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Vorvertragliche Aufklärungs­pflichten des Franchise­gebers: Urteil des Oberlandes­gericht München vom 23. Juni 2021 – 7 U 6141 /19

15.12.2021

Einführung

Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass jede Vertragspartei selbst dafür verantwortlich ist, sich über die allgemeinen Marktverhältnisse und die daraus resultierenden Risiken vor Vertragsschluss zu informieren. Der Franchisenehmer hat als wirtschaftlich selbständiger Unternehmer wie jeder andere Geschäftsmann die mit dem Abschluss von Verträgen verbundenen wirtschaftlichen Risiken selbst zu tragen. Um diese Risiken realistisch einschätzen zu können, ist der Franchisegeber gegenüber dem potentiellen Franchisenehmer jedoch verpflichtet, vor dem Vertragsschluss über solche Umstände aufzuklären, die allein dem Franchisegeber bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie die Entscheidung des potentiellen Franchisenehmers über den Vertragsschluss beeinflussen können. Im Franchiserecht wird diese vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchisegebers insbesondere bei dem Abschluss von Franchiseverträgen diskutiert. Die vorvertragliche Aufklärungspflichtgilt jedoch nicht nur vor Abschluss eines Franchisevertrages, sondern bei sämtlichen Verträgen, welche der Franchisegeber mit dem Franchisenehmer schließt. Denn durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis mit gegenseitigen Schutzpflichten (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch).

Kürzlich hatte das Oberlandesgericht München (Urteil vom 23.06.2021 abrufbar bei juris – 7 U 6141 /19) darüber zu entscheiden, ob die Franchisegeberin im Rahmen des Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages gegenüber dem Franchisenehmer ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hatte.

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Franchisegeberin (Beklagte) betreibt ein Franchisesystem im Bereich der System-Gastronomie und hielt 100%ige Anteile an einer Gesellschaft, welche mit notariellem Kaufvertrag  vollständig an den Kläger veräußert wurde. Die Gesellschaft sollte ein – im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschluss noch nicht eröffnetes – Restaurant  als Franchisenehmerin im Franchisesystem der Beklagten betreiben. Hinsichtlich des Kaufpreises vereinbarten die Parteien eine Ratenzahlung.

Die Gesellschaft hatte bereits vor Abschluss des Kauvertrages,  also zum Zeitpunkt als die Franchisegeberin noch die 100%ige Muttergesellschaft und der Kläger noch nicht Geschäftsführer war, mit der Franchisegeberin einen Franchisevertrag geschlossen. Später kündigte die Franchisegeberin den Franchisevertrag wegen Nichtzahlung der Franchisegebühren und wegen Einstellung des Geschäftsbetriebes außerordentlich.

Der Kläger und der Erwerber der Geschäftsanteile der Gesellschaft wendet sich mit seiner Klage gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufvertrag, mit welcher die Beklagte die noch offene Kaufpreisschuld geltend machte. Zusätzlich macht der Kläger seinerseits Schadensersatzansprüche geltend.

Den Anspruch stützte er primär darauf, dass der Kaufvertrag über die Anteile an der Gesellschaft wegen fehlerhafter vorvertraglicher Aufklärung aufzuheben sei, sodass die Beklagte die offene Kaufpreisschuld nicht verlangen dürfe. Vielmehr habe der Kläger seinerseits einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Der Kläger war der Ansicht, die Franchisegeberin habe mündliche Mindestumsatzzahlen zugesichert. Auch habe die Franchisegeberin in einer übersandten Ertragsvorschau ein Jahresumsatz prognostiziert, der sich jährlich steigern würde. Die Planzahlen seien dabei gänzlich fehlerhaft gewesen. Die Umsätze seien weitaus geringer ausgefallen. Die Klage des Klägers wurde von dem Landgericht München (Urteil vom 19.09.2019, Az. 29 O 12976/17) abgewiesen. Im Berufungsverfahren hatte sich nun das Oberlandesgericht München mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Franchisegeberin ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt hatte.

Entscheidungsgründe

Das Oberlandesgericht München wies die Berufung zurück. Eine Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht lag nicht vor.

  1. Das Gericht stellt zunächst klar, dass zwischen den einzelnen Vertragsbeziehungen streng zu differenzieren ist. Der Kläger wehrte sich gegen seine Inanspruchnahme aus dem notariellen Kaufvertrag, bei dem er – nicht die Gesellschaft – Vertragspartei ist. Der Kläger verlangte die Aufhebung dieses Kaufvertrages. Er machte darüber hinaus (zumindest primär) eigene Schadensersatzansprüche, nicht solche der Gesellschaft geltend. Grundlage für all dies ist ausschließlich der Kaufvertrag über die Anteile an der Gesellschaft, nicht der Franchisevertrag. Dass dem Kaufvertragsschuss der Abschluss eines Franchisevertrages zwischen der Gesellschaft und der Beklagten vorangegangen ist, ändert nichts daran, dass es sich um getrennte und damit auch getrennt zu betrachtende Vertragsverhältnisse handelt.

    Dies wird besonders daran deutlich, dass die Beklagte vor Abschluss des Franchisevertrages keinerlei Aufklärungspflichten gegenüber der Gesellschaft traf. Denn die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt noch die Anteilseignerin (Mutter) der Gesellschaft. Auch hatten die Franchisegeberin (Beklagte) und die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt noch identische Geschäftsführer, sodass sie über dieselben Kenntnisse verfügten.

  2. Mit Blick auf den Kaufvertrag stellte das Gericht zunächst fest, dass ausschließlich eine vorsätzliche Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu einer Aufhebung des Kaufvertrages führen kann. Denn streitig sei, ob eine Beschaffenheit (Ertragspotential) des Kaufgegenstandes vereinbart worden sei. Das insoweit nach deutschem Recht vorrangige Gewährleistungsrecht verlange insoweit aber vorsätzliches Verhalten. Das müsse dann auch für die vorvertragliche Aufklärungspflicht gelten. Denn sonst werde das Gewährleistungsrecht unterlaufen.

  3. Eine vorsätzliche Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht durch die Beklagten konnte das Gericht nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht feststellen. Im Rahmen der Beweisaufnahme stellte sich heraus, dass die Beklage die tatsächliche Erzielung eines bestimmten Umsatzes durch den Kläger nicht als sicher dargestellt hat. Die Zeugenaussagen des Klägers konnte durch die Zeugenaussagen der Beklagten widerlegt werden. Der Zeuge der Beklagten legte glaubhaft dar, dass er keinerlei Umsatzzahlen versprochen oder garantiert hat. Auch hat er die internen Daten nur auf Drängen des Klägers herausgegeben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass der Kläger mit den Daten „rumspielen“ kann.

    Im Rahmen der Beweisaufnahme stellte sich zudem heraus, dass die Zahlenangaben durch die Beklagte nicht ins Blaue hinein erfolgt sind. Der Zeuge der Beklagten hat glaubwürdig bekundet, dass er an die übermittelten Zahlen glaubt. Die Zahlen hätten daher die Erwartungen der Beklagten widerspiegelt – auch wenn es sich dabei nur um Schätzungen gehandelt hat.

    Eine Aufklärungspflichtverletzung folgte auch nicht aus der Tatsache, dass die Franchisegeberin 2003 und 2007 Insolvenz anmelden musste. Bei der Insolvenz handelt es sich insoweit nicht um einen aufklärungsbedürftigen Umstand. Die Insolvenz war damit nicht geeignet die Vertragsverwirklichung zu gefährden. Richtigerweise lag die Insolvenz bereits 5 Jahre zurück und wurde durch die Franchisegeberin überwunden. Es lag somit im Verantwortungsbereich des Klägers, sich über die Vorgeschichte der Franchisegeberin zu informieren. Dies wäre ihm über das Internet auch möglich gewesen.

    Zudem ist in dem Kaufvertrag ein klarer Haftungsausschluss zugunsten der Beklagten enthalten, der auch etwaige Ansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung umfasst. Der Haftungsausschluss bezog sich – wie bei Unternehmenskaufverträgen üblich – auch auf Angaben bezüglich der Ertragskraft. Die Ertragskraft umfasst auch Angaben zu Umsätzen, welche für die Bestimmung der Ertragskraft verwendet wurden. Auch ist bei der Übersendung von Zahlen durch die Beklagte stets darauf hingewiesen worden, dass es sich bei den Zahlenangeben nur um eine Schätzung handelt und keine Haftung übernommen wird.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgericht München zeigt, dass die vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchisegebers nicht nur bei Abschluss des Franchisevertrages sondern auch im Rahmen von Unternehmenskaufverträgen eine Rolle spielt. Auch wird deutlich, dass es grundsätzlich den Franchisenehmer obliegt sich vor Vertragsschluss umfassend zu informieren. Tatsächlich laufen rechtliche Auseinandersetzung über die Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht regelmäßig auf eine Beweisaufnahme hinaus. Es ist dem Franchisegeber daher dringend anzuraten bei Vorlage von Zahlenmaterial eindeutig darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um eine Schätzung handelt. Zwecks Nachweisbarkeit sollte dieser Hinweis schriftlich erfolgen. Ansonsten geht der Franchisegeber das Risiko ein, der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen ausgesetzt zu werden. Weiter empfiehlt es sich, in Unternehmenskaufverträgen Haftungsausschlüsse hinsichtlich des Ertragswertes aufzunehmen.