Noerr Competition Day – Kartellrecht kennt keine Grenzen

05.07.2016

Die Bedeutung des Kartellrechts nimmt für international tätige Unternehmen weiter zu: Weltweit registrieren Experten steigende regulatorische Anforderungen und eine zunehmende Tendenz der Behörden, Kartellgesetze konsequent durchzusetzen. Folgt der Globalisierung der Wirtschaft eine Globalisierung des Kartellrechts? Darüber diskutieren Kartellrechtsexperten auf dem „Competition Day 2016“ der Wirtschaftskanzlei Noerr. Weitere Themen: Kartellschadensersatz und die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – auch die Frage, wann für Kartellrechtsverstöße von Tochterunternehmen Bußgelder gegen andere Konzernunternehmen verhängt werden können und diese überdies auf Schadensersatz haften.

Kartellrecht strategisches Managementthema

Ob es um grenzüberschreitende Fusionsvorhaben oder um Kartellverfahren geht: Die zunehmende Aktivität nationaler und supranationaler Kartellbehörden ist für Unternehmen mit Rechtsunsicherheit, der Verzögerung von Projekten und neuen Risiken verbunden. „Diese Entwicklung erfordert eine effizientere Koordination in kartellrechtlichen Fragen“, sagte Dr. Alexander Birnstiel, Leiter der Noerr-Praxisgruppe Antitrust & Competition und Moderator des Panels „Challenges in international cartel proceedings“. Birnstiel empfahl, die Kartellrechtsexperten der Rechtsabteilungen bereits in die Strategieplanungen von Unternehmen einzubinden, um Probleme frühzeitig zu erkennen.

Kartellschadensersatz gewinnt weiter an Bedeutung

Der Kartellschadensersatz war das zweite zentrale Thema des Competition Day. Bis Ende des Jahres muss die EU-Kartellschadensersatzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Obwohl die Richtlinie nach Ansicht von Alexander Birnstiel aus deutscher Sicht keinen Paradigmenwechsel einläutet, seien die Auswirkungen auf die Unternehmenspraxis erheblich. Denn aus Sicht von Kartellteilnehmern steigt das Risiko, für Schäden in Anspruch genommen zu werden. Für Geschädigte steigen die Chancen, Kartellschadensersatz geltend zu machen. „An Kartellen beteiligte Unternehmen müssen also neben Bußgeld- auch Schadensersatzrisiken bewerten und einstellen“, betonte Birnstiel. „Sind umgekehrt Unternehmen Kartellopfer, muss der Vorstand sorgfältig prüfen, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden müssen und insofern eine Handlungspflicht besteht – andernfalls steht schnell der Vorwurf pflichtwidrigen Unterlassens im Raum.“

Über den Stand der Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie im Rahmen der 9. GWB-Novelle berichtete Dr. Armin Jungbluth, Leiter des Referats Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Der in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz erarbeitete Referentenentwurf der GWB-Novelle wurde jetzt veröffentlicht. Neben einer Verlängerung der Verjährungsfristen für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche sieht der Entwurf unter anderem eine Schadensvermutung zugunsten vermeintlich Kartellgeschädigter vor.

Ausdrücklich offen gelassen wird die – umstrittene – Frage, ob Muttergesellschaften zukünftig Schadensersatz für Kartellrechtsverstöße ihrer Töchter zu leisten haben. Diese Frage soll vielmehr durch die Rechtsprechung geklärt werden. „Die geplante Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie wird sowohl für Kartellopfer als auch für Kartellbeteiligte einige bisher offene Rechtsfragen klären“, betonte Noerrr-Partnerin Dr. Kathrin Westermann. „Dies gilt insbesondere für den Zugang zu Beweismitteln für beide Seiten eines Prozesses.“ Der Einwand der Schadensweiterwälzung, der verhindern soll, dass der Anspruchsteller überkompensiert wird, dürfte zukünftig leichter zu führen sein als bisher, vermutete Westermann. Außerdem werde zukünftig die Ausgestaltung von Vergleichen zwischen Kartellbeteiligten und Kartellopfern erleichtert.