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BFH erleichtert Über­tragung von Betriebs­vermögen – Ent­schärfung des sog. 90%-Einstiegs­tests

27.12.2023

Steuerliche Begünstigung für Betriebsvermögen

Für den Erwerb unternehmerischen Vermögens durch Schenkung oder Erbfall sieht das Erb- und Schenkungsteuergesetz („ErbStG“) verschiedene steuerliche Begünstigungen vor. Grundvoraussetzung für deren Inanspruchnahme ist das erfolgreiche Durchlaufen des sog. „90%-Einstiegstests“, den der Gesetzgeber aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG v. 17.12.2014, 1 BvL 21/12) mit der Erbschaftsteuerreform 2016 eingeführt hat.

Die Finanzverwaltung führt den 90%-Einstiegstest auf Basis einer Brutto-Betrachtung durch: Das Verwaltungsvermögen des Unternehmens (z.B. Kassenbestand, Bankguthaben, Forderungen, Wertpapiere, fremdvermietete Grundstücke oder Edelmetalle) muss weniger als 90% des Gesamtwerts des Unternehmens ausmachen, wobei unternehmerisch veranlasste Schulden nicht mit dem Wert des Verwaltungsvermögens verrechnet werden. Sofern dieses „Brutto-Verwaltungsvermögen“ 90% oder mehr des Gesamtwerts des Unternehmens ausmacht, entfallen die steuerlichen Begünstigungen für das gesamte übertragene unternehmerische Vermögen (sog. Fallbeilwirkung).

Die Auffassung der Finanzverwaltung wird in der Fachliteratur mitunter stark kritisiert, da sie zumindest im Ergebnis auch unstreitig operativ tätige Unternehmen mit wenig Sachanlagevermögen bzw. hoher Umlaufintensität und einem hohen Fremdkapitalanteil allein aufgrund ihres Geschäftsmodells benachteiligt. Aus dem Markt bekannt sind beispielsweise Fälle, in denen Unternehmern mit einem hohen Forderungs- und Barbestand bei gleichzeitig hoher Schuldenquote infolge der verweigerten Schuldenverrechnung sämtliche steuerlichen Begünstigungen verwehrt wurden, obwohl bei unterstellter Schuldenverrechnung ein derart niedriger Bestand an Verwaltungsvermögen vorlag, dass sogar die gesteigerten gesetzlichen Voraussetzungen für die sog. Vollverschonung von der Erb- und Schenkungsteuer erfüllt wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Erb- und Schenkungsteuer eine Stichtagssteuer darstellt und der Bestand des Verwaltungsvermögens zum Stichtag entweder nur mit Restunsicherheiten prognostiziert werden kann oder – im Erbfall – schlicht unplanbar ist. Bis zum Stichtag eintretende (unerwartete) Geschäftsvorfälle (z.B. Eingang von Anzahlungen, Valutierung von Darlehen) können infolge der Praxis der Finanzverwaltung gravierende steuerliche Nachteile für die Beteiligten verursachen, woraus die Notwendigkeit einer taggenauen Überwachung etwa von Zahlungseingängen folgt.

Entscheidung des BFH

In seinem inzwischen veröffentlichten Urteil vom 13.09.2023 (II R 49/21) ist der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung entgegen getreten und hat den Abzug betrieblich veranlasster Schulden zumindest eines originär gewerblich tätigen Handelsunternehmens auch im Rahmen des 90%-Einstiegstests zugelassen. Zwar könne dem Wortlaut des Gesetzes (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) entnommen werden, dass eine Schuldenverrechnung nicht stattfinden soll. Der Wortlaut der Vorschrift sei jedoch nicht frei von Widersprüchen. Unter Berücksichtigung von Systematik, Telos und Entstehungsgeschichte der Norm sei jedenfalls bei Unternehmen, die nach ihrem Hauptzweck einer originär gewerblichen Tätigkeit nachgehen und bei denen keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigungen vorliegen, eine Schuldenverrechnung zuzulassen.

Praxisfolgen

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Sie schafft insbesondere für Unternehmen mit vergleichsweise wenig Sachanlagevermögen bzw. hoher Umlaufintensität (z.B. Dienstleister) und einer hohen Fremdkapitalquote zusätzliche Optionen für die Gestaltung der vorweggenommenen Erbfolge.

Abzuwarten bleibt, ob das Urteil des BFH seitens der Finanzverwaltung über den Einzelfall hinaus angewendet werden wird. Dennoch behält die laufende Überwachung der Verwaltungsvermögensquote ihren festen Platz in der Planung von Unternehmensnachfolgen.

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