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Selektives Vertriebs­system – Beschränkung der Hersteller­garantie

23.09.2015

Vorliegend soll der praktisch bedeutsamen Frage nachgegangen werden, ob in einem selektiven Vertriebssystem die Herstellergarantie davon abhängig gemacht werden kann, dass der Kunde das Produkt von einem autorisierten Vertriebspartner erworben hat. Denn die Möglichkeit einer wirksamen Beschränkung wird häufig verkannt und übersehen.

Hintergrund

Viele Prinzipale wählen für den Vertrieb ihrer Produkte – aufgrund deren Hochwertigkeit, Exklusivität oder/und technischen Komplexität – ein selektives Vertriebssystem. Dieses ist dadurch charakterisiert, dass bestimmte qualitative Anforderungen von Händlern innerhalb des Systems erfüllt werden müssen, wie z. B. fachliche Eignung des Händlers oder seines Personals zur Beratung, Präsentation oder Lagerhaltung des Produkts sowie zu Wartungsleistungen. Im Falle eines quantitativ selektiven Vertriebssystems wird die Anzahl der zugelassenen Händler von vorneherein beschränkt.

Der Prinzipal verpflichtet sich dabei regelmäßig, die Vertragsprodukte nur an die autorisierte Händler als ausgewählten Mitglieder des selektiven Vertriebssystems zu liefern, während sich diese verpflichten, die Vertragsprodukte nur an Endkunden oder an andere systemzugehörige Händler zu verkaufen. Zum Schutz des selektiven Vertriebssystems ist es daher den autorisierten Händlern untersagt, die Vertragsprodukte an unautorisierte, d.h. außerhalb dieses Systems stehende Wiederverkäufer zu verkaufen. Gleichwohl passieren solche unerwünschte Verkäufe immer wieder. In vielen Fällen hat der Prinzipal aber keine juristische Handhabe gegen die unautorisierten Wiederverkäufer auf der Basis des Kartell-, Wettbewerbs- und/oder Markengesetzes vorzugehen. Der unautorisierte Verkauf ist nicht per se rechtswidrig. Gegen den vertragsbrüchigen, autorisierten Händler kann der Prinzipal entweder nicht vorgehen, weil er nicht weiß, welcher Händler sich vertragsbrüchig verhalten hat, oder der Prinzipal möchte dies aus bestimmten, geschäftspolitischen Erwägungen einfach nicht.

Möglichkeit der Beschränkung der Herstellergarantie

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Prinzipal den Verkauf über unautorisierte Wiederverkäufer faktisch nicht u. a. dadurch eindämmen kann, dass er gegenüber dem Endkunden seine Herstellergarantie (sofern er eine solche gewährt) von dem Kauf bei einem autorisierten Händler abhängig macht.

Diese Frage wurde vom EuGH bereits 1994 geklärt und bejaht (Urteil Metro/Cartier, C-376/92, EU:C:1994:5, Rn. 32 – 34): Metro, ausgeschlossen vom Vertriebssystem von Cartier, begehrte die Feststellung, dass Cartier verpflichtet sei, eine Herstellergarantie auch bei von Metro gekaufte Cartier-Uhren (welche Metro durch Lücken im selektiven Vertriebssystem Cartiers bezog) zu gewähren. Cartier hatte in der jeder Cartier-Uhr beigefügten internationalen Garantieerklärung ihr Garantieversprechen davon abhängig gemacht, dass die Uhr von einem autorisierten Händler erworben wurde. Der EuGH befand, dass Cartier nicht verpflichtet ist, eine Herstellergarantie auch dann zu gewähren, wenn der Kunde das Produkt, das regelmäßig im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vertrieben wird, von einem unautorisierten Wiederverkäufer erwirbt. Dies gelte aber freilich nur dann, wenn das selektive Vertriebssystem als solches kartellrechtlich nicht zu beanstanden ist.

Fazit

Die Praxisbedeutung dieser Entscheidung wird oft nicht gesehen: Eine Herstellergarantie, die unter der Bedingung steht, dass der Kunde das Produkt von einem autorisierten Händler innerhalb des selektiven Vertriebssystems gekauft hat, kann maßgeblich zum Schutz des selektiven Vertriebssystems beitragen. Der Kunde muss sich nämlich ggf. entscheiden, ob er das Produkt von einem autorisierten Händler mit Herstellergarantie erwirbt oder von einem unautorisierten Wiederverkäufer ohne Herstellergarantie. Der Kauf bei einem unautorisierten Händler kann daher für den Kunden unattraktiv sein. Sofern der unautorisierte Wiederverkäufer die mangelnde Herstellergarantie nicht durch eine entsprechende Preissenkung ausgleicht, wird sich der Kunde für den Kauf bei einem autorisierten Händler entscheiden.

Heute ist es aber (gerade in der Automobilbranche) oft so, dass der Hersteller in jedem Fall eine Garantie gewährt, also unabhängig davon, ob der Kunde von einem autorisierten oder unautorisierten Händler gekauft hat. Von daher kann auf die vorgenannte Entscheidung des EuGH nicht oft genug hingewiesen werden, wonach ein rechtswirksames selektives Vertriebssystem mit der entsprechenden Ausgestaltung einer Herstellergarantie geschützt werden kann.

Wünschen Sie nähere Informationen zur Herstellergarantie bzw. zum selektiven Vertriebssystem oder hierzu eine praxisgerechte Beratung? Dann sprechen Sie uns gerne direkt an oder schreiben uns eine E-Mail. Auch für Fragen zu einer anderen Thematik im Bereich Vertriebsrecht und Automotive stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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