Noerr erringt Erfolg in Grundsatzstreit – Bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zählen im EU-Ausland beschäftigte Arbeitnehmer nicht mit

03.05.2018

Noerr hat die Mutares AG erfolgreich in einem streitigen Statusverfahren vor dem Landgericht München I vertreten, in dem es um die zutreffende Besetzung des Aufsichtsrats der im Auswahlindex Scale 30 der Deutschen Börse gelisteten Gesellschaft ging. Das Landgericht München I ist der Argumentation von Noerr gefolgt, dass die bislang herrschende Praxis, die im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer von Konzernunternehmen bei Ermittlung der mitbestimmungsrechtlich relevanten Schwellenwerte nicht mitzuzählen, nicht gegen deutsches Verfassungsrecht verstößt.

Kläger war Dr. Konrad Erzberger, der zuletzt bereits durch sein gegen die TUI AG angestrengtes Statusverfahren bundesweit Bekanntheit erlangt hatte, als er die EU-Rechtskonformität der deutschen Unternehmensmitbestimmung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) infrage stellte. Der EuGH hatte mit seinem Urteil vom 18. Juli 2017 allerdings bestätigt, dass die deutschen Vorschriften zur Unternehmensmitbestimmung mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Seither besteht Rechtssicherheit, dass Arbeitnehmer, die bei einer Konzerntochter in einem anderen EU-Mitgliedsstaat beschäftigt sind, an den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der deutschen Konzernmutter nicht beteiligt werden müssen.

Für die Praxis noch weitaus bedeutsamer ist die Frage, ob die im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer von Konzernunternehmen nicht nur beim Wählen, sondern auch beim Zählen, d.h. bei der Berechnung der für die Anwendbarkeit der Mitbestimmungsgesetze (MitbestG, DrittelbG) relevanten Schwellenwerte von 500 bzw. 2.000 Arbeitnehmern, außen vorgelassen werden können. Diese „Zählfrage“ war nicht Gegenstand des EuGH-Verfahrens und wird in Rechtsprechung und Literatur seit Längerem kontrovers diskutiert. Im Anschluss an die Klärung der „Wahlfrage“ durch den EuGH wurde sie von Erzberger nun in den vergangenen Monaten in zahlreichen neuen Statusverfahren vor Gericht getragen.

In dem Statusverfahren gegen die Mutares AG hat der Kläger nach dem Unionsrecht insbesondere das deutsche Verfassungsrecht bemüht und auf der Grundlage eines Rechtsgutachtens geltend gemacht, dass aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz) auch die im EU-Ausland beschäftigten Arbeitnehmer von Konzernunternehmen bei Ermittlung der relevanten Arbeitnehmerzahlen mitzuzählen sind.

Das Landgericht München I hat einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz insoweit abgelehnt und den Antrag des Klägers in erster Instanz zurückgewiesen. Da ausländische Konzernunternehmen gänzlich anderen Regelungen unterlägen, sprächen bereits gute Gründe dafür, dass Gesellschaften mit Arbeitnehmern auch im Ausland schon gar nicht mit Gesellschaften vergleichbar seien, die nur im Inland Arbeitnehmer beschäftigen. Jedenfalls aber rechtfertige die unternehmerische Freiheit, festzulegen, ob Konzernunternehmen im Ausland betrieben werden oder nicht, die unterschiedliche Behandlung dieser Gesellschaften. Der Kläger hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt.

Berater Mutares AG: Noerr LLP
Dr. Ralph Schilha (Aktien- & Kapitalmarktrecht), Dr. Martin Landauer (Arbeitsrecht), Dr. Daniel Dommermuth-Alhäuser (Arbeitsrecht; alle München)

Inhouse: Jens Tiede (Head of Group Legal)

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