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„In-Car-Entertainment­systeme“ als regulierte Benutzer­oberflächen? - Automobil­hersteller im Fokus der Landes­medienanstalten

22.04.2024

Die „wegweisende“ Entscheidung der ZAK

In Deutschland betriebene Kraftfahrzeuge unterliegen künftig der Medienregulierung: Wie die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bekannt gab, hat sie erstmals sog. „In-Car-Entertainment-Systeme“ zum Gegenstand ihrer aufsichtsrechtlichen Praxis gemacht und die Angebote von Audi und BMW/Mini als sog. Benutzeroberflächen im Sinne des Medienstaatsvertrags eingestuft. Noch weitergehend ordnete sie den „Media Player“ von Tesla zusätzlich als regulierte Medienplattform ein.

In-Car-Entertainmentsysteme seien neue Gatekeeper, die darüber entscheiden würden, welche Medienangebote von Autofahrern wahrgenommen würden und die der Gesetzgeber daher konsequent der Medienaufsicht unterstelle. Ziel der Regulierung sei es, die Auffindbarkeit der Inhalte sicherzustellen und auf diesem Wege für Vielfalt zu sorgen.

Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt, welche konkreten Gestaltungsvorgaben die Landesmedienanstalten mit dieser aus ihrer Sicht „wegweisenden“ Einstufung innerhalb der jeweiligen Systemanzeigen tatsächlich durchzusetzen gedenken. Eine pauschale Regulierung von In-Car-Entertainmentsystemen, wie sie in der Mitteilung der der ZAK anklingt, wird rechtlich jedenfalls schwer haltbar sein.

Wie die folgende Einordnung zeigt, verlangt der Medienstaatsvertrag nicht nur eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Inhaltsübersichten, sondern sind im Einzelfall auch diverse Ausnahmetatbestande zu beachten. Entscheidende Änderungen für Fahrzeughersteller und Autofahrer sind daher hauptsächlich im Bereich der Radiofunktionen zu erwarten.

Begriff der „Medienplattform“ und „Benutzeroberfläche“

Unter einer Medienplattform versteht das Gesetz jedes Telemedium, das etwa Rundfunk oder andere Telemedien zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst. Dies setzt voraus, dass der Anbieter selbst und abschließend über die bereitgestellten Inhalte entscheidet. Zugänglich werden sie über Benutzeroberflächen, die als textlich, bildlich oder akustische Übersicht die Inhalte einzelner Medienplattformen vermitteln. Vereinfacht ausgedrückt, ist eine Benutzeroberfläche somit die Anzeige- und Steuerungsebene von und für Medienplattformen.

Anbieter von Benutzeroberflächen unterliegen zahlreichen Pflichten, insbesondere zur Offenlegung von inhaltlichen Anordnungskriterien und der Sicherstellung diskriminierungsfreier Auffindbarkeit der von ihr dargestellten Angebote. Zudem müssen Inhalte, die im besonderen Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt leisten (sog. „Public-Value- Angebote“), besonders leicht, d.h. vorrangig auffindbar sein.

Radio-Funktion als zentraler Regulierungsgegenstand

Anhand dieses Maßstabs zeigt sich deutlich, dass In-Car-Entertainment-Systeme nicht generell, sondern nur bezogen auf ihre unterschiedlichen Übersichtsebenen als Benutzeroberfläche und/oder Medienplattform eingestuft werden können. Zudem unterliegt ein Fahrzeughersteller schon mangels Anbietereigenschaft keiner Regulierungspflicht, sofern eine integrierte Media-Anwendung (wie etwa Spotify) lediglich von einem Drittanbieter verantwortet wird.

Ganz überwiegend dürfte sich die Benutzeroberflächenregulierung von In-Car-Entertainment-Systemen daher auf die Darstellung von Radiosendern beschränken. Auch insoweit ist zu differenzieren:

  • Anzeigen, die (zumindest auch) analoge FM-Sender beinhalten, variieren je nach Standort und den dort empfangbaren Sendefrequenzen, beruhen also nie auf einem abschließend festgelegten Gesamtangebot von Sendern und bilden somit auch keine Medienplattform ab.
  • Graduell anders ist die Konstellation zu beurteilen, in der nur digital empfangene DAB+ Sender angezeigt werden, da diese sog. Multiplexe abbilden, die eine abschließende Senderauswahl beinhalten und von den Landesmedienanstalten als Medienplattform eingestuft worden sind. Auch insoweit ist die Annahme einer Benutzeroberfläche aber zumindest zweifelhaft, denn es findet keine abschließende Spiegelung einer Medienplattform statt, sondern die Übersicht ist auch hier bedingt durch den Standort des Fahrzeugs und der sich daraus gegebenenfalls wechselnden Kombination an verfügbaren Bundes-, Landes- und Regionalsendern.

Praxisrelevante Schranken der Regulierungspflichten

Eine pauschale Geltung der Benutzeroberflächenregulierung verbietet sich schließlich auch mit Blick auf diverse Ausnahmetatbestände, die den regulatorischen Pflichtenkatalog im Einzelfall insgesamt oder zumindest in erheblichem Umfang einschränken können:

  • So entfallen bestimmte Regulierungspflichten, soweit dem jeweiligen Anbieter der Nachweis gelingt, dass ihre Umsetzung auch nachträglich technisch nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist. Relevant sein dürfte dies insbesondere, soweit komplexe Neuprogrammierungen bereits im Markt befindlicher Systeme erforderlich werden, gerade mit Blick auf die standortabhängige Sortierung von „Public-Value“-Sendern.
  • Medienplattformen mit weniger als 20.000 täglichen Nutzern im Monatsdurchschnitt sind aufgrund ihrer eingeschränkten meinungsbildenden Wirkung ebenfalls nur teilreguliert. Da insoweit stets zwischen unterschiedlichen Entertainmentsystemen und Baureihen unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Nutzung differenziert werden muss, dürften hiervon zumindest in Deutschland nur geringfügig vertretene Fahrzeugmodelle profitieren.
  • Äußerst umstritten ist schließlich, ob die skizzierte Plattformregulierung – wie im Medienstaatsvertrag angelegt – überhaupt auf solche (Fahrzeug-)Hersteller Anwendung findet, deren Unternehmenssitz nur im EU-Ausland belegen ist. Erst kürzlich hat der EuGH entschieden (Urt. v. 09.11. 2023 – C-376/22), dass eine nationale Medienregulierung grundsätzlich nicht ohne Weiteres auch Geltung für Anbieter aus dem EU-Ausland entfalten darf, da dies dem europarechtlich verankerten Herkunftslandprinzip widerspreche. Bei konsequenter Anwendung dieser Rechtsprechung wären europäische Fahrzeughersteller von der Benutzeroberflächenregulierung insgesamt befreit.

Weiterführende Literatur

Eine ausführliche rechtliche Einordnung zum Thema, insbesondere hinsichtlich der regulatorischen Auswirkungen auf die Darstellung von Radiosendern finden Sie in unserem Beitrag

Regulatorisches Korsett zur Förderung der Meinungsvielfalt? - Klärung von Abgrenzungsfragen der Benutzeroberflächenregulierung am Beispiel der Radiofunktion moderner Kfz-Infotainmentsysteme“, K&R 4/2024, 235 ff.,

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