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Unruhe in der Liefer­kette: Droht Dienst- und Werk­verträgen das Aus?

25.02.2016

Der weite Weg von der Beschaffung von Rohstoffen über die Produktion und den Transport bis hin zum Endkunden führt über eine Vielzahl aufeinander abgestimmter Akteure. Ob Dienstvertrag, Werkvertrag oder die Deckung von Auftragsspitzen mittels Leiharbeit – komplexe Vertriebs- und Logistiksysteme geben Planungssicherheit bei gleichzeitiger Flexibilität. In diese vertraglichen Gefüge droht nun ein neuer Gesetzentwurf einzugreifen. Betroffen hiervon ist vor allem auch die Logistik- und Transportbranche.

Seit Mitte Februar 2016 liegt ein noch nicht veröffentlichter, überarbeiteter Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für Fremdpersonaleinsätze ändert und mit empfindlichen Konsequenzen bei Verstößen droht. Was „den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit“ bekämpfen soll, wird Unternehmen nun vor neue Herausforderungen stellen, sei es beim Einsatz von Frachtführern, Lageristen oder sonstigen externen Dienstleistern.

Nach derzeitiger Planung soll der Entwurf am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Wir erklären Ihnen im Folgenden, warum die geplanten Änderungen auch für Sie relevant werden können:

Entfall der Vorratserlaubnis bei Werk- und Dienstverträgen

Durch die oftmals bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des passenden Vertragstyps tragen Unternehmen künftig ein noch größeres Risiko beim Einsatz von Fremdpersonal. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn ein Dienst- oder Werkvertrag vereinbart ist, aber eine Eingliederung von Fremdpersonal droht. Das ist schnell geschehen, wenn das Fremdpersonal unmittelbar angewiesen wird, sei es im Hochregallager, beim Be- und Entladen von Fahrzeugen oder durch die Festlegung von Routen und Stellung von Arbeitsgeräten. Leiharbeit kommt in der Praxis – verdeckt – schneller und öfter vor als gedacht; künftig jedoch ohne Sicherheitsnetz hinsichtlich der Rechtsfolgen.

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß

Risiko fehlerhafter Einordnung und Benennung von Vertragstypen (Dienst-/Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung) durch Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungs-
erlaubnis zulässiger Weise auffangbar

Vorratserlaubnis schützt nicht mehr bei Werk- oder Dienstverträgen, die aufgrund der tatsächlichen Durchführung als Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten sind

Grund: Arbeitnehmerüberlassung muss im Vertrag ausdrücklich als solche bezeichnet sein; Arbeitnehmer ist vor Überlassung über Einsatz als Leiharbeitnehmer zu informieren

Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu
30.000 € je Einzelfall

Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher

Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt binnen eines Monats ab Beginn des Einsatzes beim „Entleiher“, dass er am Arbeitsvertrag mit dem „Verleiher“ festhalten wolle

Definition des Arbeitnehmers

Die gesetzliche Definition des Arbeitnehmers soll insbesondere die Abgrenzung zum Dienst- oder Werkvertragsnehmer erleichtern. Hierbei bestehen bisweilen Bedenken, dass die Grenzen zwischen Werk-, Dienst- und Arbeitsvertrag verschoben werden und damit selbständige Beschäftigungen künftig als abhängig zu qualifizieren sind. Setzt ein Subunternehmen tatsächlich selbständige Lieferanten ein? Oder ist die geschuldete Leistung wirklich ein Werk? Stellen Sie Ihre Lieferkette rechtzeitig auf den Prüfstand! Und bedenken Sie, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) künftig jeden entdeckten Arbeitsschutzverstoß direkt den zuständigen Behörden weitermeldet.

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß

Die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft findet auf Basis einer wertenden Gesamtbetrachtung im Einzelfall statt

Der Begriff des Arbeitnehmers wird gesetzlich definiert

Risiko der fehlerhaften Einordnung von Vertragsverhältnissen, insbesondere im Spannungsfeld Arbeitnehmer/Selbständiger

Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher

Die Auswirkungen eines Streiks innerhalb der Lieferkette können besonders gravierend sein, steht damit zwangsläufig auch jeder andere Akteur still. Diese Auswirkungen werden künftig nicht mehr durch den zeitweisen Einsatz von Leiharbeitnehmern zu mildern oder zu kompensieren sein. Der einzige Gestaltungsspielraum liegt künftig in den vertraglichen Haftungsregelungen.

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß

Leiharbeitnehmer dürfen grundsätzlich eingesetzt werden, um den streikbedingten Ausfall von Arbeitnehmern zu kompensieren

Der Entleiher darf Leiharbeiter nicht tätig werden lassen, soweit sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist

Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu 500.000 € je Einzelfall

Kettenverleih

Kettenverleih liegt vor, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer an einen Dritten (weiter-) verleiht. Ein solcher Kettenverleih tritt insbesondere und regelmäßig unabsichtlich bei der Einschaltung von Unternehmen und Subunternehmen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen auf, wenn Arbeitnehmer des Subunternehmens in den Betrieb des ursprünglichen Werkbestellers oder Dienstberechtigten eingegliedert werden. Ein derartiger verdeckter Kettenverleih dürfte unter Zugrundelegung des Referentenentwurfs nun mit der Begründung von Arbeitsverhältnissen mit dem Werkbesteller oder Dienstberechtigten besonders gravierende Folgen haben, vor denen auch das Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr schützen wird. 

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß

Durch die Bundesagentur für Arbeit an sich untersagt, jedoch nach h. M. sanktionslos, wenn mindestens der Erstverleiher eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis innehat

Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt

Grund: Arbeitnehmer dürfen nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber als Verleiher überlassen werden

Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu
30.000 € je Einzelfall

Bei kumulativen Verstößen (z. B. keine Erlaubnis, nur „Vorratserlaubnis“, Überschreiten der Höchstüberlassungsdauer) Rechtsfolgen entsprechend

Überlassungshöchstdauer

Leiharbeit soll dem Entwurf zufolge auf seine „Kernfunktion“, nämlich der Deckung von Auftragsspitzen, zurückgeführt werden. Ein längerer Einsatz über 18 Monate hinaus soll damit nicht mehr möglich sein. Einem einfachen Austausch des konkreten Leiharbeitnehmers nach dieser Zeit steht der Entwurf jedoch nicht entgegen. 

 Aktuelle Rechtslage  Geplante Änderungen  Rechtsfolgen bei Verstoß

Überlassung darf nur „vorübergehend“, also nicht dauerhaft sein

Nicht nur vorübergehende Überlassung ist derzeit sanktionslos

Derselbe Leiharbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen werden.“

Abweichungen durch oder aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche - des Entleihers - möglich, ggf. sogar verkürzend

Nicht tarifgebundene Entleiher können in sehr engen Grenzen in Anlehnung an einschlägige Tarifverträge Modifizierungen vorsehen

Überlassungszeiten vor dem 1. Januar 2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nicht berücksichtigt

Ordnungswidrigkeit: Bußgelder bis zu
30.000 € je Einzelfall

Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher

Ausnahme: Der Arbeitnehmer erklärt binnen eines Monats nach Überschreitung der Höchstdauer schriftlich, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten wolle

Fazit

Auch wenn der Gesetzesentwurf erst am 1. Januar 2017 in Kraft treten soll, sind dennoch kleinere Änderungen als Ergebnis parlamentarischer Beratungen durchaus denkbar und wahrscheinlich. Dies gibt Ihnen und der Organisation Ihres Unternehmens Vorlaufzeit, um einen etwaigen Änderungsbedarf in laufenden Projekten und Kooperationen sowie innerhalb Ihrer Compliance-Organisation zu analysieren und gegebenenfalls erforderliche Anpassungen rechtzeitig umzusetzen. Gerne helfen wir Ihnen hierbei mit unserem HR-Compliance-Healthcheck.

Bei Fragen zu diesem Thema kontaktieren Sie gerne: Daniel Happ, Marijke van der Most oder Christiane Berr.

Bei Fragen speziell zum HR-Compliance-Healthcheck kontaktieren Sie gerne: Daniel Happ

Weitere Artikel: Risiken der „Auftraggeberhaftung“ nach § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG)Neues Zollrecht ab dem 1. Mai 2016 

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