Alles nur Geschmackssache?
Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes verdeutlicht, wie schwer es für Unternehmen ist, den Geschmack eines Lebensmittels rechtlich zu schützen.
Vom Logo über den Unternehmensnamen – fast alles, was einem Kunden ins Auge sticht und zur Unterscheidbarkeit auf dem Markt beiträgt, kann auf europäischer Ebene geschützt werden. Modernes Marketing beschränkt sich längst nicht mehr auf optisch wahrnehmbare Reize. Gerade bei Lebensmitteln sind Geruch und Geschmack ein wesentlicher Faktor auf dem Weg zur Kaufentscheidung. Das menschliche Gehirn kann Geruch und Geschmack besonders lange in Erinnerung behalten. Hat ein Unternehmen eine erfolgreiche Formel gefunden, ist die Wiederkennung durch die Kunden besonders erstrebenswert. Doch wenn es um den rechtlichen Schutz von Geruch und Geschmack geht, stoßen konventionelle Instrumente des europäischen Marken- und Urheberrechts an ihre Grenzen. Denn wie soll man etwas schützen, das man nicht sehen, nicht objektiv messen und nicht langfristig konservieren kann?
Der EuGH lehnt urheberrechtlichen Schutz von Geschmack ab
Der Europäische Gerichtshof („EuGH“) hat sich zuletzt im Jahr 2018 mit dem urheberrechtlichen Schutz von Geschmack auseinandergesetzt. In einem Vorabentscheidungsverfahren (Urt. v. 13. November 2018 – C-310/17 – „Levola Hengelo BV gegen Smilde Foods BV“) hat der EUGH festgestellt, dass der Geschmack eines Streichkäses nicht urheberrechtlich geschützt werden kann. Im Ausgangsfall hatte der niederländische Gemüse- und Frischproduktehändler „Levola Hengelo BV“ gegen das Unternehmen „Smilde Foods BV“ geklagt, da dieses einen Streichkäse auf den Markt gebracht hatte, dessen Geschmack einem Produkt von „Levola Hengelo BV“ ähnelte. Der Gerichtshof stützte sich bei seinem Urteil im Wesentlichen auf die Richtlinie (EG) Nr. 2001/29, die eine europaweite Harmonisierung des urheberrechtlichen Schutzes von „Werken“ anstrebt. Der Geschmack eines Lebensmittels ist laut EuGH allerdings nicht als „Werk“ im Sinne der Richtlinie einzustufen, weil es sich bei Geschmack um eine rein subjektive Empfindung handelt, die sich nicht nach objektiven Kriterien bemessen lässt. Anders als beispielsweise literarische oder musikalische Erzeugnisse, kann man Geschmack als solchen nicht eindeutig identifizieren und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft mit keiner Technologie von anderen Geschmäckern unterscheiden. Vielmehr hängt das Geschmacksempfinden eines Menschen von Faktoren wie z.B. seinem Alter oder seinen Vorlieben ab.
Auch das europäische Markenrecht ermöglicht keinen Schutz
Bisher sind alle Versuche, eine Geschmacksmarke beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt („HABM“, heute: Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum – „EUIPO“) einzutragen, gescheitert. Bereits im Jahr 2000 versuchte der US-amerikanische Pharmakonzern „Eli Lilly and Company“ künstlich erzeugten Erdbeergeschmack als Marke schützen zu lassen (Gericht der Europäischen Union „EuG“, Urt. v. 27. Oktober 2005 - T-305/04). Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, dass eine Beschreibung des Geschmacks in Worten nicht ausreiche. Außerdem würde ein Verbraucher den Geschmack nicht als „Marke“ erkennen, sondern annehmen, dass er beigefügt sei, um den unangenehmen Geschmack eines Medikaments zu überdecken. Ähnlich argumentierte ein Prüfer des HABM, als das niederländische Pharmaunternehmen „N.V. Organon“ im Jahr 2003 Orangengeschmack für Arzneimittel eintragen lassen wollte.
Same, same but different: Der Schutz von Geruch im europäischen Markenrecht
Um den immaterialrechtlichen Schutz von Gerüchen ist es nicht besser bestellt. Auch dieser beschäftigt die Markenämter und Gerichte schon längere Zeit. Im Jahr 1999 wurde erstmals versucht, einen Geruch als Marke eintragen zu lassen (HABM, Beschl. v. 11. Februar 1999 - R 156/1998-2). Es handelte sich dabei um den Geruch von „frisch geschnittenem Gras“, der auf Tennisbälle aufgetragen wird.
In einem Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren aus dem Jahr 2002 stellte der EuGH in Bezug auf Gerüche fest, dass ein Zeichen, das optisch nicht wahrnehmbar ist, grundsätzlich nur als schützenswerte Marke angesehen werden kann, wenn es „grafisch dargestellt werden kann und die Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist.“ Die Anforderung der grafischen Darstellung sei bei einem Geruch wie in dem Fall von nach Zimt riechendem „Methylcinnamat“ allerdings „weder durch eine chemische Formel noch durch eine Beschreibung in Worten, die Hinterlegung einer Probe des Geruchs oder die Kombination dieser Elemente“ erfüllt (Urt. v. 12. Dezember 2002 – C-273/00 – „Ralf Sieckmann gegen Deutsches Patent- und Markenamt“). Problematisch an einer Geruchsprobe ist, dass sie mit der Zeit ihren Geruch verliert oder verändert. Eine chemische Formel bildet eher die Zusammensetzung eines Stoffes ab, nicht aber den Geruch. Abhilfe kann auch keine Visualisierung des Geruchs über ein Foto schaffen. In einem Urteil aus dem Jahr 2005 stellte der EuG fest, dass sich Erdbeergeruch nicht durch die Abbildung einer Erdbeere und die Beschreibung „der Geruch von reifen Erdbeeren“ grafisch darstellen ließe und lehnte einen Schutz gleichermaßen ab (Urt. v. 27. Oktober 2005 – T-305/04 – „Riechmarke Odeur de fraise mûre“).
Änderung in Sicht?
Geschmack und Geruch sind nicht per se von der markenrechtlichen Schutzfähigkeit ausgeschlossen. Anfang des Jahres 2019 wurde das Eintragungsverfahren für Marken in Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie (RL (EU) 2015/2436) modernisiert, sodass die grafische Darstellbarkeit der Marke keine Eintragungsvoraussetzung mehr ist. Die Marke muss nunmehr lediglich geeignet sein, „in dem Register so dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können“ (§ 8 Abs. 1 MarkenG). Die bestehenden Kriterien, dass die Markendarstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein muss, gelten jedoch weiterhin. Der markenrechtliche Schutz von Geruch und Geschmack scheiterte bislang technisch bereits daran, dass es mit den heutigen Klassifizierungsmöglichkeiten nicht möglich war, den Schutzgegenstand rechtssicher zu bestimmen. Ob eine Kombination verschiedener Wiedergabemöglichkeiten die hohen Hürden überwinden kann, bleibt abzuwarten. Auch im Gesetzesentwurf heißt es nur kryptisch, dass „die einzutragenden Zeichen nunmehr jedoch unter Verwendung allgemeinzugänglicher Technologien“ dargestellt werden dürfen (BT-Drs. 17/2898, S. 62). Möglich erscheint zum Beispiel zusätzlich zu der Darstellung der Chemischen Formel und einer grafischen Abbildung noch die Hinterlegung einer exakten Beschreibung und einer Gasanalyse. Auch wenn dies gelingt, werden regelmäßig noch weitere rechtliche Schutzhindernisse entgegenstehen: Zum einen nimmt der Verkehr Geschmäcker und Gerüche von Waren (noch) nicht als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahr, sondern vielmehr als dekoratives Element, sodass ihnen keine Unterscheidungskraft zukommt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Zum anderen stellen Geruch oder Geschmack häufig selbst wesentliche Eigenschaften der Ware dar, sodass es auch hier an der erforderliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). In diesem Kontext ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass einzelne Geschmacksrichtungen nicht zu Gunsten einzelner monopolisiert werden sollen und daher freizuhalten sind.
Ob Gerüche und Geschmäcker künftig eine relevante Markenform darstellen, muss sich daher noch erweisen.