stehen nicht nur Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen für die Vergangenheit sowie verhältnismäßig hohe Säumniszuschläge im Raum; auch Ermittlungen von Zoll und Staatsanwaltschaft gegen die im Unternehmen Verantwortlichen wegen Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB und Steuerhinterziehung werden aufgenommen. Daneben droht häufig ein erheblicher Imageschaden, der nur schwer wiedergutzumachen ist. Denn mit negativer Presseaufmerksamkeit muss insbesondere bei aus der Tagespresse bekannten Unternehmen gerechnet werden.

Was heißt Vorsorge?

Welche Vorsorgemaßnahmen sinnvoll sind, ist eine Frage des Einzelfalls, weil insbesondere die Betriebsorganisation den Grad der notwendigen „Einbindung“ Selbständiger vorgibt. In aller Regel sind aber vor allem folgende Maßnahmen hilfreich:

  • Aufgabenanalyse und Bewertung: Nicht jede Tätigkeit kann von freien Mitarbeitern ausgeübt werden. Kontrollfragen: Ist eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers ausgehend von „Realbedingungen“ hinreichend vermeidbar? Welche Maßnahmen können – neben einer entsprechenden Ausgestaltung der zugrunde liegenden Verträge – getroffen werden, um eine unnötige – aus Bequemlichkeiten folgende – schleichende faktische Einbindung zu vermeiden?
  • Kontrolle und Dokumentation: Die beste Ausgangsbewertung nützt nichts, wenn sie nicht „gelebt“ wird. Daher muss hinreichend kontrolliert und dokumentiert werden, dass die verabredeten Mechanismen auch eingehalten werden. 
  • Statusverfahren: Ist sich der Auftraggeber/Arbeitgeber – trotz Absicherungsmechanismen – nicht sicher, ob ein freies Mitarbeiterverhältnis vorliegt oder eine abhängige Beschäftigung, kann eine Klärung durch die zuständigen Sozialversicherungsbehörden z.B. im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens erfolgen. Wer bestehende Unsicherheiten früh genug bei den zuständigen Behörden offen anspricht, setzt sich jedenfalls nicht dem Vorwurf der versuchten Verschleierung und mangelnden Compliancewillens aus. Wichtig ist, früh genug zu reagieren. 
  • Korrektur von Fehleinschätzungen: Kontrolle und Dokumentation machen anfängliche Fehleinschätzungen schneller erkennbar. Ziel muss dann neben einer Schadensbegrenzung für die Vergangenheit (Meldung und Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge sowie Anzeige bei den Finanzbehörden) unbedingt eine Korrektur für die Zukunft durch Umgestaltung sein. Sensible Beratung – auch unter dem Gesichtspunkt medialer Wahrnehmung von Fehlern – ist hier besonders wichtig. 

Beauftragung einer GmbH oder UG als Absicherung gegen Fehleinschätzungen?

Entgegen einer in der Praxis nicht selten vorzufindenden Bewertung hilft die Gründung und Zwischenschaltung einer Ein-Mann-Gesellschaft (GmbH oder UG), deren Gesellschaftergeschäftsführer der (ehemalige) Freelancer ist, nur bedingt. Die GmbH/UG selbst kann zwar nicht scheinselbständig sein. Gleiches muss aber nicht für den beim Auftraggeber tätigen Geschäftsführer der GmbH/UG gelten, wenn er vom Auftraggeber wie ein abhängig Beschäftigter eingesetzt wird. Diese Gestaltung sollte daher mit den vorgenannten Risikominimierungsstrategien kombiniert werden. Dann kann sie als ergänzender Baustein helfen.

Helfen mehrere Auftraggeber?

Hat ein Freelancer weitere Auftraggeber, hilft ihm dies möglicherweise, um nicht als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger qualifiziert zu werden. Für das konkrete Unternehmen ist dies nur bedingt hilfreich. Unterschiedliche Auftraggeber deuten zwar auf eine unternehmerische Tätigkeit hin. Sicher ist das aber nicht, weil schließlich auch mehrere abhängige Beschäftigungen nebeneinander bestehen können. Hilfreich kann aber wiederum sein, wenn mehrere Auftragsverhältnisse mit den vorgenannten Risikominimierungsstrategien kombiniert werden.

Fazit

Es bleibt dabei: Vorsorge ist besser als Nachsorge – nicht nur mit Blick auf die Vertragsgestaltung, sondern insbesondere auch auf den gelebten Einsatz. Korrekturen sind – soweit erforderlich – so schnell wie möglich vorzunehmen. Wird eine irrtümlich falsche Bewertung in der Vergangenheit festgestellt, sind Eile und Sorgfalt geboten, um die notwendigen Meldungen und Korrekturen effektiv nachzuholen. Hierdurch und durch sensible Kommunikation lassen sich Nachteile für das Unternehmen und seine Beschäftigten reduzieren.

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