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Recht­sprechung des UK Court of Appeal zum Beschlag­nahme­schutz von Anwalts­unterlagen aus einer Internal Investigation

14.11.2018

Im Juni 2018 sorgte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinen Entscheidungen zur Durchsuchung der Kanzleiräume von Jones Day und Beschlagnahme von Unterlagen der für die Volkswagen AG durchgeführten Internal Investigation für Aufsehen. Dem UK Court of Appeal lag nun in England ein vergleichbarer Sachverhalt zur Entscheidung vor.

In seiner Entscheidung stärkte das englische Gericht die Rechte der Rechtsanwälte (Case No: A2/2017/1514) und folgte damit weder der Entscheidung des BVerfG noch einem Beschluss des LG Stuttgart aus dem März 2018 (6 Qs 1/18). So hatte das BVerfG entschieden, dass sowohl die Durchsuchung als auch die Beschlagnahme rechtmäßig waren. Die Entscheidung wird – unter Darlegung der Gründe – im News-Bericht vom 16.07.2018 von Dr. Holger Schmitz und Dr. Julia Sophia Habbe dargestellt.

Auch das Landgericht (LG) Stuttgart hatte im März über einen ähnlich gelagerten Sachverhalt zu entscheiden. Eine amerikanische Kanzlei war von Daimler zur Durchführung einer Internal Investigation beauftragt worden. Hierzu mietete die Kanzlei zwei Räume auf dem Daimler-Gelände an, um dort die Unterlagen der Investigation zu lagern. Das LG Stuttgart erklärte die Durchsuchung in diesen vorgenannten Räumen und auch die Beschlagnahme der Unterlagen für rechtmäßig, da Daimler zumindest noch Mitgewahrsam an den Unterlagen hatte. Aus diesem Grund griffe das Beschlagnahmeverbot nicht.

Der UK Court of Appeal hatte die Rechte der Rechtsanwälte bei seiner Entscheidungsfindung dagegen stärker im Blick. Vorausgegangen war eine Entscheidung des Serious Fraud Office (SFO), nach welcher Dokumente einer Internal Investigation, welche DLA Piper bzw. Dechert und die Forensik Risk Alliance für die Eurasian Natural Resources Cooperation (ENRC) durchführte, nicht dem Anwaltsprivileg unterliegen sollen. Gegenstand der Internal Investigation war die Aufklärung von korrupten Handlungen in Kasachstan und Afrika. DLA Piper bzw. Dechert führte in diesem Zusammenhang u.a. etwa 184 Interviews durch.

Das SFO begründete ihre Entscheidung damit, dass lediglich die Korrespondenz zwischen den Mitarbeitern, die für die Einholung von Rechtsrat beauftragt worden seien, und den Rechtsanwälten dem Anwaltsprivileg unterliege. Die sonstige Kommunikation zwischen Mitarbeitern der Unternehmen – unabhängig von deren Hierarchieebene – sei hingegen nicht geschützt. Aus diesem Grund hatte das SFO bspw. sämtliche seitens DLA Piper bzw. Dechert durchgeführten Interviews als nicht dem Anwaltsprivileg unterliegend angesehen, da die interviewten Mitarbeiter nicht als zur Einholung von Rechtsrat beauftragt angesehen werden können. Zudem wies das SFO darauf hin, dass die Informationen der Internal Investigation nicht als Teil eines Verteidigungsauftrages gesammelt worden seien. Letztlich sei die seitens DLA Piper bzw. Dechert durchgeführte Untersuchung investigativ zur Tatsachenermittlung und daher ohne – schützenswerten – Rechtsrat durchgeführt worden. Der High Court folgte dieser Begründung.

Diese vorinstanzliche Entscheidung des High Courts hob der UK Court of Appeal auf. Nach Auffassung des UK Court of Appeal müsse das Anwaltsprivileg weit gefasst werden und schütze daher sämtliche Kommunikation zwischen Mandanten und beratenden Rechtsanwälten im Zusammenhang mit bestehenden oder möglicherweise anstehenden Rechtsstreitigkeiten, bspw. eine potentiell im Raum stehende Strafverfolgung. Dies hat zur Folge, dass auch alle Informationen, die aus den durchgeführten Interviews erlangt wurden, vom Anwaltsprivileg umfasst sind.

Aus Compliance-Sicht bleibt festzuhalten, dass Unternehmen grundsätzlich zur Aufklärung von festgestellten Straftaten verpflichtet sind. Geschäftsführer und Vorstände haben aufgrund der ihnen obliegenden Legalitätspflicht ein gesetzeskonformes Verhalten der Gesellschaft und deren Mitarbeiter sicherzustellen. Hieraus folgt, dass etwaiges Fehlverhalten Einzelner aufgeklärt und Maßnahmen zur Minimierung ergriffen werden müssen. Der UK Court of Appeal hat hierbei sehr deutlich entschieden, dass die von Rechtsanwälten im Rahmen der Internal Investigation gewonnenen Erkenntnisse schützenswert sind. Auch bei den Entscheidungen des BVerfG bleibt zu beachten, dass dieses das Anwaltsprivileg nicht gänzlich verneint. Gleiches gilt auch für die Entscheidung des LG Stuttgart. Die vertragliche Ausgestaltung des Mietvertrages habe es, so das LG Stuttgart, zugelassen, dass Daimler Mitgewahrsam an den Unterlagen habe. Daimler seien weiterhin Zugriffsrechte auf die Räume eingeräumt worden und besaß darüber hinaus einen eigenen Schlüsselsatz. Das BVerfG und das LG Stuttgart entschieden in den gegenständlichen Einzelfällen, so dass die Entscheidungen nicht für alle Internal Investigations gelten können.

Es bleibt abzuwarten, ob und wann der deutsche Gesetzgeber in dieser Frage tätig wird. Es besteht die Möglichkeit, dass dieser im Rahmen der Neugestaltung der Unternehmenssanktionen auch zur Beschlagnahme von Anwaltsunterlagen aus Internal Investigations Regelungen trifft, oder dies vorab regelt.

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