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Wenn das Sternchen fehlt: Schlimmes Erwachen nicht nur in der Fast-Food-Systemgastronomie

01.02.2019

Unzureichender Hinweis auf teilnehmende Betriebe in der Werbung hat Kernbeschränkung zur Folge 

Die „King des Monats“-Entscheidung des Landgericht München I

 

1. Einleitung

Das Landgericht München I (LG München I) hat mit Teilurteil vom 26. Oktober 2018 (Az.: 37 O 10335/15) einen neuen Fall verbotener Wettbewerbsbeschränkungen nach § 1 GWB innerhalb eines Franchisesystems geschaffen. Es sah den Hinweis auf teilnehmende Betriebe in der TV-Werbung eines System-Gastronomie-Franchisegebers als unzureichend an und nahm deshalb einen Verstoß gegen das Preisbindungsverbot an. Darüber hinaus enthält die Entscheidung aufrüttelnde Feststellungen für alle Franchisesysteme, die in ihren Franchiseverträgen die beim Franchisegeber zentralisiert gebündelte Durchführung von Werbemaßnahmen zum Nutzen des gesamten Systems vorsehen. Es bleibt abzuwarten, ob diesbezüglich in der zweiten Instanz Hoffnung naht.

2. Der Sachverhalt

Die beiden Klägerinnen betreiben als Franchisenehmerinnen Schnell-Restaurantbetriebe; die Beklagte ist die Franchisegeberin des Systemgastronomie-Konzepts. Die jeweils zwischen den Klägerinnen und der Beklagten geschlossenen Franchiseverträge enthalten Regelungen zur Zahlung von umsatzbezogenen prozentualen Werbekostenbeiträgen. Die Werbekostenbeiträge sollen zum allgemeinen Nutzen der Franchise-Restaurants für Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden. Die Franchisegeberin ist berechtigt, die Werbekostenbeiträge der Franchisenehmerinnen zu einem „Werbefonds“ zusammenzufassen.

Die Beklagte nutzte die Werbekostenbeiträge unter anderem dazu, Produkte aus dem Menüangebot der Klägerinnen zu Niedrigpreisen zu bewerben. So fanden über einen Zeit-raum von mehreren Jahren in regelmäßigen Abständen die Werbeaktionen „King des Monats“ und „Probierwochen“ mit wechselnden Produkten der Klägerinnen, insbesondere Burgern statt, wobei die beworbenen Produkte in der Werbung zu einem günstigeren Preis als üblich angeboten wurden. Streitgegenständlich waren insbesondere TV-Werbespots, die im Rahmen der Werbeaktionen „King des Monats“ und „Probierwochen“ jedenfalls von den deutschen Fernsehsendern ProSieben, Sat1 und RTL ausgestrahlt wurden. Hierbei wurde jeweils am Ende des Spots für einige Sekunden in kleiner Schrift horizontal am unteren oder vertikal am seitlichen Bildschirmrand der Hinweis „In allen teilnehmenden Restaurants. Solange der Vorrat reicht. Unverbindliche Preisempfehlung“ eingeblendet. Die in der Werbung in großer Schrift enthaltene Preisangabe war dabei nicht mit einem sog. Sternchenhinweis (= zwei aufeinander Bezug nehmende Sternchen) versehen.

Die Klägerinnen waren mit den Werbeaktionen der Beklagten nicht einverstanden. Sie nahmen unter Hinweis auf den ihnen dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schaden seit Beginn des Jahres 2012 nicht mehr an den Werbeaktionen teil, demontierten die entsprechende Außenwerbung und wiesen das Kassenpersonal an, Produkte nicht mehr zu den beworbenen Niedrigpreisen zu verkaufen.

Durch die Teilnahme an den Werbeaktionen und den damit verbundenen niedrigen Prei-sen erhöhte sich zwar der Umsatz der Franchisenehmerinnen und damit auch der umsatzbezogene Werbekostenbeitrag. Im Gerichtsverfahren machten die Klägerinnen jedoch geltend, dass sie durch die Teilnahme an den Werbeaktionen hingegen ihren eigenen Gewinn nicht hätten steigern können. Vielmehr sei die Teilnahme an den Werbeaktionen für sie defizitär gewesen. Profitiert habe nur die Franchisegeberein, da durch die Umsatzsteigerung bei den Franchisenehmerinnen der Betrag der Franchisegebühren gestiegen sei.

Zudem gehe von der Werbung trotz des Hinweises auf die „unverbindliche Preisempfehlung“ eine faktische Bindungswirkung aus. Denn die Klägerinnen seien im Geschäftsbetrieb verständnislosen Kunden ausgesetzt, die aufgrund der Werbeaktionen davon ausgingen, dass sie auch im Restaurant der Klägerinnen den „King des Monats“ (ein wechselndes Burger-Sonderangebot) zum beworbenen günstigen Preis bekämen und protestierend zu anderen Restaurantbetrieben abwanderten, wenn ihnen der beworbene Preis nicht angeboten wurde.

Mit der Klage begehrten die Klägerinnen unter anderem die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, ihre Werbekostenbeiträge für die Werbeaktionen „King des Monats“ und „Probierwochen“ zu verwenden.

3. Die Entscheidung

Das LG München I entschied zugunsten der Klägerinnen. Die Beklagte hat es zu unterlassen, die Werbekostenbeiträge der Klägerinnen für die beanstandeten Werbeaktionen „King des Monats“ und „Probierwochen“ zu verwenden. Insbesondere hat die Beklagte es zu unterlassen, Werbung in Form der streitgegenständlichen TV-Spots und zwar im Hinblick auf die gesamte Produktpalette der Klägerin zu schalten.

Den Unterlassungsanspruchs begründete das LG München I wie folgt:
Die Werbekostenbeiträge seien von der Beklagten nicht zum „allgemeinen Nutzen der Franchise-Restaurants“ (Pflicht aus Ziff. 9 Abs. 2 des Franchisevertrages) eingesetzt worden. Denn die Werbespots „King des Monats“ und „Probierwochen“ hätten gegen das Kartellverbot sowie das Preisbindungsverbot verstoßen. Die Werbemaßnahmen der Beklagten hätten nicht in ausreichendem Maße darauf hingewiesen, dass nicht alle Restaurantbetriebe des Franchisesystems an den beworbenen Preisaktionen teilnehmen.

Die Werbemaßnahmen seien abgestimmte Verhaltensweisen zwischen der Beklagten und ihren Franchisenehmern gewesen. In der vertraglichen Zustimmung der jeweiligen Franchisenehmer zur Zentralisierung der Werbung und spätestens in der darauffolgenden widerspruchslosen Teilnahme an den von der Beklagten durchgeführten jeweiligen Werbeaktion liege eine abgestimmte Verhaltensweise nach dem Kartellverbot (§ 1 GWB).

Die Werbemaßnahmen hätten auch gegen das Preisbindungsverbot verstoßen. Die Preisempfehlungen hätten faktisch zur einer Fest- oder Mindestpreisbindung geführt. Der Hinweis in den Werbespots auf die teilnehmenden Filialen sei unzureichend gewesen. Die Klägerin sei daher faktisch gezwungen gewesen, ihre Produkte zu den empfohlenen Preisen anzubieten.

Der in den TV-Spots enthaltene Hinweis „In allen teilnehmenden Restaurants. Solange der Vorrat reicht. Unverbindliche Preisempfehlung.“ reiche zur Klarstellung nicht aus, da er für den Betrachter kaum wahrnehmbar sei. Die Einblendung des Hinweises erfolge erst am Ende des Spots und nur für wenige Sekunden in kaum lesbarer kleiner Schrift, die zudem in den meisten Fällen hochkant (vertikal) verlaufe. Wo sie vertikal verlaufe, sei die Einblendungszeit besonders kurz (2-3 Sekunden). Der Zuschauer habe zudem keinen Anlass, den kleingedruckten Hinweis zu lesen, da auf diesen nicht mittels eines Sternchens am Preis Bezug genommen werde. Dies führe dazu, dass die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise die dort genannten Preise ausnahmslos auf alle Franchisenehmer des Systems bezögen.

Es handele sich bei den Aktionen „King des Monats“ und „Preiswochen“ auch nicht um freistellungsfähige kurzfristige Sonderangebotskampagnen von 4 bis 6 Wochen, welche die Kommission ausnahmsweise als erlaubt ansieht. Vielmehr habe es sich um über mehrere Jahre hinweg einheitliche Werbeaktionen gehandelt unabhängig davon, ob die Produkte gewechselt hätten.

4. Fazit

Die hier besprochene Entscheidung des LG München I verdient erhöhte Aufmerksamkeit. Sie betrifft die häufige Werbung des Franchisegebers mit unverbindlichen Preisempfehlungen.

Der Annahme eines Verstoßes gegen das Preisbindungsverbot in der beschriebenen Weise (kleine Schrift, kurze Einblendungszeit, kein Sternchenhinweis) kann im Ergebnis noch gefolgt werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Einblendungszeit des Unverbindlichkeitshinweises mit seinen 2-3 Sekunden noch als ausreichend anzusehen. Ein Unverbindlichkeitshinweis kann in 2-3 Sekunden durchaus zur Kenntnis genommen werden und ist in der Werbung nicht unüblich. Auch über die Größe der Schrift kann man streiten. Richtig dürfte allerdings sein, für die Bezugnahme von Preis auf Unverbindlichkeitshinweis den Sternchenhinweis (= zwei aufeinander bezugnehmende Sternchen) als unerlässlich anzusehen.

Fraglich ist allerdings, ob es sich nicht um ausnahmsweise erlaubte kurzfristige Sonderangebotskampagnen von 4 bis 6 Wochen gehandelt hat. Denn wenn anscheinend Sonderangebotskampagnen von 4 bis 6 Wochen für alle Produkte gleichzeitig erlaubt sind, können Sonderangebotskampagnen für verschiedene Produkte durchaus hintereinander geschaltet werden. Trotzdem hat das Landgericht diese letzte „Rettungsmöglichkeit“ der festgestellten Preisbindung abgelehnt. Jedenfalls diese Frage hätte man anders beurteilen können.

Falsch dürfte die Annahme des LG München I sein, dass Werbemaßnahmen des Franchisegebers abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Kartellverbotes (§ 1 GWB) darstellen, wenn die dem System zugrundeliegenden Franchiseverträge eine Klausel beinhalten, die (ähnlich der streitgegenständlichen Ziff. 9 Abs. 2) eine Zustimmung der Franchisenehmer zur zentralisierten Werbung des Franchisegebers im allgemeinen Systemnutzen vorsieht und die Franchisenehmer widerspruchslos an den daraufhin durchgeführten Werbeaktionen teilnehmen. Eine allgemeine Zustimmung der Franchisenehmer zur zentralisierten Werbung des Franchisegebers ist noch kein wettbewerbsbeschränkendes abgestimmtes Verhalten. Die allgemeine Werbung liegt in der Natur des Franchisesystems und ist unerlässlich, damit Franchisesysteme auf dem Markt auftreten. Es fehlt daher schon an einer Wettbewerbsbeschränkung.

Auch in der „widerspruchslosen“ Teilnahme an den Werbemaßnahmen durch die Franchisenehmer liegt kein abgestimmtes Verhalten. Vielmehr ist der Franchisenehmer regelmäßig vollkommen frei darin zu entscheiden, ob er an den Werbeaktionen teilnimmt. Die bloße Tatsache, dass er sich zur Teilnahme entscheidet, ist lediglich Ausfluss seines autonomen Handelns.

Die Entscheidung des LG München I ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste Instanz diese Entscheidung kassieren wird, so dass man sich nur noch an eine über die Stränge geschlagene und eher praxisferne „King des Monats“-Entscheidung des LG München I erinnern wird.

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