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Teure Vertriebsbeschränkungen in Lizenzverträgen: EU-Kommission verhängt Bußgeld von 6,2 Millionen Euro gegen Sanrio

18.07.2019

Am 9. Juli 2019 verhängte die Europäische Kommission gegen das japanische Unternehmen Sanrio, das unter anderem Inhaber der Vermarktungsrechte für „Hello Kitty“-Produkte ist, ein Bußgeld von 6,2 Millionen Euro. Grund für diese Strafe waren Beschränkungen, die Sanrio im Zeitraum von 2008 bis Ende 2018 ihren Lizenznehmern beim Vertrieb der Lizenzprodukte außerhalb ihres jeweiligen Lizenzgebiets im EWR auferlegt hatte (siehe Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 09.07.2019).

Die von der Europäischen Kommission als wettbewerbswidrig eingestuften Geschäftspraktiken von Sanrio betrafen Merchandisingartikel mit unter anderem den Marken Hello Kitty, Chococat, My Melody, Little Twin Stars und Keroppi.

Die Vertriebsbeschränkungen umfassten sowohl direkte wie indirekte Maßnahmen: Zum einen enthielten die Lizenzverträge teils ausdrückliche Verbote, die Lizenzprodukte aktiv oder passiv außerhalb des jeweiligen Lizenzgebiets zu vertreiben. Teils waren Lizenznehmer verpflichtet, Bestellanfragen von Kunden außerhalb ihres Lizenzgebiets an Sanrio weiterzuleiten oder bei der Werbung für die Merchandisingartikel bestimmte Sprachvorgaben einzuhalten. Die Einhaltung dieser Verbote sicherte Sanrio ab, indem es umfangreiche Audits bei Lizenznehmern durchführte und bei Verstößen gegen die Vertriebsbeschränkungen eine Verlängerung der Lizenzverträge verweigerte.

Die Entscheidung gegen Sanrio kommt nur wenige Monate, nachdem wegen ähnlicher Geschäftspraktiken der Sportartikelhersteller Nike durch die Europäische Kommission mit einem Bußgeld von 12,5 Millionen Euro belegt wurde (siehe nicht-vertrauliche Fassung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 25.03.2019). Im Falle von Nike ging es um Regelungen in Lizenzverträgen, aufgrund derer Lizenznehmer die Marken von Vereinen wie FC Barcelona, Manchester United, Juventus Turin, Inter Mailand und AS Rom und Verbänden wie dem französischen Fußball-Verband nutzen durften, um Fanartikel (Merchandising-Artikel) herzustellen und zu vertreiben. Die von Nike praktizierten Vertriebsbeschränkungen umfassten – über die Sanrio vorgeworfenen Verbote hinaus – auch Regelungen, die es Lizenznehmern untersagten, beim Online-Vertrieb die Lizenzprodukte an Kunden zu verkaufen, die ihren Wohnsitz außerhalb des Lizenzgebiets hatten. Nike sicherte die Verbote zudem auch durch finanzielle Strafregelungen ab, wie beispielsweise einer Verdopplung der Lizenzgebühr für Verkäufe außerhalb des Lizenzgebiets und sogar einem Anspruch, die gesamten Erlöse des Lizenznehmers abzuschöpfen, die er beim Vertrieb außerhalb seines Lizenzgebietes erzielt hat.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission verstieß Sanrio – wie auch Nike – mit diesen direkten und indirekten Vertriebsbeschränkungen in den Lizenzverträgen gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Kartellverbot, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Art. 53 EWR-Abkommen).

Beinhalten Lizenzvereinbarungen Klauseln, die den Warenhandel zwischen den Mitgliedstaaten des EWR beschränken, sind diese grundsätzlich kartellrechtswidrig und nur unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig. Die Europäische Kommission ist dabei der Auffassung, dass dies unabhängig davon gilt, ob beim Vertrieb der Lizenzprodukte der markenrechtliche Erschöpfungsgrundsatz eingreift. Entscheidend sei, dass die Vertriebsbeschränkungen zu einer Abschottung nationaler Märkte beitrugen und damit letztlich zu Lasten der Verbraucher gehen, da ihnen weniger Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen und dies im Ergebnis zu höheren Preisen führen kann. Die Europäische Kommission stellte deshalb auch ausdrücklich fest, dass die Vertriebsverbote ihrer Natur nach bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Kartellverbotes darstellen.

Die beiden Entscheidungen verdeutlichen erneut, dass Verträge über die Nutzung von Marken oder anderen gewerblichen Schutzrechten nicht allein am Maßstab des jeweiligen Schutzrechts gemessen werden dürfen. Vielmehr kann ein Kartellrechtsverstoß auch dann vorliegen und zu erheblichen Bußgeldern führen, wenn beispielsweise die Bestimmungen eines Lizenzvertrages aus markenrechtlicher Sicht einwandfrei sind.

Über das Bußgeldrisiko hinaus sind Lizenzgeber und etwaige Master-Lizenznehmer auch dem Risiko ausgesetzt, dass Groß- und Einzelhändler und ggf. auch Verbraucher im Nachgang zu einer Bußgeldentscheidung Schadenersatz- und vergleichbare Ansprüche geltend machen. Lizenznehmer könnten beispielsweise die Rückzahlung von Strafzahlungen oder abgeschöpfter Verkaufserlöse verlangen sowie den Ersatz entgangener Gewinne, den sie hätten erzielen können, wenn sie nicht am Vertrieb der Lizenzprodukte außerhalb ihres Lizenzgebietes gehindert worden wären.

Parteien von (Marken)-Lizenzverträgen sind angesichts dieser aktuellen Entscheidungen gut beraten, ihre Verträge und Geschäftspraktiken zu überprüfen und etwaige Vertriebsbeschränkungen abzustellen bzw. die Verträge entsprechend zu überarbeiten.

Kartellrecht
Gewerblicher Rechtsschutz

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