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Wirksamkeit von Gerichts­stands­verein­barungen mit Existenz­gründern

06.10.2021

Ausgangspunkt

Durch eine Gerichtsstandsvereinbarung kann die örtliche, sachliche und/oder internationale Zuständigkeit eines Gerichts für den Fall eines Rechtsstreits zwischen den Parteien vertraglich geregelt werden. Franchiseverträge sehen regelmäßig Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten des Sitzes des Franchisegebers vor. Eine gängige Formulierung in Franchiseverträgen ist beispielsweise:

„Für alle aus oder im Zusammenhang mit diesem Franchisevertrag entstehenden Auseinandersetzungen vereinbaren die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz des Franchisegebers.“

Der Vorteil einer derartigen Gerichtsstandsvereinbarung ist, dass der Franchisegeber immer am Ort seines Sitzes verklagt werden muss und Klagen gegen den Franchisenehmer an dem Ort seines Sitzes führen kann. Er spart so unnötige Reisekosten und Reisezeit bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten. Damit der Franchisegeber jedoch die Früchte aus der Gerichtsstandsvereinbarung zu seinen Gunsten ziehen kann, muss die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam sein. Andernfalls läuft der Franchisegeber Gefahr, seine Klage – zeitraubend – zunächst vor einem unzuständigen Gericht zu erheben und dort beantragen zu müssen, dass das zunächst angerufene Gericht die Klage an das zuständige Gericht verweist, will der Franchisegeber verhindern, dass seine Klage allein wegen mangelnder Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts abgewiesen wird.

Bei rein innerdeutschen Sachverhalten richtet sich die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich nach dem Prozessrecht. Danach sind Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig, „wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Sondervermögen sind“ (§ 38 ZPO). Sofern der Franchisegeber und der Franchisenehmer den Franchisevertrag inkl. Gerichtsstandsvereinbarung als juristische Person abschließen, bestehen daher keine Bedenkengegen die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung in einem Franchisevertrag, da die juristischen Personen, die typischerweise am Handelsverkehr teilnehmen, kraft Gesetzes Kaufleute sind (vgl. z.B. für die GmbH § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 HGB).

Bis dato war es auch allgemein anerkannt, dass Gerichtsstandsvereinbarungen mit sog. Existenzgründern wirksam vereinbart werden können. Franchisenehmer, die den Franchisevertrag als natürliche Person schließen und deren Franchisebetrieb bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Franchisevertrags auf einen vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb angelegt ist, wurden bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Franchisevertrags als Kaufleute angesehen. Als solche konnten sie nach dem Wortlaut von § 38 ZPO mit dem Franchisegeber wirksam eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen.

Die Entscheidung des LG Berlin

Gegenteiliges vertritt nun das LG Berlin in seinem Urteil vom 31.05.2021, Az. 10 O 107/19. Nach der Argumentation des LG Berlin sind Gerichtsstandsvereinbarungen mit sog. Existenzgründern in Franchiseverträgen unwirksam. Insoweit plädiert das LG Berlin dafür, die Kaufmannseigenschaft im Prozessrecht anders auszulegen als im Rahmen des Handelsrechts. Das LG Berlin führt zur Begründung aus:

  • Der Wortlaut der prozessrechtlichen Norm (§ 38 ZPO) stelle darauf ab, dass die Vertragsparteien bereits bei Unterzeichnung des Franchisevertrags Kaufleute sind und nicht erst durch den Abschluss des Franchisevertrages ihre Kaufmannseigenschaft begründet wird;

  • Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen sei es, auch jenseits der zum Schutz von Verbrauchern bestehenden ausschließlichen Gerichtsstände wirtschaftlich schwache und geschäftlich unerfahrene Personen vor den für sie nachteiligen Folgen einer ihnen vom wirtschaftlich stärkeren Geschäftspartner aufgedrängten Gerichtsstandsvereinbarung zu schützen.

Kommentar

Damit verkennt das LG Berlin die herrschende Rechtsauffassung und stellt sich mit seinem Urteil gegen die Urteile des LG München I (Urteil vom 25.02.2016 – 5 O 16652/15, ZVertriebsR 2017, 310, 311), OLG Schleswig (Urteil vom 12.11.2009 – 16 U 30/09, BeckRS 2010, 9731) und OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.01.1998 – 16 U 182/96, NJW 1998, 2978, 2980 f.).

Nach herrschender Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur beginnt die Kaufmannseigenschaft im Rahmen der Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 ZPO) bereits in dem Moment, in dem der Inhaber eines zukünftigen Handelsgewerbes mit nach außen sichtbaren Vorbereitungshandlungen zur Gründung des Handelsgewerbes beginnt.

Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des LG Berlin auch nicht aus dem Wortlaut der prozessrechtlichen Norm (§ 38 ZPO). Diese spricht von „Kaufleuten“. Da dieser Begriff im Prozessrecht nicht definiert ist, ist auf den Begriff des „Kaufmanns“ im Handelsrecht zurückzugreifen (§ 1 HGB). Beide Begriffe sind einheitlich auszulegen. In § 1 des Handelsgesetzbuchs heißt es: „Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

Der BGH hat im Bereich des Handelsrechts bereits mehrfach entschieden, dass Vorbereitungshandlungen für die Begründung der Kaufmannseigenschaft genügen (BGH, Urteil vom 17.06.1953 – II ZR 205/52, NJW 1953, 1217, 1218, BGH, Urteil vom 26.04.2004 – II ZR 120/02, ZIP 2004, 1208). In seinem Urteil vom 17.06.1953 stellte der BGH fest, dass „auch die Vorbereitungstätigkeit schon zum Gewerbebetrieb gehört“, insbesondere, „wenn das Gewerbe von Anfang an auf einen vollkaufmännischen Betrieb angelegt ist und die alsbaldige Entfaltung zu einem Großbetrieb bevorsteht“.

Der Begriff des „Betriebes eines Handelsgewerbes“ wird somit einhellig weit verstanden. Denn ein Handelsgewerbe beginnt nicht erst mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebes an sich, sondern bereits mit dessen Vorbereitung durch Geschäfte nach außen.

Entsprechend genügt es nach der herrschenden Meinung für eine Gerichtsstandsvereinbarung unter Kaufleuten, wenn das Unternehmen, das nach Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung betrieben werden soll, bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Gerichtsstandsvereinbarung bzw. Franchisevertrags auf einen vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb angelegt war.

Etwas anders folgt – entgegen der Auffassung des LG Berlin – auch nicht aus dem „Sinn und Zweck“ der prozessrechtlichen Regelung. Richtigerweise hat sich der Gesetzgeber im Jahr 1974 bei der Novellierung des Prozessrechts überhaupt nicht mit der Frage befasst, ob es für die Kaufmannseigenschaft im Prozessrecht genügt, wenn das Unternehmen, das nach Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung betrieben werden soll, bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Franchisevertrags auf ein vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb angelegt war. In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass „Gerichtsstandsvereinbarungen nur noch unter Vollkaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtlichen Sondervermögen getroffen werden können.“ (BT-Drucksache 7/268 S. 6).

Zur Begründung führt der Gesetzgeber aus, dass dieser Personenkreis nicht des Schutzes vor unbedachten Vereinbarungen über den Gerichtsstand bedürfe. Demgegenüber sollen alle Minderkaufleute vor Gerichtsstandsvereinbarungen geschützt werden (BT-Drucksache 7/268 S. 6).

Dahinter steckt der Gedanke, dass derjenige nicht schutzwürdig ist, der sich wirtschaftlich größer engagieren will. Denn bei einem größeren Engagement wird man intensiver prüfen, worauf man sich einlässt (so auch der Gedanke hinter der in § 513 BGB normierten Barwertgrenze beim Widerruf, ab der einem Existenzgründer kein Widerrufsrecht mehr zusteht).

Richtigerweise sind Existenzgründer – deren Unternehmen bereits im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Gerichtsstandsvereinbarung auf ein vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb angelegt sind – mit Vollkaufleuten gleichzusetzen, da solche Existenzgründer nicht schutzbedürftig sind. Existenzgründer erkennen mit der Gründung ihres Unternehmens an, dass sie sich nunmehr dem Sonderrecht der Kaufleute unterwerfen bzw. dieses für sich in Anspruch nehmen wollen. Zu den kaufmännischen Privilegien zählt neben der Möglichkeit, Schiedsvereinbarungen zu treffen, auch das Recht, Gerichtsstandsvereinbarungen zu schließen.

Auch erschließt es sich nicht, warum Franchisenehmer, deren Franchisebetrieb bereits zum Abschluss des Franchisevertrags auf ein vollkaufmännischen Gewerbetrieb angelegt war, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Franchisevertrags keine Gerichtsstandsvereinbarung hätte unterzeichnen dürfen, jedoch aber eine logische Sekunde später nach Abschluss des Franchisevertrags eine solche hätten wirksam schließen können. Das ist bloße Förmelei, die für einen Rechtssuchenden nicht nachvollziehbar ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Gerichtsstandsvereinbarung sich nur auf Fälle bezieht, in denen die Beklagte (der Franchisenehmer) bereits unzweifelhaft als Kaufmann angesehen wird – nämlich auf alle Streitigkeiten aus dem Franchisevertrag und aufgrund von Lieferungen und Leistungen aufgrund des Franchisevertrags. Solche Streitigkeiten treten aber erst ein, wenn er Franchisenehmer ersichtlich – auch nach Auffassung des LG Berlin – unstreitig Vollkaufmann ist. Ab Unterzeichnung des Franchisevertrags gilt der Franchisenehmer als Kaufmann und ist daher auch für Streitigkeiten aus dem Franchisevertrag als Kaufmann zu behandeln.

Fazit

Richtigerweise können Gerichtsstandsvereinbarungen auch wirksam mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind, geschlossen werden. Die gegenteilige Argumentation des LG Berlin überzeugt nicht und entspricht auch nicht der Praxis. Bis dato sieht wohl – aufgrund der zu Recht nach wie vor herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur – nahezu jeder Franchisevertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten des Sitz des Franchisegebers vor, auch wenn der Franchisenehmer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Franchisevertrags bzw. der Gerichtsstandsvereinbarung lediglich Existenzgründer ist. Es bleibt abzuwarten, wie das Berufungsgericht sich positionieren wird. Bis dahin gilt: Vorsicht bei Gerichtsstandsvereinbarungen mit Franchisenehmern, die Existenzgründer sind. Der Franchisegeber läuft bei Gerichtsstandsvereinbarungen mit Existenzgründern Gefahr, dass die Klausel von deutschen Gerichten als unwirksam angesehen werden kann.