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Verbandssanktionengesetz-E: Auswirkungen auf Transaktionen

16.10.2020

Nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft vom 22. April 2020 mit dem Kernstück des geplanten Verbandssanktionengesetz, dessen Inhalt wir bereits mit einem Beitrag vom 14. Mai 2020 vorgestellt haben, wurde inzwischen der im Wesentlichen gleich gebliebene Regierungsentwurf vom 16. Juni 2020 (VerSanG-E) veröffentlicht. In seiner Sitzung am 18. September 2020 hat der Bundesrat das VerSanG-E grundsätzlich befürwortet und nur einige Änderungen vorgeschlagen. Damit ist mit einer Einführung des Verbandssanktionengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen. Die folgenden Ausführungen setzen sich mit der Frage auseinander, welche Auswirkungen das geplante Verbandssanktionengesetz auf Unternehmenstransaktionen haben wird. Hierbei ist zwischen den Auswirkungen auf die Due Diligence (I.), der Strukturierung der Transaktion (II.) und schließlich auf die Regelungen im Unternehmenskaufvertrag (III.) zu differenzieren, wobei jeweils die Sicht des Käuferberaters eingenommen wird.

I. Auswirkungen auf die Due Diligence

1. Erhöhung des Sanktionsrahmens und Einführung des Legalitätsprinzips

Das geplante Verbandssanktionengesetz enthält eine deutliche Anhebung des Sanktionsrahmens für große Unternehmen und Konzerne. Während die nach § 30 Abs. 2 S 1 Nr. 1 OWiG vorgesehene Geldbuße auf EUR 10 Mio. gedeckelt war, entfällt diese starre Deckelung in § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VerSanG-E. Danach ist bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als EUR 100 Mio., wobei bei der Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatz der weltweite Umsatz der letzten drei der Verurteilung vorausgehenden Geschäftsjahre aller natürlichen Personen und Verbände, die mit dem Verband eine wirtschaftliche Einheit bilden, heranzuziehen ist, eine flexible Obergrenze von 5 (bei fahrlässigen Verbandstaten) bzw. 10 Prozent (bei vorsätzlichen Verbandstaten) dieses durchschnittlichen Jahresumsatzes festgelegt.

Als wesentlichen Schwachpunkt der bisherigen Verortung im OWiG hat der Entwurf das dort geltende Opportunitätsprinzip und die teilweise Zuständigkeit der örtlichen Verwaltungsbehörden ausgemacht. Dies habe zu einer unterschiedlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit je nach Region und Auslastung der Behörden geführt. Der Entwurf koppelt nunmehr die Sanktion an das Vorliegen einer Verbandstat, sodass grundsätzlich die Staatsanwaltschaft zuständig ist (Ausnahmen gelten z.B. für Steuerstraftaten, bei denen die Finanzbehörden zuständig sind und für kartellrechtliche Verbandstaten, wenn die Kartellbehörden ein Verfahren eingeleitet haben, § 42 VerSanG-E) und Ermittlungen bei Anhaltspunkten aufnehmen muss (Legalitätsprinzip).

Aufgrund dieser empfindlichen Sanktionsandrohung gepaart mit der erhöhten Verfolgungswahrscheinlichkeit wird der Compliance Due Diligence hinsichtlich der Aufdeckung von Verbandstaten eine erhöhte Bedeutung zukommen. Teil der Compliance Due Diligence wird es in Zukunft auch sein, danach zu fragen, ob es bei dem Zielunternehmen zu einer öffentlichen Bekanntmachung einer Verurteilung nach dem Verbandssanktionengesetz gemäß § 14 VerSanG-E (sog. Naming and Shaming) gekommen ist - sofern dieser „Pranger“ nicht wieder, wie vom Bundesrat angeregt, aus dem Gesetzestext entfernt wird - oder ein Eintrag im Verbandssanktionenregister (§§ 54 ff. VerSanG-E) vorliegt.

2. Vorhandensein/Etablierung eines wirksamen Compliance-Management-Systems

Wie in unserem Beitrag vom 14. Mai 2020 beschrieben, kann ein effizientes Compliance-Management-System (CMS) dazu führen, dass bei Begehung von Verbandstaten durch Mitarbeiter oder Dritte schon die Zurechnung an den Verband nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E entfällt und mithin eine Sanktion des Verbands vermieden werden kann. Darüber hinaus kommt im Rahmen von § 10 Abs. 1 Nr. 1 VerSanG-E statt einer Verbandsgeldsanktion eine Verwarnung mit Verbandsgeldsanktion in Betracht, wenn ein an sich effizientes CMS besteht und es sich quasi um einen Ausreißer handelt. Schließlich ist bei der Bemessung der Verbandsgeldsanktion das Vorhandensein bzw. die Etablierung eines CMS nach § 15 Abs. 3 Nr. 6, 7 VerSanG-E zu berücksichtigen. Ob ein effizientes CMS vorliegt, wird daher auch aus diesen Aspekten Gegenstand der Compliance Due Diligence sein. Welche konkreten Anforderungen an das CMS zu stellen sind, ergibt sich weder aus dem VerSanG-E selbst noch aus den vom BMJV am 16. Juni 2020 veröffentlichten Fragen- und Antworten zum Regierungsentwurf. Dies sei von vielen Faktoren abhängig, u.a. Branche, Unternehmensgröße und dem jeweiligen Risiko und könne am besten von den Unternehmen selbst eingeschätzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob - wie vom Bundesrat angeregt - im Wortlaut des Verbandssanktionengesetz noch zum Ausdruck kommen wird, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen geringere Anforderungen an das CMS zu stellen sind.

II. Strukturierung der Transaktion

1. Asset deal statt share deal

Um die im Kartellrecht bekannt gewordene „Wurstlücke“ von vornherein zu vermeiden, enthalten §§ 6 und 7 VerSanG-E Regelungen zur Rechtsnachfolge und zur Ausfallhaftung (siehe auch hierzu unseren Beitrag vom 14. Mai 2020 unter V.). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E können danach auch Verbände in Anspruch genommen werden, die „wesentliche Wirtschaftsgüter des betroffenen Verbands übernommen und dessen Tätigkeit im Wesentlichen fortgesetzt haben (Einzelrechtsnachfolge)“, wenn der übertragende Verband nach Bekanntgabe der Einleitung des Sanktionsverfahrens erlischt oder eine Verbandsgeldsanktion gegen ihn voraussichtlich nicht vollstreckt werden kann. Ist beim Zielunternehmen also bereits die Einleitung des Sanktionsverfahrens bekanntgegeben worden, kann der Käufer danach sogar in Anspruch genommen werden, wenn er das Zielunternehmen im Rahmen eines asset deals erwirbt. Allerdings ist fraglich, ob dies auch gilt, wenn der Käufer Unternehmensteile erwirbt, die mit der Verbandstat nicht in Verbindung stehen. Zwar sieht der Gesetzgeber diese Vorschrift als eine dem zivilrechtlichen Institut der Anfechtung ähnliche Regelung, die den Vollstreckungszugriff erweitern soll. Jedoch lassen die oben beschriebenen Tatbestandsmerkmale „wesentliche Wirtschaftsgüter des betroffenen Verbands“ und „wesentliche Fortsetzung der Tätigkeit“ einen gewissen Spielraum, der angesichts des strafrechtlichen Charakters des Verbandssanktionengesetz nur einschränkend ausgelegt werden sollte.

Ein weiterer, bei der Strukturierung der Transaktion zu berücksichtigender Aspekt ist die oben unter I.1. beschriebene Ermittlung der Verbandsgeldsanktion anhand des weltweiten Konzernumsatzes des betroffenen Verbands. So mag es sich anbieten, die Transaktion anstatt als share deal bewusst als asset deal zu gestalten, um eine wirtschaftliche Einheit der Zielgesellschaft mit dem Käuferkonzern zu vermeiden, die dazu führen könnte, dass der weltweite Umsatz des Käuferkonzerns herangezogen wird. Werden nicht Geschäftsanteile sondern Vermögensgegenstände des Zielunternehmens erworben, wird eine wirtschaftliche Einheit von einem Gericht wesentlich zurückhaltender angenommen werden. Im Rahmen der dann nur möglichen Ausfallhaftung des Käufers nach § 7 VerSanG-E könnte jedenfalls nur auf den Umsatz des Verkäuferkonzerns abgestellt werden.

Schließlich kann es mitunter dann eine sinnvolle Alternative sein, die Transaktion als asset deal anstatt als share deal zu strukturieren, sollte es beim Zielunternehmen zu einer öffentlichen Bekanntmachung einer Verurteilung nach dem Verbandssanktionengesetz gemäß § 14 VerSanG-E gekommen und mithin der Ruf beschädigt sein.

2. Zeitliche Streckung des Vollzugs

Nicht nur für die Struktur der Transaktion als share deal oder asset deal sondern auch für die zeitliche Planung im Rahmen eines share deals kann die oben unter I.1. beschriebene Ermittlung der Verbandsgeldsanktion anhand des weltweiten Konzernumsatzes des betroffenen Verbands eine Rolle spielen. Erwirbt nämlich ein großer Konzern ein Zielunternehmen, gegen das ein Sanktionsverfahren nach dem VerSanG anhängig ist, von einer relativ kleinen Verkäufereinheit, kann es sich anbieten, den Vollzug des Erwerbs zeitlich so zu strecken, dass die Verurteilung noch vor den Vollzugszeitpunkt fällt und mithin der durchschnittliche Jahresumsatz des Verkäufer(konzern)s herangezogen wird. Zwar lässt sich durchaus anzweifeln, ob und in welchem Umfang schon der Umsatz des Käuferkonzerns berücksichtigungsfähig wäre. Gegen die Berücksichtigungsfähigkeit spricht nämlich insbesondere das gesetzgeberische Ziel der Konzernerstreckung, den Konzern dazu zu bewegen, für eine einheitliche Compliance bei allen Tochterunternehmen zu sorgen. Das hat der Erwerberkonzern aber nicht in der Hand, wenn er zum Zeitpunkt der Verbandstat gar nicht am Zielunternehmen beteiligt war. Allerdings besteht hier mangels ausdrücklicher Regelung eine erhebliche Rechtsunsicherheit. 

III. Regelungen im Unternehmenskaufvertrag

1. Garantien

Marktübliche Verkäufergarantien in Unternehmenskaufverträgen hinsichtlich Compliance erschöpfen sich häufig darin, dass der Geschäftsbetrieb in Übereinstimmung mit Gesetzen, Verordnungen sowie sonstigen rechtlichen Bestimmungen und Verwaltungsakten geführt wurde und keine Rechte Dritter verletzt hat. Wegen der deutlichen Anhebung des Sanktionsrahmens im VerSanG-E sollte diese Garantie dahingehend erweitert werden, dass alle Compliance-Maßnahmen eingeführt und umgesetzt wurden, die sanktionsausschließenden oder -mindernden Charakter haben.

2. Kooperationspflichten

Unternehmenskaufverträge, bei denen - wie häufig - das Closing dem Signing zeitlich nachfolgt (z.B. wegen einer nötigen Kartellfreigabe, Finanzierung etc.) enthalten üblicherweise Vorschriften, in denen das Verhalten des Verkäufers zwischen dem Signing und dem Closing geregelt wird. Steht nun ein Compliance-Verstoß des Zielunternehmens im Raum, sollte die Kooperation mit den Ermittlungsbehörden vertraglich vereinbart werden, um in den Genuss einer milderen Sanktion oder dem Absehen von einer Sanktion zu kommen. Außerdem darf in einem solchen Fall, wenn das Gericht die Kooperation als für eine Milderung nach § 17 VerSanG-E ausreichend ansieht, auch keine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung mehr erfolgen (§ 18 S. 2 VerSanG-E). Zu dieser Kooperation sollte möglichst nicht nur der Verkäufer, sondern auch die Geschäftsleiter verpflichtet werden. Dies kann freilich in einem Spannungsverhältnis zu deren Recht, sich nicht selbst zu belasten (nemo tenetur), stehen.

3. Freistellungsklauseln

Schließlich sollte bei konkreten Verdachtsmomenten für einen Compliance-Verstoß bzw. wenn ein Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet wurde, im Unternehmenskaufvertrag eine Freistellung von den finanziellen Folgen etwaiger Sanktionen geregelt werden. Möglichst sollte darauf hingewirkt werden, dass dabei nicht nur der Zeitraum bis zum Closing erfasst ist, sondern noch eine gewisse Zeitspanne darüber hinaus, um das eigene CMS des Käufer(konzern)s beim Zielunternehmen etablieren zu können.

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