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Zur EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden - Teil 5

05.04.2020

In Teil 1 und Teil 2 dieser Serie haben wir bereits gesehen, dass die Richtlinie von Unternehmen fordert, Hinweisgebersysteme einzurichten, die insbesondere die Geheimhaltung der Identität des Hinweisgebers sicherstellen. Die hierfür geltenden Spielregeln hatten wir in Teil 4 dieser Serie zusammengefasst. Teil 3 dieser Serie stellte die Optionen dafür vor, wie sich Unternehmen gegen Missbrauch wappnen können. Welche Anforderungen Unternehmen mit Blick auf ihre Meldesysteme selbst erfüllen müssen, stellen wir in diesem Teil unserer Serie zusammenfassend vor.

Was ist aus Sicht des Unternehmens konkret zu tun?

Die Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie binnen zwei Jahren in nationales Recht umsetzen (Art. 26). Erst einmal ist also der deutsche Gesetzgeber am Zug. Aus Unternehmenssicht wünschenswert wäre dabei, dass er von der ihm in Art. 7 Abs. 2 eingeräumten Möglichkeit, Anreize für die primäre Nutzung interner Meldewege zu schaffen, Gebrauch macht und der Inanspruchnahme interner Meldevorgänge in Umsetzung der Richtlinie zum Schutz des Unternehmens sowie des von der Meldung betroffenen Person Vorrang einräumt. Das würde u.a. das Missbrauchsrisiko einschränken. Sofern der deutsche Gesetzgeber interne und externe Meldekanäle stattdessen im Prinzip gleichstellt, sollte ein Unternehmen durch die Ausgestaltung seiner Meldesysteme eigene Anreize dafür schaffen, dass Hinweisgeber interne Meldekanäle den externen vorziehen.

1. Einführung eines Hinweisgebersystems bzw. Überprüfung bestehender Systeme

Generell sollten Unternehmen aber die zweijährige Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten nutzen, um sich bereits mit der Einführung eines Hinweisgebersystems zu befassen oder zu überprüfen, ob ein vorhandenes System den von der Richtlinie formulierten Anforderungen genügt. Die Zeit kann dabei knapp werden. Denn Hinweisgebersysteme können nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein. Ob ein entsprechendes Mitbestimmungssystem besteht, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Hinweisgebersystems ab. Möglich ist auch, dass nur Teile eines Systems mitbestimmungspflichtig sind. Hier besteht für Unternehmen also Gestaltungsspielraum Für das Bestehen einer Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates bei der Einführung eines Hinweisgebersystems wird argumentiert, dass ein solches System nicht das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter – dies wäre mitbestimmungsfrei –, sondern das sog. Ordnungsverhalten innerhalb des Betriebes regelt. Denn anders als bei sonstigen Schadensmeldungen soll sich das Bestehen von Meldekanälen auch auf das Verhalten der Mitarbeiter untereinander auswirken. Für standardisierte Meldesysteme mit bestehender Meldepflicht ist das Bestehen einer Mitbestimmungspflicht bereits höchstrichterlich entschieden. Aber auch für standardisierte Meldesysteme ohne Meldepflicht hat das BAG in seinen Beschlüssen vom 18.04.2000 (Az.: 1 ABR 22/99) und vom 22.07.2008 (Az.: 1 ABR 40/07) angedeutet, dass eine Mitbestimmungspflicht bestehen könnte, weil die Einrichtung von Meldekanälen auch ohne Meldepflicht objektiv auf die Ordnung des Verhaltens der Mitarbeiter gerichtet sei.

2. Verhaltensanweisungen für die Mitarbeiter des Unternehmens

Zudem müssen Hinweisgebersysteme mit klaren Verhaltensanweisungen für denjenigen einhergehen, der die Meldung entgegennimmt. Denn mit der Meldung alleine ist es nicht getan. Geht das Unternehmen ihr nicht nach, verletzt es eigene Compliance-Pflichten. Begleitregelungen sollten daher zumindest vorgeben, unter welchen Umständen die Geschäftsführung direkt zu informieren ist, welchen Anhaltspunkten sofort nachgegangen werden muss, und wenn ja, in welcher Form. 
Die Einführung eines Hinweisgebersystems wird typischerweise mit einigen grundlegenden Compliance-Regelungen einhergehen müssen, z.B. der Einführung einer Verhaltensrichtlinie (Code of Conduct), einer festgelegten Compliance-Verantwortlichkeit des Empfängers von Hinweisen und grundlegenden Regelungen zur Durchführung unternehmensinterner Ermittlungen (Internal Investigations).
Die Verhaltensanweisung an den Betreuer des Hinweisgebersystems sollte insbesondere Vorgaben dazu enthalten, in welchen regelmäßigen Abständen der Eingang etwaiger Meldungen überprüft werden soll und wie mit Meldungen umzugehen ist. Der zuständige Mitarbeiter sollte in einem ersten Schritt dazu angewiesen werden zu überprüfen, ob die eingegangene Meldung gegebenenfalls offensichtlich unbegründet ist. Dies kann der Fall sein, wenn es sich etwa lediglich um Bagatellfälle handelt, der Hinweis erkennbar unzutreffend oder aus denunziatorischen Motiven abgebeben wurde. Von enormer Bedeutung ist auch, dem zuständigen Mitarbeiter Vorgaben zur Dokumentation zu machen. Eine Dokumentation ist gerade auch dann erforderlich, wenn der Zuständige den Hinweis nicht weiter verfolgen wird, weil er ihn als erkennbar unbegründet bewertet. Die Verhaltensanweisung sollte auch Informationen enthalten über 

  • etwaig zu ergreifende Nachforschungen, 
  • Informationspflichten gegenüber der vom Hinweis betroffenen Person (siehe dazu Teil 4 dieser Serie), 
  • Art und Dauer der Aufbewahrung der Unterlagen und 
  • die Pflicht zur regelmäßigen Information der Mitarbeiter über das Bestehen des Hinweisgebersystems.  Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen nämlich zur Information der Mitarbeiter. Dazu gehört eine Aufklärung darüber, dass Verhaltensweisen, die ein Mitarbeiter beobachtet und die in Widerspruch stehen zum Code of Conduct, gemeldet werden können. Dabei sind die Mitarbeiter auf das bestehende Hinweisgebersystem und zur Verfügung stehende Meldekanäle hinzuweisen sowie über die Tatsachen, dass Hinweise vertraulich behandelt werden und Nachteile aufgrund eines Hinweises nicht zu befürchten sind

     

3. Können Unternehmen dazu die Meldesysteme externer Betreiber nutzen?

Nicht notwendig ist aber, dass jedes Unternehmen sein eigenes Hinweisgebersystem entwickelt. Den Anforderungen der Richtlinie zur Einführung eines Hinweisgebersystems genügt ein Unternehmen auch, indem es, wie bereits üblich, externe Betreiber von Whistleblower-Systemen beauftragt (Art. 8 Abs. 5). Voraussetzung ist aber, dass die externen Systeme ebenfalls den in Teil 2 genannten Anforderungen des Art. 9 der Richtlinie entsprechen. Dazu zählt insbesondere, dass auch die externen Anbieter Unabhängigkeit und Vertraulichkeit garantieren müssen (Erwägungsgrund 53). Bislang genutzte Systeme erfüllen dabei überwiegend die hohen Sicherheitsanforderungen der Richtlinie und gewähren die erforderliche Vertraulichkeit, indem sie jede Benutzeridentifikation verhindern und Kommunikationskanäle vorsehen, die teilweise nur der Ombusperson die direkte Kommunikation mit dem Hinweisgeber ermöglichen. Teilweise gehen bestehende Systeme bereits über die Anforderungen der Richtlinie hinaus, soweit sie Meldungen nicht nur vertrauenswürdig behandeln, sondern darüber hinaus anonyme Hinweise ermöglichen. Die üblichen Systeme müssen jedoch ggf. insofern an die Richtlinie angepasst werden, als sie auch den Wunsch des Hinweisgebers nach einer physischen Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitraums aufnehmen und umsetzen müssen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die Meldekanäle nicht nur für Mitarbeiter des Unternehmens zugänglich sein müssen.

 

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