News

Zweiter Referenten­entwurf des BMF zum ATAD-Umsetzungs­gesetz – Überblick über die wesentlichen Änderungen

08.04.2020

Überblick

Am 24. März 2020 hat das BMF den zweiten Referentenentwurf zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) veröffentlicht (ATAD-Umsetzungsgesetz bzw. ATADUmsG). 

Der Gesetzentwurf entspricht in weiten Teilen dem ersten Referentenentwurf vom 10. Dezember 2019. Dies betrifft insbesondere die geplante Neuregelung zur Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs bzw. der Beteiligungsertragsbefreiung bei Besteuerungsinkongruenzen/hybriden Gestaltungen (§ 4k EStG-E, § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG-E), die Neuregelungen zu Ver- und Entstrickungen (§ 12 KStG-E) sowie die Änderungen zur Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG-E). Geändert wurde im Wesentlichen nur die zeitliche Anwendung. Insbesondere bei den Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung sieht der zweite Referentenentwurf aber auch inhaltliche Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf vor. 

Der Referentenentwurf soll nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 trotz der Corona-Krise zügig umgesetzt werden. Hintergrund ist insbesondere das gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht (fristgerechter) Umsetzung der ATAD zum 31. Dezember 2019. Nach Beschluss der Bundesregierung (aktuell geplant für den 22. April 2020) soll der Gesetzesentwurf in das formelle Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. 

Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen gegenüber dem ersten Referentenentwurf dargestellt. 

Änderungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung

Vorrang des Investmentsteuergesetzes vor der Hinzurechnungsbesteuerung

Nach aktueller Rechtslage findet die Hinzurechnungsbesteuerung auf Ebene der Anleger von Investmentfonds iSd. InvStG keine Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob der Investmentfonds selbst oder eine nachgelagerte niedrig besteuerte ausländische Gesellschaft sog. passive Einkünfte (insb. Zinsen) erzielt (§ 7 Abs. 7 AStG). Der erste Referentenentwurf des ATADUmsG sah eine vollständige Streichung dieser Konkurrenzregelung vor mit der Folge, dass bei Anlagen in Fonds neben dem InvStG auch das AStG, speziell die Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 bis 14 AStG, zur Anwendung gekommen wäre. Das war in vielerlei Hinsicht überschießend: Erstens bedarf es bei Investmentfonds iSd. InvStG schon gar keiner Hinzurechnungsbesteuerung, da die Erträge auf Fondsebene auch im Thesaurierungsfall auf Anlegerebene besteuert werden (in Gestalt der Vorabpauschale bzw. ausschüttungsgleicher Erträge). Zweitens werden Investmentfonds nicht zu dem Zweck errichtet, Erträge in das niedrig besteuerte Ausland zu verlagern, sondern um Anlagegelder zu bündeln und Risiken zu diversifizieren. Drittens können Investmentfonds aufgrund der typischerweise niedrigen Beteiligungsquoten an ihren Zielinvestments regelmäßig auch in praktischer Hinsicht gar nicht diejenigen Informationen beschaffen, die ihre Anleger für eine ordnungsgemäße Ermittlung der AStG-Besteuerungsgrundlagen benötigen. 

Es ist zu begrüßen, dass der neue Referentenentwurf die aktuelle Regelung nun grundsätzlich wieder aufnimmt; eine Ausnahme dazu soll jedoch gelten, wenn die den passiven Einkünften des Investmentfonds zugrunde liegenden „Geschäfte“ zu mehr als einem Drittel mit dem Steuerpflichtigen (hier: deutschen Anlegern) oder ihm nahestehenden Personen betrieben werden (§ 7 Abs. 5 AStG-E). Eine Rückkehr zum Status quo bedeutet das nicht. Grund hierfür ist das neue Hinzurechnungskonzept der ATAD, wonach – anders als aktuell – auch Zwischeneinkünfte von mittelbar gehaltenen Beteiligungen dem unbeschränkt Steuerpflichtgen direkt (d.h. an der Beteiligungskette vorbei) zugerechnet werden (§ 7 Abs. 1 AStG-E). Bei Anlagen in Investmentfonds führt dies im Ergebnis dazu, dass nur die Einkünfte des Investmentfonds selbst, nicht jedoch die Einkünfte seiner Beteiligungsgesellschaften von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen werden; d.h. Investmentfonds würden künftig keine Abschirmwirkung mehr „nach unten“ entfalten. Es ist zu hoffen, dass dies im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch nachgebessert wird. 

Änderungen im Aktivkatalog

Zur Abgrenzung aktiver von passiven Einkünften sieht die ATAD einen Katalog passiver Einkünfte vor (sog. Passivkatalog). Im Gegensatz dazu geht die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung von einem sog. Aktivkatalog aus (§ 8 AStG). Daran wird sich – auch nach dem zweiten Referentenentwurf – nichts ändern. Gegenüber dem ersten Entwurf ist aber insbesondere auf die folgenden Änderungen des Aktivkataloges hinzuweisen:  

Für Versicherungsunternehmen, Kredit- sowie Finanzdienstleistungsunternehmen ist grundsätzlich eine Einschränkung vorgesehen. Deren Betrieb soll nur dann eine aktive Tätigkeit darstellen, wenn diese den – im Zuge des ATADUmsG konkretisierten bzw. verschärften – Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG-E erfüllen („wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit“). Eine Erleichterung ggü. dem Vorentwurf soll es aber für KWG-Finanzunternehmen geben, an denen Kredit- oder Finanzdienstleistungsunternehmen unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50% beteiligt sind. Auch deren Betrieb ist unter den vorgenannten Voraussetzungen als aktiv zu behandeln (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG-E). 

Eine Verbesserung ergibt sich auch für ausländische Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Nach dem ersten Referentenentwurf war deren Tätigkeit als passiv einzustufen, sofern sie Leistungen eines Steuerpflichtigen bzw. einer nahestehenden Person mit steuerlicher Ansässigkeit in einem EU/EWR-Mitgliedsstaat in Anspruch nehmen. Das BMF hat nun auf die verbandsseitige Kritik reagiert und diese Ausnahme auf in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige nahestehende Personen beschränkt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 5 AStG-E). 

Substanznachweis: Anzeige- statt Erklärungspflicht 

Änderungen ergeben sich auch bei dem Substanznachweis nach § 8 Abs. 2 AStG-E. Anders als noch im ersten Referentenentwurf ist in diesen Fällen keine abgekürzte Feststellungserklärung, sondern eine Anzeige nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck unter Angabe bestimmter Sachverhaltsumstände (insbesondere Name, Anschrift und wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft sowie Beteiligungsverhältnisse erforderlich). Das zuständige Finanzamt kann in diesen Fällen jedoch eine gesonderte Erklärung des Steuerpflichtigen verlangen, z.B. wenn Zweifel an der erforderlichen Substanz bestehen (§ 18 Abs. 1 AStG-E). 

Niedrigsteuergrenze 

Auch der zweite Referentenentwurf geht weiterhin von einer Niedrigsteuergrenze in Höhe von 25% aus. Nach der Gesetzesbegründung soll die Niedrigsteuergrenze jedoch bis Ende 2020 angepasst werden, um die Wirtschaft zu entlasten und unnötige Steuerbürokratie abzubauen. Das entspricht auch dem Beschluss des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020, wonach der Niedrigsteuersatz bis Ende 2020 entsprechend der OECD-Initiative zur Mindestbesteuerung (sog. Pillar 2) angepasst werden soll. Einzelheiten sind gegenwärtig jedoch nicht bekannt. 

Änderungen im Bereich der Verrechnungspreise


Aufnahme einer Escape-Klausel bei Funktionsverlagerungen

Auf Anregung einzelner Länder und des Bundeswirtschaftsministeriums sieht der zweite Referentenentwurf – wie auch das aktuelle Recht (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 1 AStG) – eine Escape-Klausel bei Funktionsverlagerungen vor, nämlich wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile von der Funktionsverlagerung umfasst sind, das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das hierfür anzusetzende Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist (§ 1 Abs. 3b Sätze 2 und 3 AStG-E). 

Gegenbeweis zu funktions- und risikoarmen Dienstleistungen bei Finanzierungsbeziehungen (§ 1a AStG-E)

Mit dem neuen § 1a Abs. 1 AStG-E wird der steuerliche Abzug von Aufwand aus grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt (z.B. wenn der Steuerpflichtige nicht nachweisen kann, dass er die Finanzierung wirtschaftlich benötigt).  

§ 1a Abs. 2 AStG-E regelt, wann regelmäßig von einer – entsprechend niedrig zu vergütenden – funktions- und risikoarmen Dienstleistung auszugehen ist. Der erste Referentenentwurf sah als Vergütung für entsprechende Geschäftsvorfälle den risikofreien Zinssatz (d.h. laufzeitadäquate Staatsanleihen höchster Bonität) vor. Dies wurde wiederum auf Anregung einzelner Länder und des Bundeswirtschaftsministeriums gestrichen. Darüber hinaus wurde explizit eine Gegenbeweismöglichkeit des Steuerpflichtigen vorgesehen, dass die betreffenden Dienstleistungen nicht funktions- und risikoarm sind (§ 1a Abs. 2 Satz 3 AStG-E).

Teilweise geänderte Anwendungsregelungen

Der Referentenentwurf vom 10. Dezember 2019 sah noch eine rückwirkende Anwendung sämtlicher Regelungen des ATADUmsG zum 1. Januar 2020 vor. Hintergrund war die verpflichtende ATAD-Umsetzung zum 31. Dezember 2019. Aufgrund der insbesondere verbandsseitig vorgebrachten Kritik wurde diese Rückwirkung im zweiten Referentenentwurf nun auf diejenigen Maßnahmen beschränkt, die durch die ATAD veranlasst und somit zwingend zum 1. Januar 2020 anzuwenden sind bzw. sein sollen. 

Die neuen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG-E) sollen damit grundsätzlich erst auf Zwischeneinkünfte anwendbar sein, die in nach dem 31. Dezember 2020 beginnenden Wirtschaftsjahren der Zwischengesellschaft bzw. Betriebsstätte entstehen (§ 21 Abs. 3 Nr. 1 AStG-E). Übergangsregelungen bestehen insbesondere im Hinblick auf die Anrechnung ausländischer Steuern der Zwischengesellschaft sowie den Systemwechsel von der Steuerbefreiung von Ausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 EStG zum Kürzungsbetrag iSv. § 11 AStG-E (§ 21 Abs. 3 Sätze 3 ff. AStG-E). Ebenfalls ein Jahr nach hinten verschoben werden soll die Anwendung der geänderten Regelungen zur Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG-E sowie zu den vorgesehen Neuregelungen im Bereich der Verrechnungspreise/konzerninternen Leistungsbeziehungen nach den §§ 1, 1a und 1b AStG-E (§ 21 Abs. 1 und 2 AStG-E). 

Bei den Neuregelungen zu hybriden Gestaltungen (§ 4k EStG-E, § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG-E) bleibt es hingegen (mit bestimmten Ausnahmen) bei der erstmaligen Anwendung rückwirkend ab 1. Januar 2020 (§ 52 Abs. 8b EStG-E, § 34 Abs. 5 Satz 1 KStG-E).