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Was man jetzt zur Hängepartie der Erb­schaft­steuer­reform wissen muss

29.07.2016
Nach zähem Ringen ist es der Regierungskoalition gelungen, sich auf den Entwurf für ein Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer zu einigen. Während dieser Kompromissvorschlag auch vom Bundestag verabschiedet wurde, haben SPD, Grüne und Linke ihre Ankündigung wahrgemacht, dem Gesetz im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Am 8. Juli 2016 hat der Bundesrat deshalb den Vermittlungsausschuss angerufen. Strittig sind zahlreiche wesentliche Aspekte des Gesetzes, bei der es um die Neujustierung der Privilegien für Unternehmensnachfolger geht. Angesichts der diametral entgegengesetzten Positionen der Parteien ist es höchst fraglich, ob im Vermittlungsausschuss überhaupt ein Einvernehmen erzielt werden kann.

Das Reformgesetz ist schon jetzt hochkomplex. Und zwar so sehr, dass es für Nachfolger, die ein Unternehmen von Todes wegen übertragen erhalten, unkalkulierbar wird, ob und in welcher Höhe sie überhaupt eine Verschonung auf das Betriebsvermögen erhalten.

Politische Ränkespiele

Vor diesem Hintergrund rufen zahlreiche Praktiker und Wissenschaftlicher, unter ihnen der Ifo-Präsident Clemens Fuest, dazu auf, innezuhalten, und nochmals darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Erbschaftsteuer soweit wie irgend möglich zu vereinfachen. Laut Fuest wäre es die einfachste und gerechteste Lösung, eine Erbschaftsteuer von 8 Prozent auf alles zu erheben, wobei die persönlichen Freibeträge erhalten bleiben.

Hingegen verfolgt die Politik Fuest zufolge einen grundlegend falschen Ansatz. Die Kombination aus hohen Steuersätzen und Ausnahmen für Unternehmen könne nicht zu einer gerechten und wirtschaftlich tragbaren Erbschaftsteuer führen. Eben weil es so viele Ausnahmen in dem Erbschaftsteuerrecht gebe, bleibe die Gerechtigkeit auf der Strecke.

Andererseits ist die Erbschaftsteuer ohne Ausnahmen für Unternehmensnachfolger nicht tragbar. Dieser Flat-Tax-Überlegung hat die CSU aber bereits eine Absage erteilt, wohingegen die Grünen – zumindest vordergründig – einem solchen Ansatz nicht abgeneigt sind.

Flat-Tax-Überlegungen

Jenseits aller politischen Ränkespiele hätte diese Flat-Tax für Unternehmensnachfolger insbesondere den Vorteil, dass über ihnen nicht mehr das Damoklesschwert einer unternehmensvernichtenden Erbschaftsteuer schweben würde.

Obwohl im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schwierigste Verhandlungen zu erwarten sind, zeigt sich der Ausschussvorsitzende Johann Wadephul (CDU) zuversichtlich, dass in diesem Gremium rasch eine Einigung gelingt. Deshalb sieht er auch nicht die Notwendigkeit, dass der Vermittlungssauschuss kurzfristig zusammentritt.

Ganz anders sieht das hingegen das Bundesverfassungsgericht. Bekanntlich hätte der Gesetzgeber nach der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts die Erbschaftssteuer bis zum 30. Juni 2016 reformieren und das entsprechende Gesetz in Kraft setzen müssen.

Da dies nicht geschehen ist, hat der Vorsitzende des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat mit Schreiben vom 12. Juli 2016 nun darüber informiert, dass sich sein Senat nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen in dem Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen wird.

Bundesverfassungsgericht kein Notgesetzgeber

Damit macht das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich, dass es keinesfalls bereit ist, weitere Verzögerungen bei der Umsetzung der Reform des Erbschaftsteuergesetzes hinzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht könnte auf Grundlage des § 35 BVerfGG die Frist zur Reform des Erbschaftsteuergesetzes über den 30. Juni 2016 hinaus verlängern.

Gegebenenfalls könnte es aber auch anordnen, dass danach keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden darf. Allerdings darf das Bundesverfassungsgericht nicht als „Notgesetzgeber auf Zeit“ etwa verfügen, dass das Erbschaftsteuergesetz unter isoliertem Wegfall der Verschonungsregelungen für das Betriebsvermögen fortgilt.

Wie soll sich vor diesem Hintergrund nun ein Unternehmer oder Unternehmensnachfolger mit Blick auf die geplante Übertragung von Betriebsvermögen in der Zeit bis zum Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes verhalten? Angesichts der Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts ist davon auszugehen, dass das (verfassungswidrige) Erbschaftsteuergesetz über den 30. Juni 2016 hinaus fortgilt.

Demgemäß könnten Unternehmer und dessen Nachfolger auf der Grundlage des fortgeltenden Erbschaftsteuergesetzes Übertragungen vornehmen. Allerdings: Das von dem Bundestag verabschiedete Reformgesetz zur Erbschaftsteuer bestimmt derzeit, dass es auf alle Übertragungen anzuwenden ist, deren Steuer nach dem 30. Juni 2016 entsteht.

Rückwirkung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen?

Wenn es aber erst im Herbst dieses Jahres verabschiedet werden und in Kraft treten sollte, würde dies zu einer Rückwirkung dieses Gesetzes führen. Denn Übertragungen, die in der Zeit zwischen dem 1. Juli 2016 und der Verkündung des Gesetzes vorgenommen werden würden, würden einem Recht unterliegen, das zum Zeitpunkt der Übertragung noch nicht bekannt und auch noch nicht in Kraft gesetzt war.

Eine solche Rückwirkung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ist grundsätzlich verfassungswidrig. Erst mit Verkündung ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber zum endgültigen Gesetzesbeschluss muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitliche rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird.

Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht nach seiner Interpretation des Urteils vom 17. Dezember 2014 selbst von der Fortgeltung des (verfassungswidrigen) Erbschaftsteuerrechts ausgeht und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der von dem Gesetzgeber nicht rückwirkend beseitigt werden darf.

Einschränkend ist aber auf Folgendes hinzuweisen: Das Bundesverfassungsgericht hat es als zulässig angesehen, dass der Gesetzgeber als den Zeitpunkt, zu dem ein neues Gesetz in Kraft tritt, den Tag bestimmen kann, der dem Bundestagsbeschluss folgt – unabhängig vom zeitlichen Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens.

Der Gesetzgeber muss Rechtsicherheit schaffen

Einer möglichen rückwirkenden Anwendung eines neuen Erbschaftsteuergesetzes können Unternehmer und deren Nachfolger, die das noch geltende Erbschaftsteuerreformgesetz für ihre Übertragung nutzen möchten, durch ein Rückforderungsrecht im Schenkungsvertrag Rechnung tragen. Für den Fall, dass die Finanzverwaltung eine Schenkungsteuer festsetzt, die einen bestimmten Betrag übersteigt, kann der Vertrag rückabgewickelt und so die Schenkungsteuer vermieden werden.

Angesichts der Sondersituation, in die der Gesetzgeber die Steuerpflichtigen gebracht hat, die in dieser Zeit der erbschaftsteuerlichen Ungewissheit ihr Betriebsvermögen auf die nächste Generation übertragen müssen – sei es auf Grund einer lebzeitigen Verfügung, sei es auf Grund eines Erbfalles – ist der Gesetzgeber aufgerufen, Rechtssicherheit zu schaffen.

Entweder beseitigt er die Rückwirkung, die in dem Gesetzesentwurf des Bundestages vorgesehen ist. Oder er räumt dem Unternehmenserwerber das Recht ein, für die Anwendbarkeit des nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts derzeit fortgeltenden Erbschaftsteuergesetzes zu optieren.

Eine entsprechende Vorschrift hatte der Gesetzgeber in Artikel 3 des Erbschaftsteuerreformgesetzes in der bis zum 1. Juli 2009 geltenden Fassung vorgesehen. Allerdings erfasste sie nur Erwerbe von Todes wegen. Zudem war die Ausübung der Option bis zum 30. Juni 2009 beschränkt.

Ursprünglich erschien dieser Artikel im private banking magazin.

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