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Vorrats­daten­speicherung: Bundes­netz­agentur stoppt nach OVG-Entscheidung den Vollzug

29.06.2017

Die Bundesnetzagentur hat am 28.06.2017 mitgeteilt, vorläufig von Maßnahmen zur Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung          (§ 113b TKG) abzusehen.

Mit dieser Entscheidung reagiert die Regulierungsbehörde auf die eine Woche vorher ergangene Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 22.06.2017 (13 B 238/17), das die Speicherpflichten des klagenden Diensteanbieters vorläufig außer Kraft gesetzt hatte.

Nach Ansicht der Bundesnetzagentur hat die Entscheidung des OVG NRW über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weshalb der Vollzug der Vorratsdatenspeicherung bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt wird.

Hintergrund


Alle Provider sind ab dem 01. Juli 2017 dazu verpflichtet, die in § 113b TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden für eine Dauer von 4 Wochen (Standortdaten) bzw. 10 Wochen zu speichern. Der Verstoß gegen die Speicherpflicht ist bußgeldbewehrt. Diese Regelung ist bereits der zweite Versuch, die Vorratsdatenspeicherung im deutschen Recht zu verankern, nachdem die alte Regelung vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war.

Die klagende SpaceNet AG erbringt Internetzugangsleistungen in Deutschland und hatte sich gegen Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gewandt, da sie sich in Grundrechten aus dem Grundgesetz und der Grundrechte Charta der europäischen Union verletzt sah. Das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) hatte diesen Eilantrag in erster Instanz abgewiesen (Wir berichteten).

Die Entscheidung des OVG


Anders als die erste Instanz ist das OVG nun der Argumentation der SpaceNet AG im Kern gefolgt. Die genannte Speicherpflicht sei insgesamt mit Unionsrecht unvereinbar und verletze die SpaceNet AG in ihrer unternehmerischen Freiheit aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU GRCharta).

Der Entscheidung des OVG waren zwei Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorangegangen. Zum einen das Urteil in der Sache „Digital Rights Ireland“ vom 8. April 2014 (C-293/12 und C-594/12) zur Nichtigkeit der Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung; zum anderen das jüngst ergangene Urteil vom 21.12.2016 zur schwedischen Vorratsdatenspeicherung (C-203/15).

Nach dieser Rechtssprechung des EuGH sind Rechtsvorschriften zur Vorratsdatenspeicherung nur zulässig, wenn sie für die Verhinderung oder Verfolgung von schwerwiegenden Straftaten notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind. Die Regelungen sind dabei insbesondere an den Grundrechten der EU GRCharta zu messen.

Diesen Maßstäben wird das deutsche Gesetz nach Ansicht des OVG nicht gerecht. Insbesondere werde der Bezug zur Bekämpfung schwerer Straftaten nicht hergestellt. Das TKG fordere vielmehr eine unterschiedslose Speicherung ohne entsprechende personelle, zeitliche oder geographische Begrenzung. Insbesondere stelle die Speicherpflicht die Regel dar, obwohl diese nach dem mit der Datenschutzrichtlinie geschaffenen System die Ausnahme zu bleiben habe. Der damit einhergehenden technische und finanzielle Aufwand für die Diensteanbieter bedeute einen Eingriff in deren unternehmerische Freiheit. Das OVG betont, durch die festgestellte objektiv-rechtliche Unionsrechtswidrigkeit der Speicherpflicht bestünde kein legitimes öffentliches Interesse auf einen vorläufigen Vollzug der Vorschriften.

Weiterführende Informationen


Die Mitteilung der Bundesnetzagentur finden Sie hier.

Die Pressemitteilung des OVG NRW finden Sie hier

Telekommunikation
Regulierung & Governmental Affairs

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