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Franchising und Insolvenz

08.03.2016
LG Mönchengladbach, Urteil vom 25. Februar 2014 – 3 O 283/12


1.     Hintergrund

In franchiserechtlichen Beziehungen kommt es vor, dass der Franchisenehmer die vom Franchisegeber bezogene Ware, die Pacht für das Ladenlokal oder die Franchisegebühren nicht mehr oder nicht mehr vollständig bezahlen kann. Ungeachtet der rechtlichen Möglichkeiten, die der Franchisevertrag oder die gesetzlichen Regelungen entsprechend bieten, wird der Franchisegeber zunächst wohl das Gespräch mit dem Franchisenehmer suchen, um die Gründe für dessen Zahlungsschwierigkeiten zu verstehen und sodann eine für beide Parteien befriedigende und tragbare Lösung zu finden. Solche Lösungen können dann etwa Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen sein. Dennoch kann es passieren, dass das Entgegenkommen des Franchisegebers oder die Bemühungen der Parteien nicht ausreichen und der Franchisenehmer in Insolvenz gerät wird. Dabei stellt sich dann die Frage, ob das konziliante Verhalten des Franchisegebers zur finanziellen Unterstützung des Franchisenehmers in Form von Zahlungsaufschüben insolvenzrechtlich „belohnt“ oder „bestraft“ wird.

Mit dem Fall eines letztlich insolvent gewordenen Franchisenehmers, dem vom Franchisegeber Ratenzahlungen gewährt worden sind, hatte sich das LG Mönchengladbach (Urteil vom 25. Februar 2014 – 3 O 283/12) zu befassen.

2.     Sachverhalt

Die Schuldnerin war seit 2002 Franchisenehmerin der Beklagten (Systemzentrale einer Bäckereikette). Der Franchisevertrag enthielt unter anderem Regelungen zur Verpflichtung des Warenbezugs von der Franchisegeberin, der Zahlung einer Pacht-, einer Franchise- sowie einer Umsatzgebühr. Ab 2007 geriet die Franchisenehmerin gegenüber der Franchisegeberin in Zahlungsrückstände. Die Parteien schlossen zunächst mehrere Ratenabzahlungsvereinbarungen über die aufgelaufenen Schulden. Von Anfang 2009 bis zur Stellung des Insolvenzantrags im August 2009 buchte die Franchisegeberin im Lastschriftverfahren vom Konto der Franchisenehmerin hohe Beträge für Warenlieferungen, Pacht- und Franchisegebühren ab.

Der Insolvenzverwalter (Kläger) der ehemaligen Franchisenehmerin (Schuldnerin) machte nach Insolvenz der Franchiseunternehmerin insolvenzrechtliche Rückforderungsansprüche gegenüber der ehemaligen Franchisegeberin (Beklagte) in Höhe von ca. EUR 282.000,00 geltend.

3.     Wesentliche Entscheidungsgründe

Das LG Mönchengladbach hat der Klage des Insolvenzverwalters in voller Höhe statt gegeben. Es ist der Ansicht, dass die von der Franchisenehmerin getätigten Zahlungen anfechtbare Rechtshandlungen darstellten, die mit dem Vorsatz einer Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurden, sodass die geleisteten Zahlungen nach §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO der Insolvenzmasse zurück zu gewähren sind.

3.1.     Anfechtbare Rechtshandlung

Die anfechtbaren Rechtshandlungen i.S.d. § 133 Abs. 1 InsO der ehemaligen Franchisenehmerin lagen in den Abbuchungen von deren Konto und bestanden darin, dass sie bei der Lastschrift im Wege des Abbuchungsverfahrens ihrer Bank einen Abbuchungsauftrag erteilt hatte.

3.2.     Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung

Die damit verbundene Tilgung einer Verbindlichkeit benachteiligte die übrigen Gläubiger bereits regelmäßig – jedenfalls zumindest mittelbar – dadurch, dass für diese im Insolvenzfall eine entsprechend geringere Quote verbleibt. Das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit ist dabei regelmäßig ein starkes Indiz für den Benachteiligungsvorsatz.

3.3.     Trotz drohender Zahlungsunfähigkeit

Die Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich gemäß § 17 Abs. 2 InsO danach, ob der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, wofür auch regelmäßig eine Vermutung spricht, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Zwar generierte die ehemalige Franchisenehmerin auch Einnahmen aus dem Betrieb ihres Franchisebetriebs, die allerdings durch die von der Beklagten vorgenommenen Abbuchungen nahezu vollständig aufgezehrt wurden und so zur Tilgung der übrigen Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung standen. Der Schuldnerin war es bewusst, dass die von ihr generierten Einnahmen nicht ausreichten, um über die von der Beklagten vorgenommenen Abbuchungen hinaus auch die übrigen fälligen Verbindlichkeiten zeitnah zu erfüllen. Da allerdings die Einzahlungen aus den Bareinnahmen der Backshops die einzigen Einnahmequellen darstellten, um überhaupt eine Befriedigung der Gläubiger erreichen zu können, schloss daraus das Gericht auf das Motiv einer vorzugsweisen Befriedigung der Beklagten zur Aufrechterhaltung ihres Gewerbebetriebs. Der Vorsatz der ehemaligen Franchisenehmerin lag also letztlich darin begründet, dass sie der ehemaligen Franchisegeberin mittels des ihr erteilten Abbuchungsauftrags einen Abzug der Liquidität ermöglichte, sobald sie sich ansammelte, die anschließend zur Befriedigung der übrigen Gläubiger nicht zur Verfügung stand.

3.4.     Kenntnis vom Vorsatz des Schuldners

Der durch die Zahlung des Schuldners „begünstigte“ Teil – hier die ehemalige Franchisegeberin – muss dabei auch Kenntnis von dem Vorsatz des Schuldners haben, die ebenfalls vermutet wird, wenn der Begünstigte wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung andere Gläubiger benachteiligte.

Für eine Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit sprach im vorliegenden Fall die Anzahl der zurückgegebenen Lastschriften im Abbuchungsverfahren im Verhältnis zur ehemaligen Franchisegeberin. Ebenso sprach dafür der ausgebliebene Erfolg der im Franchiseverhältnis getroffenen Abzahlungsvereinbarungen. Denn obwohl in den Abzahlungsvereinbarung monatliche Raten bei einem zinslos gestundeten Schuldbetrag festgelegt war, gelang die Rückführung nur in einem sehr eingegrenzten Umfang.

3.5.     Gesamtbetrachtung

Aufgrund der Gesamtbetrachtung gelangt das LG Mönchengladbuch zu dem Schluss, dass die ehemalige Franchisegeberin Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und der Benachteiligung anderer Gläubiger hatte. Denn der ehemaligen Franchisegeberin war bekannt, dass die Schuldnerin aus eigener finanzieller Leistungsfähigkeit ihre Verbindlichkeiten nicht hat erfüllen können. Vielmehr war sie auf finanzielle Unterstützungen durch Stundungen und Darlehensgewährungen seitens der Beklagten und anderer Gläubiger angewiesen. Dennoch führten diese Anstrengung nicht zu einer Besserung der Situation, was der Beklagten durch die Erweiterungen der Darlehen, den Rückbuchungen der Lastschriften und der Nichteinhaltung der Abzahlungsvereinbarungen zur Kenntnis gelangte.

Da die ehemalige Franchisenehmerin ein gewerblich handelndes Unternehmen betrieb, konnte sich die Beklagte auch nicht der Kenntnis verschließen, dass – auch sofern zwischenzeitlich durch Darlehen und Stundungen die Zahlungsunfähigkeit abgewandt wurde – sie sich regelmäßig aus verschiedenen Rechtsgründen neuen fälligen Forderungen weiterer Gläubiger ausgesetzt sah. Da sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Schuldnerin in keiner Weise verbesserte, war der Beklagten auch klar, dass durch den Abzug vorhandener Liquidität weitere fällige Verbindlichkeiten nicht bedient werden konnten und so durch die Abbuchungen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereitelt oder zumindest erschwert wurde. Die Darlehensgewährungen und Abzahlungsvereinbarungen der Beklagten konnten ihrerseits auch nicht den Eindruck erwecken, dass es sich hierbei um erfolgversprechende Sanierungsmaßnahmen handeln würde. Dass ein solches Sanierungskonzept jedenfalls nicht griff, musste die ehemalige Franchisegeberin an dem Ausbleiben eines nennenswerten Schuldenabbaus erkennen.

Auch die aus den Franchisebetrieb generierten Einnahmen der Schuldnerin, die der Beklagten den Einzug der angefochtenen Zahlungen ermöglichten, rechtfertigen es nicht, die Kenntnis der Beklagten von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Aufgrund der umfassenden Kenntnis der Beklagten über die finanzielle Situation der Schuldnerin war ihr bewusst, dass ihre einzige Einnahmequelle der Franchisebetrieb darstellte. Da der Fortbestand dieser Einnahmequellen von der Beklagten selbst abhing, kam ihr als Gläubigerin einer herausragende Druckposition zu, welche die Schuldnerin veranlasste, an erster Stelle eine Befriedigung der Beklagten durch eine ausreichende Kontodeckung zu erzielen. Es entspricht – so das Gericht weiter – einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass Schuldner – um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern – unter dem Druck eines Großgläubigers Zahlungen bevorzugt an diesen leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen.

4.     Fazit

Ein Franchisegeber, der einem Franchisenehmer in seiner „Notlage“ bei Zahlungsrückstand ein- bzw. mehrmals einen Zahlungsaufschub gewährt und entsprechende Vereinbarungen abschließt, muss also schlimmstenfalls damit rechnen, bei einer späteren Insolvenz des Franchisenehmers alle nach dem Zahlungsaufschub – sei es in Form einer Stundung oder Ratenzahlungsvereinbarung – erhaltenen Zahlungen wegen einer Insolvenzanfechtung zurückzahlen zu müssen. Nach dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des § 133 InsO soll zwar der Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen künftig nicht mehr automatisch ein Indiz für die Kenntnis einer Benachteiligungsabsicht sein. Dennoch ist der Franchisegeber gut beraten, ob er in solchen Fällen das – potentielle – Insolvenzrisiko des Franchisenehmers in Kauf nehmen will. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Anfechtungszeitraum für solche gläubigerbenachteiligenden Zahlungen zehn Jahre beträgt.

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