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Vergleichs­verhandlungen binden EU-Kommission nur, wenn der Vergleich zustande kommt

23.01.2017

In seinem kürzlich erlassenen Timab-Urteil hat der Europäische Gerichtshof („EuGH“) bestätigt, dass das Vergleichsverfahren der Europäischen Kommission und das gewöhnliche Ermittlungsverfahren unabhängig voneinander sind. Er hat bestätigt, dass die Kommission nur an ihre Aussagen im Vergleichsverfahren gebunden ist, wenn ein Vergleich erfolgt. Zieht sich ein Unternehmen aus den Vergleichsverhandlungen zurück, ist das gewöhnliche Verfahren so anwendbar, als ob es keine Verhandlungen gegeben hätte.

Hintergrund des Falls

Die Entscheidung betrifft das Tierfutterphosphatkartell, in dem die Kommission ein Verfahren gegen verschiedene Unternehmer eingeleitet und mit allen Vergleichsverhandlungen begonnen hat. Im Vergleichsverfahren erkennen Unternehmen ihr Fehlverhalten an und verzichten auf einige Verfahrensrechte wie etwa vollständigen Aktenzugang. Im Gegenzug wird ihr Bußgeld um 10 Prozent reduziert.

Mit Ausnahme von Timab haben sich alle Unternehmen mit der Kommission verglichen. Timab hat sich aus den Vergleichsverhandlungen zurückgezogen, nachdem die Kommission mitgeteilt hatte, dass sie von einer Kartellbeteiligung zwischen 1978 und 2004 ausgehe und dass das voraussichtliche Bußgeld zwischen 41 und 44 Millionen Euro betrage. Hierbei seien berücksichtigt: eine Reduktion um 17 % nach der Kronzeugenmitteilung, sowie die 10% Erlass für das Vergleichsverfahren sowie eine zusätzliche Reduktion von 35 % für mildernde Umstände, da das Unternehmen es der Kommission ermöglicht habe, eine längere Beteiligungsdauer festzustellen.

Timab entschloss sich, sich nicht zu vergleichen und stattdessen zum gewöhnlichen Kartellverfahren zurückzukehren. Die Kommission stellte in ihrer finalen Entscheidung eine Kartellbeteiligung nur für den Zeitraum 1993 bis 2004 fest und verhängte eine Geldbuße von 59,85 Millionen Euro.

Vergleichsverfahren führen nicht zu begründeten Erwartungen

Während des Berufungsverfahrens zum Gericht und schlussendlich zum Europäischen Gerichtshof, behauptete Timab unter anderem, dass diese Entscheidung das Prinzip der begründeten Erwartungen verletze. Insbesondere behauptete es, dass die Kommission es nicht vorgewarnt hätte, dass sie die Reduktion für mildernde Umstände nicht mehr anwenden wolle. Timab hielt es für “paradox”, dass ein höheres Bußgeld verhangen worden ist, obwohl die Beteiligungsdauer reduziert worden ist.

Der EuGH hat diese Klagegründe zurückgewiesen und festgestellt, dass Timabs Rückzug von den Vergleichsverhandlungen eine Rückkehr zum gewöhnlichen Verfahren zur Folge hatte. Timab habe vorhersehen können, dass die 35% Reduktion, die die Kommission dafür gewähren wollte, dass es möglich gewesen wäre zu beweisen, dass Timab vor 1993 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hat, nicht mehr gewährt wird, wenn Timab diese Beteiligung nun im gewöhnlichen Verfahren bestreitet.

Unternehmen, die sich an Vergleichsverhandlungen beteiligen, sollten sorgfältig prüfen, ob eine Rückkehr zum gewöhnlichen Verfahren vorteilhaft ist – sowohl in Bezug auf die verhängten Bußgelder im Verwaltungsverfahren als auch bezüglich der möglichen Vorteile, die das Vergleichsverfahren hinsichtlich etwaiger Follow-on Klagen haben kann.

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