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Der EU-Grenz­ausgleichs­mechanismus für CO2: Vorbereitung

15.12.2022

Die Verhandler des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission (im Folgenden „Kommission“) haben am 12. Dezember 2022 im Rahmen des vierten interinstitutionellen Treffens zu der geplanten CO₂-Grenzsteuer auf bestimmte importierte Produkte, dem sogenannten CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, im Folgenden „CBAM“), eine vorläufige Einigung erzielt. Für Unternehmen ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich auf den neuen Mechanismus vorbereiten, denn der Übergangszeitraum soll bereist am 01. Oktober 2023 beginnen.

Hintergrund

Als treibende Kraft der globalen Umweltagenda hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt zu werden. Der von der Kommission im Dezember 2019 vorgelegte europäische Grüne Deal ist ein Fahrplan für Maßnahmen, durch die die EU-Wirtschaft nachhaltig werden soll – ein ambitioniertes Ziel. Ein Meilenstein ist die Senkung der EU-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990. Die erste Reihe von Legislativvorschlägen zur Senkung von Emissionen und zur Anpassung der bestehenden EU-Maßnahmen im Bereich Klima, Energie, Transport, Besteuerung und Landnutzung an dieses Ziel war das im Juli vorgestellte Paket „Fit für 55“. Als Teil dieses Pakets soll der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines CO₂-Grenzausgleichssystems einen Beitrag zum Klimaneutralitätsziel der EU leisten und gleichzeitig andere Länder zur Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse ermutigen, indem zwischen EU-Herstellern und ausländischen Herstellern gleiche Wettbewerbsbedingungen bei der CO₂-Bepreisung geschaffen werden.

Der CBAM in Kürze

Hauptziel des Vorschlags für einen CBAM ist die Angleichung des CO₂-Preises zwischen inländischen Produkten und Importen, und damit die Vermeidung des Risiko einer Verlagerung von CO₂-Emissionen infolge einer asymmetrischen Umweltpolitik von Drittländern und die Schaffung potenzieller Anreize für diese Drittländer, eine „grünere“ Politik einzuführen.

Der CBAM ist als Ergänzung des Emissionshandelssystems (im Folgenden „EHS“) der EU konzipiert und soll durch Zuteilung kostenloser EHS-Zertifikate an energieintensive Industriesektoren als alternatives Mittel bei der Verringerung des Risikos einer Verlagerung von CO₂-Emissionen dienen. Die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen des EHS wird schrittweise abgeschafft, während der CBAM parallel schrittweise eingeführt wird. Bis zum Ende der freien Zuteilung gilt der CBAM nur für den Teil der Emissionen, für den keine kostenlosen Zertifikate gemäß dem EU-EHS erteilt werden.

Gemäß der von den Co-Gesetzgebern erzielten vorläufigen Einigung gilt der CBAM daher zunächst für alle Importe aus Drittländern, ausgenommen Drittländer, die am EU-EHS oder einem damit verbundenen Mechanismus teilnehmen, aus bestimmten emissionsintensiven Sektoren, bei denen ein erhöhtes Risiko einer Verlagerung von CO₂-Emissionen besteht. Konkret sind dies: Eisen und Stahl, Zement, Aluminium, Düngemittel, Stromerzeugung (wie ursprünglich von der Kommission vorgeschlagen), Wasserstoff sowie bestimmte Vorprodukte und einige nachgelagerte Produkte wie Schrauben und ähnliche Artikel aus Eisen oder Stahl. Unter bestimmten Bedingungen, die noch verhandelt werden, sind auch indirekte Emissionen umfasst. Der Anwendungsbereich des CBAM könnte in der Zukunft noch ausgeweitet werden. Vor Ende des Übergangszeitraums wird die Kommission prüfen, ob weitere Waren, bei denen das Risiko einer Verlagerung von CO₂-Emissionen besteht, darunter organische chemische Erzeugnisse und Polymere, einzubeziehen sind. Ziel ist es, so bekräftigte das Parlament, dass alle unter das EU-EHS fallenden Waren bis 2030 aufgenommen werden.

Der Vorschlag sieht eine Übergangsphase vor, während der Importeure in diesen Sektoren verpflichtet sind, die mit ihren Waren verbundenen grauen Emissionen zu melden, ohne die finanziellen Anpassungszahlungen leisten zu müssen. Sobald der CBAM voll funktionsfähig ist, müssen Importeure in die EU eine Zulassung bei einer zentralen CBAM-Behörde einholen und CO₂-Zertifikate entsprechend dem CO₂-Preis erwerben, den sie für die Herstellung der betreffenden Waren in der EU hätten zahlen müssen. Gemäß der vorläufigen Einigung beginnt die erste Phase des CBAM im Oktober 2023. Der gesamte CBAM wird schrittweise eingeführt, während die Zuteilung kostenloser Zertifikate für die betroffenen Sektoren im Rahmen des überarbeiteten EU-EHS schrittweise abgeschafft wird. Die Entscheidung darüber, wann die Übergangsphase endet, steht noch aus. In ihrem ursprünglichen Vorschlag hatte die Kommission wie der Rat einen Übergangszeitraum bis 2025 vorgesehen; das Parlament war für eine Verlängerung bis 2026.

Schließlich sieht die vorläufige Einigung eine zentrale Governance des CBAM vor. Anstelle einer Umsetzung des Mechanismus durch die einzelnen Mitgliedstaaten, soll nun voraussichtlich die Kommission als zentrale Aufsichtsbehörde mit den meisten Aufgaben betraut werden.

Worauf müssen sich Unternehmen vorbereiten?

Der CBAM bringt diverse Änderungen für die in den betroffenen Sektoren tätigen Akteure mit sich. EU-Hersteller, EU-Händler und EU-Importeure, ausländische Exporteure und alle anderen von dem Mechanismus potenziell Betroffenen sollten bereits jetzt mit der Vorbereitung darauf beginnen.

Unternehmen werden sich insbesondere auf eine Prüfung der globalen Lieferkette vorbereiten, die Auswirkungen des neuen Mechanismus auf ihr Geschäftsmodell bewerten und ihr potenzielles Risiko quantifizieren müssen. Auch höhere Preise für die Einfuhr erfasster Waren dürften, neben einer allgemeinen Preiserhöhung bei abgeleiteten Produkten, als weitere unmittelbare Folge für EU-Unternehmen zu erwarten sein. Gleichzeitig bietet die Maßnahme Unternehmen auch Gelegenheit zur Prüfung ihrer ESG-Konformität.

Alle EU-Importeure in den umfassten Sektoren müssen auf die Berichtspflichten vorbereitet sein, die während des Übergangszeitraums, der gemäß der von den Co-Gesetzgebern erzielten vorläufigen Einigung am 01. Oktober 2023 beginnt, für sie gelten werden. Die der Berichtspflicht unterliegenden EU-Importeure sind verpflichtet,

  • die im Herstellungsprozess der in die EU eingeführten Waren entstandenen direkten und indirekten Emissionen zu berechnen und
  • vierteljährliche CBAM-Berichte zu übermitteln, die folgende Informationen enthalten:

    • die Gesamtmenge jeder CBAM-Warenart, aufgeschlüsselt nach den Anlagen, die die Waren im Ursprungsland herstellen;
    • die gesamten grauen Emissionen für jede Warenwart, berechnet nach dem in Anhang III des Verordnungsvorschlags beschriebenen Verfahren;
    • die gesamten indirekten grauen Emissionen entsprechend dem von der Kommission in einem Durchführungsrechtsakt festzulegenden Berechnungsverfahren.

Importeuren, die keine CBAM-Berichte vorlegen Sanktionen drohen Sanktionen, die verhältnismäßig und abschreckend sein sollen.

Sobald der Übergangszeitraum abgelaufen ist und die Durchführungsphase begonnen hat, treffen Unternehmen die finanziellen Auswirkungen der gemäß dem CBAM zu zahlenden CO₂-Abgabe und es gelten die folgenden weiteren Compliance-Pflichten:

  • jeder zugelassene Anmelder muss bis zum 31. Mai jedes Jahres eine CBAM-Erklärung mit folgenden Angaben an die zuständigen Behörde übermitteln:
  • für die mit den eingeführten Produkten verbundenen grauen Emissionen müssen EU-Importeure CBAM-Zertifikate erwerben;
  • EU-Importeure müssen die direkten und indirekten grauen Emissionen berechnen, die mit den von ihnen in die EU eingeführten Waren verbunden sind;
  • Um „zugelassener Anmelder“ zu werden, müssen sich EU-Importeure bei nationalen Behörden registrieren;
  • die Gesamtmenge jeder im vorangegangenen Kalenderjahr eingeführten Warenart;

    • die gesamten grauen Emissionen der eingeführten Waren;
    • die Gesamtzahl der CBAM-Zertifikate, die den grauen Gesamtemissionen entsprechen, die mit den im vorangegangenen Kalenderjahr in die EU eingeführten Waren verbunden sind.
    • Bei Nichteinhaltung dieser Bestimmungen drohen hohe Geldbußen und sogar die vollständige Entziehung der Lizenz zur Einfuhr von Waren in die EU.

Die nächsten Schritte

Die vorläufige Einigung wird von den laufenden Verhandlungen zur Reform des EU-EHS beeinflusst. Der Ratsvorsitz hat klargestellt, dass eine förmliche Annahme der Verordnung über den CBAM erst erfolgen kann, wenn bestimmte für den CBAM relevante Aspekte im Rahmen anderer, damit zusammenhängender Dossiers ausgehandelt sind. Weitere Verhandlungen zum EU-EHS sind in den nächsten Tagen geplant und eine endgültige Einigung wird bis Ende der Woche erwartet. Erst dann werden weitere Details zur Dauer des CBAM-Übergangszeitraums, zur schrittweisen Abschaffung der kostenlosen Zertifikate und zur Behandlung von Ausfuhren aus der EU in Drittländer vorliegen.

Sobald eine vollständige Einigung erzielt ist, muss die Vereinbarung erst von den beiden Co-Gesetzgebern, dem Rat und dem Parlament, förmlich angenommen werden, bevor sie endgültig ist. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.

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