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Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1226

05.09.2024

Am 19. Mai 2024 trat die Richtlinie (EU) 2024/1226 in Kraft, die gemeinsame Mindeststandards in den EU-Mitgliedsstaaten für die strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen schafft. Sie soll der Harmonisierung des Sanktionsstrafrechts dienen und enthält neben einem Katalog strafbarer Handlungen Vorgaben für die Ahndung von Verstößen.

Die Bundesregierung hat bis zum 20. Mai 2025 Zeit, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Nun liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) vor, der Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes („AWG“), der Außenwirtschaftsverordnung („AWV“), des Zollfahndungsdienstgesetzes („ZFdG“) und des Aufenthaltsgesetzes („AufenthG“) vorsieht.

A. Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschaftsverordnung

Die Novellierungen betreffen im Schwerpunkt Änderungen der §§ 18 und 19 AWG sowie des § 82 AWV durch Schaffung neuer Straftatbestände bzw. durch Hochstufung von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten. Verschärfungen gibt es auch bei den Strafrahmen für Zuwiderhandlungen sowie der Bußgeldhöchstgrenze für die Verbandsgeldbuße.

I. Strafvorschriften

Der Entwurf ergänzt und erweitert die bislang in § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AWG enthaltenen Strafvorschriften.

Beibehalten wird die Unterscheidung zwischen Zuwiderhandlung gegen absolute Verbote (nunmehr § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG-RefE) und Verstößen gegen Genehmigungspflichten (nunmehr § 18 Abs. 1 Nr.4 AWG-RefE). Während bislang in § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AWG auch Zuwiderhandlungen gegen „sonstige Dienstleistungsverbote“ unter Strafe gestellt waren, werden nunmehr eine Vielzahl konkreter verbotener Dienstleistungen in Buchst. a) – h) enumerativ aufgeführt. Verschiedene bislang in § 82 Abs. 9 Nr. 1 – 9, 12, 14 sowie 16 – 18 AWV genannten Tätigkeiten werden zu Straftaten hochgestuft.

Der neue § 18 Abs. 1 Nr. 2 AWG-RefE sanktioniert Zuwiderhandlungen gegen Pflichten im Zusammenhang mit Transaktionen, Verwendung und Einsatz von Geldern sowie, wie bislang schon, gegen Verfügungsverbote über eingefrorene Gelder und wirtschaftliche Ressourcen.

In einem neuen § 18 Abs. 1 Nr. 3 AWG-RefE werden bestimmte Umgehungshandlungen unter Strafe gestellt, nämlich solche, welche die Verschleierung eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen bezwecken oder bewirken oder indem falsche oder irreführende Informationen gemacht werden.

Bisher sanktioniert Art. 18 Abs. 5a AWG das unterlassene oder falsche Melden von Informationen nach Art. 9 Abs. 2 lit. a der Verordnung (EU) Nr. 269/2014. Nach dem Referentenentwurf soll dieser Strafvorschrift neu gefasst werden. § 18 Abs. 5a Nr. 1 AWG-RefE soll nunmehr sämtliche Verstöße gegen die Pflicht sanktionierter Personen zur Meldung ihnen zuzurechnender Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen aus allen Sanktionsregimen unter Strafe stellen. Der neue einzuführende Abs. 5a Nr. 2 AWG-RefE sieht eine Strafbarkeit für jegliche Verstöße gegen sogenannte Jedermanns-Meldepflichten vor. Diese gehören zwar zum Standardwortlaut aller Sanktionsverordnungen, deren Verletzung bislang aber lediglich als Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 5 Nr. 1 AWG ahndbar war.

Das Strafmaß soll teilweise angepasst werden. So sollen nach § 18 Abs. 6a AWG-RefE besonders schwere Fälle des verbotenen oder nicht genehmigten Handels, der Einfuhr, Ausfuhr oder anderen Umgangs mit einer Ware mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren geahndet werden. Ein besonders schwerer Fall soll etwa dann vorliegen, wenn der Täter gegenüber einer öffentlichen Stelle unrichtige Angaben über die Endverwendung einer Ware macht, um einen Sanktionsverstoß zu verschleiern.

Leichtfertige Verstöße gegen bestimmte Verbote bezüglich Dual-Use Gütern, bislang lediglich als Ordnungswidrigkeit ahndbar, sollen nach § 18 Abs. 8a AWG-RefE eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahre oder Geldstrafe nach sich ziehen können.

Derzeit gilt nach § 18 Abs. 11 AWG eine Ausnahme von der Strafbarkeit, wenn die Tat bis zum Ablauf des zweiten Werktages nach Veröffentlichung der Sanktionsverordnung im Amtsblatt der Europäischen Union begangen wird und der Täter keine Kenntnis von dem Verbot oder dem Genehmigungserfordernis hatte. Nach dem Referentenentwurf soll die Strafbarkeit nach § 18 Abs. 11 AWG zukünftig nur noch dann entfallen, wenn die Handlung als humanitäre Hilfe für eine bedürftige Person erbracht wird.

Auch freiwillig und vollständig nachgeholte Meldungen bezüglich eingefrorener Gelder sollen die Strafbarkeit nach § 18 Abs. 5a AWG-RefE nicht mehr nach § 18 Abs. 13 AWG entfallen lassen. Eine Ausnahme ist für Berufsgeheimnisträger – etwa Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater – vorgesehen.

II. Bußgeldvorschriften

Ferner sollen die Bußgeldvorschriften nach § 19 AWG angepasst werden. Neben redaktionellen Angleichungen an § 18 AWG-RefE soll vor allem das Höchstmaß von Geldbußen drastisch erhöht werden.

Die § 18 Abs. 7, 8 AWG-RefE setzen die Vorgabe der Richtline zum Höchstmaß von Bußgeldern um und sehen nunmehr Geldbußen von bis zu EUR 40 Mio. für Straftaten vor. Auch die Verbandsgeldbuße gegen Unternehmen für zurechenbare Verstöße gegen Aufsichtspflichten nach §§ 30, 130 OWiG sollen bis zu EUR 40 Mio. betragen können. Bislang beträgt das Höchstmaß einer Geldbuße bis zu EUR 10 Millionen für Straftaten (§ 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG) und EUR 1 Million für Ordnungswidrigkeiten (§ 30 Abs. 2 S. 2, § 130 Abs. 3 OWiG).

B. Änderungen im Zollfahndungsdienstgesetz und Aufenthaltsgesetz

Weitere Anpassungen sind erforderlich im Zollfahndungsdienstgesetz und im Aufenthaltsgesetz. In ersterem soll das Zollkriminalamt als Koordinierungsstelle im Bereich Sanktionsdurchsetzung benannt werden, die für die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen in anderen der EU-Mitgliedstaaten sowie mit der EU-Kommission, Europol, Eurojust und der Europäischen Staatsanwaltschaft zuständig ist. Im Aufenthaltsgesetz soll in § 90 AufenthG das Ermöglichen der Einreise in oder Durchreise durch das Bundesgebiet strafbewehrt sein, wenn gegen die betroffene Person ein sanktionsrechtliches Ein- oder Durchreiseverbot besteht.

C. Zusammenfassung und Ausblick

Insgesamt hält sich der Entwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1226 in dem erwarteten Rahmen und beschränkt sich weitestgehend auf den von der Richtlinie vorgeschriebenen Änderungsbedarf. Wie absehbar sollen Straf- und Bußgeldvorschriften erweitert und konkretisiert werden, während manche Ordnungswidrigkeit zu einer Straftat aufgewertet wird. Auch das neue Höchstmaß für Geldstrafen und Bußgelder von EUR 40 Millionen ist in diesem Sinne keine Überraschung, wenngleich damit das bisherige Höchstmaß erheblich angehoben wird. Regelungstechnisch fragwürdig erscheint, diese Anhebung nicht im OWiG zu verankern.

Praktisch bedeutsam ist ferner, dass Verstöße gegen die Pflicht, für Ausfuhren bestimmter Güter „No-Reexport Klauseln“ zu vereinbaren, weiterhin nicht strafbewehrt sind.

Hinsichtlich des weiteren Gesetzgebungsverfahrens wird zunächst eine öffentliche Anhörung durchgeführt werden, bevor es zu einem Regierungsentwurf kommt. Nach dem derzeitigen Entwurf soll das Gesetz zum 20. Mai 2025 in Kraft treten, womit die Umsetzungsfrist ausgeschöpft würde. Insbesondere aufgrund der Hochstufung von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten entfällt künftig die Möglichkeit einer Selbstanzeige nach § 22 Abs. 4. Auch vor dem Hintergrund des vervierfachten Rahmens einer Verbandsgeldbuße sind Unternehmen gut beraten, ihre Prozesse zur Sanktionseinhaltung rasch einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls nachzusteuern.