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Versicherungsschutz bei Starkregen, Überflutungen und Hochwasser in der industriellen Sachversicherung

20.07.2021

Die Folgen der Überschwemmungen vor allem im westlichen Teil der Bundesrepublik lassen erahnen, dass die Schäden der jüngsten Unwetterkatastrophe allein in Deutschland enorm sein werden. Ein Teil der entstandenen Schäden dürfte über entsprechende Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherungen versichert sein. Ob Versicherungsschutz im Einzelfall besteht und in welchem Umfang Kosten in Zusammenhang mit der Beseitigung der eingetretenen Schäden (v.a. Aufräum- und Beseitigungskosten) vom Versicherungsschutz umfasst sind, richtet sich naturgemäß nach den jeweils vorhandenen Versicherungen und den zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

1. Überblick über die relevanten Versicherungsprodukte

Die meisten Versicherungsprodukte der industriellen Sachversicherung bieten Versicherungsschutz für Sachschäden infolge von Überschwemmungen. Der Versicherungsschutz ist dabei häufig angelehnt an die Allgemeinen Bedingungen zur Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuerversicherung (ECB 2010) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Danach leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Überschwemmung oder Rückstau zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen.

Der Bundesgerichtshof legt dem Begriff der „Überschwemmung“ im Rahmen der Auslegung am Maßstab eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ein weites Verständnis zugrunde. Eine Überschwemmung soll nach Auffassung des IV. Zivilsenats vorliegen, wenn Wasser in erheblichem Umfang meist mit schädlichen Wirkungen nicht auf normalem Wege abfließt, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände auftritt und dieses überflutet (BGH, Urt. v. 26.04.2006 – IV ZR 154/05).

Noch einfacher lässt sich der Versicherungsschutz bei sog. All-Risk-Policen (Allgefahren-Deckung) bestimmen. Diese Policen bieten in der Regel Versicherungsschutz für versicherte Sachschäden unabhängig von der Verursachung dieses Schadens durch eine versicherte benannte Gefahr (named peril). Es werden folglich Sachschäden, gleich aus welcher Ursache gedeckt. Zu beachten ist allerdings, dass auch im Rahmen sog. All-Risk-Policen regelmäßig einzelne Ursachen im Rahmen von Risikoausschlüssen aus dem Deckungsbereich wieder ausgenommen werden. Es kommt deshalb zur Feststellung des Versicherungsschutzes auch hier auf eine sorgfältige Bedingungsanalyse an.

Versicherungsschutz besteht im Rahmen der industriellen Sachversicherung nicht allein für die Wiederherstellung/Wiederbeschaffung der beschädigten/zerstörten versicherten Sachen, sondern auch für zahlreiche Kostenpositionen, darunter v.a. Aufräumungs- und Abbruchkosten.

Neben den primären Sach- und Kostenschäden besteht häufig auch Versicherungsschutz für Betriebsunterbrechungen, die in Zusammenhang mit dem Eintritt eines versicherten Sachschadens eintreten, im Rahmen sog. Betriebsunterbrechungsversicherungen. Der Versicherungsschutz im Rahmen der industriellen Betriebsunterbrechungsversicherung ist an die Versicherung zusätzlicher Gefahren zur Feuer-Betriebsunterbrechungs-Versicherung (ECBUB 2010) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. angelehnt.

Bei der Betriebsunterbrechungsversicherung ersetzt der Versicherer den Ertragsausfallschaden des Versicherungsnehmers, der dadurch entsteht, dass der versicherte Betrieb infolge eines versicherten Sachschadens unterbrochen wird. Der Ertragsausfall besteht in der Regel aus den fortlaufenden Kosten (v.a. Löhne/Gehälter von Mitarbeitern, Mietzahlungen, Strom- und Heizungskosten) und dem entgangenen Betriebsgewinn des Versicherungsnehmers. Die konkrete Berechnung bereitet in der Praxis häufig Schwierigkeiten und bedarf in der Regel sachverständiger Feststellungen. Die Einbindung externer Sachverständiger und die notwendige Abstimmung mit dem Versicherer sollten im Interesse einer effizienten Schadenregulierung sorgfältig begleitet werden.

In vielen Industriepolicen sind daneben weitere Aufwendungen im Fall einer eingetretenen Betriebsunterbrechung versichert, z.B. zusätzliche Kosten, die dem Versicherungsnehmer aufgrund von Abnahmeverpflichtungen (z.B. Lagerungs- und Transportkosten, Zinsen, zusätzliche Standgelder) entstehen. Welche Kosten im Einzelfall gedeckt sind, ist durch Auslegung der jeweiligen Versicherungsbedingungen zu klären.

Sollten neben der industriellen Sach-/und Betriebsunterbrechungsversicherung weitere separate Sachversicherung (Maschinen-/Elektronikversicherung) bestehen, empfehlen wir dringend auch insoweit den Versicherungsschutz auf den Einschluss von sog. Elementarschäden zu prüfen.

2. Handlungsempfehlungen zur Sicherung des Versicherungsschutzes

Den Versicherungsnehmer treffen im Schadenfall eine Reihe vertraglicher Obliegenheiten, deren Einhaltung entscheidend dafür ist, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Dazu gehören insbesondere:

  • Unverzügliche Anzeige des Versicherungsfalls: Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Eintritt eines versicherten Schadens unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen.

  • Sorgfältige Dokumentation des Schadenbildes: Um den Nachweis eines versicherten Schadens zu führen, sollte der Versicherungsnehmer das Schadenbild sorgfältig dokumentieren. Nach marktüblichen Versicherungsbedingungen ist der Versicherungsnehmer zudem gehalten, das Schadenbild so lange unverändert zu lassen, bis die Schadensstelle oder die beschädigten Sachen durch den Versicherer freigegeben worden sind. Sind Veränderungen – z.B. aufgrund notwendiger Maßnahmen der Schadenminderung – unumgänglich, sind das Schadenbild nachvollziehbar zu dokumentieren (z.B. durch Fotos) und die beschädigten Sachen bis zu einer Besichtigung durch den Versicherer aufzubewahren. Die Dokumentation des Schadenbildes schließt auch eine Inventarliste der beschädigten Sachen mit ein. Neben der Beachtung versicherungsvertraglicher Obliegenheiten ist eine sorgfältige Dokumentation schließlich erforderlich, um etwaige Ansprüche gegen den Versicherer im Falle unberechtigter Leistungsablehnung gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.

  • Maßnahmen zur Schadenminderung: Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des versicherten Schadens dazu verpflichtet, soweit möglich für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Er hat dabei Weisungen des Versicherers zur Schadenabwendung/-minderung – gegebenenfalls auch mündlich oder telefonisch – einzuholen und diese einzuhalten, soweit die Umstände dies gestatten und die Einhaltung unter den konkreten Umständen nicht unzumutbar ist. Im Schadenfall ist es deshalb notwendig, frühzeitig Maßnahmen zu veranlassen, um weitere Schäden an versicherten Sachen zu verhindern und den Versicherer möglichst frühzeitig in das Schadenmanagement einzubinden.