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Sechstes EU-Sanktionspaket als Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine

07.06.2022

Einleitung

Am 03. Juni 2022 verabschiedete die Europäische Union als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine ihr sechstes Sanktionspaket. Diese Sanktionsrunde wurde zwischen den Mitgliedstaaten besonders stark diskutiert, die Uneinigkeit über ein (partielles) Ölembargo hielt die Umsetzung fast einen Monat auf. Die nun beschlossenen Maßnahmen zielen erneut darauf ab, der russischen Regierung die Finanzierung des Krieges zu erschweren.

Mit dem sechsten Paket werden die Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (Änderungsakte hier und hier) und die Verordnung (EU) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (Änderungsakte hier und hier) erneut geändert. Diese Ausweitung der Sanktionen sieht unter anderem ein partielles Ölembargo, den Ausschluss der Sberbank und drei weiterer russischer Banken sowie der belarussischen Belinvestbank aus dem SWIFT-System, ein Verbot der Versicherung oder Rückversicherung von russischen Schiffen für EU-Unternehmen und ein Verbot bestimmter Dienstleistungen vor sowie ein Sendeverbot für drei russische Medienkanäle, die sich unter staatlicher Kontrolle befinden. Zudem wurden weitere Personen und Unternehmen in die Finanzsanktionsliste aufgenommen, Ausnahmegenehmigungen werden russischen und belarussischen Unternehmen weiter erschwert.

A. Partielles Ölembargo

Die Verordnung enthält ein umfassendes Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg, das 90 % aller gegenwärtigen europäischen Ölimporte aus Russland erfasst. Das Verbot unterliegt bestimmten Übergangsfristen, die der EU und ihren Partnern die Sicherstellung einer alternativen Versorgung ermöglichen und die Auswirkungen auf die globalen Lieferketten minimieren sollen. In Bezug auf Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, bleiben Spotmarkttransaktionen und die Ausführung von bestehenden Verträgen für volle sechs Monate nach Inkrafttreten der neuen Maßnahmen erlaubt; bei Erdölerzeugnissen beträgt die Übergangsfrist acht Monate nach Inkrafttreten der neuen Maßnahmen. Mitgliedstaaten, die in besonderem Maße von über Pipelines transportiertem russischem Rohöl abhängig sind, können bis zu einem anderslautendem Beschluss des Rates weiterhin Rohöl beziehen. Insbesondere kann Bulgarien im Rahmen einer spezifischen temporären Ausnahmeregelung Rohöl und Erdölerzeugnissen bis Ende 2024 auf dem Seeweg importieren, während Kroatien die Einfuhr von russischem Vakuumgasöl, das für den Betrieb seiner Raffinerien erforderlich ist, bis Ende 2023 genehmigen kann, Art. 3m und Anhang XXV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. Das Verbot von Unterstützungsleistungen, einschließlich Versicherung und Finanzierung, gilt gemäß Art. 3n der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. auch für die Beförderung von russischem Rohöl und Erdölerzeugnissen in Drittländer.

Der Rat betonte, dass im Falle von Unterbrechungen der Öllieferungen die allgemeinen Grundsätze der Solidarität und der regionalen Zusammenarbeit  greifen Die Europäische Kommission wird unterdessen die Märkte und die Versorgungssicherheit der EU genau beobachten.

B. Ausschluss der Sberbank aus dem SWIFT-System

Die Sberbank, Russlands größte Bank, wurde aus dem SWIFT-System ausgeschlossen, ebenso wie die Credit Bank of Moscow, die Joint Stock Company Russian Agricultural Bank und die JSC Rosselkhozbank, Art. 5h und erweiterter Anhang XIV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Was belarussische Banken betrifft, wurde die Belinvestbank aus dem SWIFT-System ausgeschlossen, Art. 1zb und erweiterter Anhang XV der Verordnung (EU) Nr. 765/2006.

C. Dienstleistungsverbot

Die neuen Bestimmungen umfassen auch ein Verbot, unmittelbar oder mittelbar bestimmte unternehmensbezogene Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung, für die russische Regierung und in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen, Art. 5n der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.

Der Umfang der gemäß diesem Artikel verbotenen Dienstleistungen ist in Erwägungsgrund (26) der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. näher beschrieben:

  • Wirtschaftsprüfung, Buchführung und Steuerberatung umfassen die Führung von Geschäftsbüchern für Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer, Dienstleistungen der Prüfung von Geschäftsbüchern und Jahresabschlüssen, die Steuerplanung und -beratung für Unternehmen sowie die Zusammenstellung von Steuerunterlagen;

  • Unternehmens- und Public-Relations-Beratung umfassen die Beratung, Anleitung und praktische Unterstützung von Unternehmen bei der Durchführung unternehmenspolitischer und strategischer Maßnahmen und bei der Gesamtplanung, Struktur und Kontrolle einer Organisation. Managementgebühren, die Leistungsbeurteilung von Führungskräften, Beratungsleistungen in Fragen der Vermarktung, des Personalmanagements, des Produktions- und Projektmanagements sowie Beratung, Anleitung und praktische Unterstützung bei Maßnahmen zur Verbesserung des Rufes bei den Kunden und der Beziehungen zu anderen Einrichtungen und zur Öffentlichkeit sind eingeschlossen.

Das Verbot gilt für die vorgenannten Dienstleistungen nicht, soweit diese für die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung in Gerichtsverfahren und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf unbedingt erforderlich sind (Art. 5n Abs. 3) oder zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen bestimmt sind, welche sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden (Art. 5n Abs. 4). Ferner sieht Art. 5n Abs. 2 eine Altvertragsregelung für die vorgenannten Dienstleistungen vor, soweit diese unbedingt erforderlich sind, um einen Vertrag über die Erbringung von nun gemäß Art. 5n Abs. 1 verbotenen Dienstleistungen zu beenden. Diese Altvertragsklausel gilt für vor dem 04. Juni 2022 geschlossene Verträge; die Ausnahmeregelung läuft am 05. Juli 2022 aus.

D. Sendeverbot

Die Übertragungsaktivitäten drei weiterer russischer Sender (Rossiya RTR/RTR Planeta, Rossiya 24/Russia 24 und TV Centre International) wurden aufgrund ihrer Rolle bei der Verbreitung von Propaganda zur Unterstützung der russischen Aggression ausgesetzt. Dies umfasst die Übertragung und Verbreitung mit jedweden Mitteln, auch über Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdienstleister, Internet-Video-Sharing-Plattformen oder -Anwendungen. Das Werben für Produkte oder Dienstleistungen der sanktionierten Sender wurde ebenfalls verboten; Art. 2f and Anhang XV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.

E. Ausfuhrbeschränkungen

Das sechste Sanktionspaket der EU enthält zudem weitere Ausfuhrbeschränkungen. Die Liste der Hochtechnologieartikel, die nicht nach Russland ausgeführt werden dürfen, wurde erweitert und umfasst nun weitere Chemikalien, die bei der Herstellung von Chemiewaffen verwendet werden könnten, Art. 2a, 2b und erweiterter Anhang VII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Auf die vorgeschlagene Liste der zusätzlich sanktionierten Chemikalien entfallen EU-Ausfuhren im Wert von mehr als 600 Mio. Euro. Für humanitäre, medizinische und pharmazeutische Zwecke und gesundheitliche Notlagen bleibt die Ausfuhr dieser Artikel möglich.

F. Weitere Änderungen

Zusätzlich zu den neu eingeführten restriktiven Maßnahmen ergänzte der Verordnungsgeber unter anderem wichtige Ausnahmeregelungen zum allgemeinen Geschäftsverbot des Art. 5aa der Verordnung (EU) Nr. 833/2014: Die Entgegennahme von Zahlungen, die aufgrund von Verträgen geschuldet werden, die vor dem 15. Mai 2022 ausgeführt wurden, wurde von den Bestimmungen ausgenommen (Art. 5aa Abs. 2a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.), wodurch die nun ausgelaufene Altvertragsklausel eine Klarstellung in Bezug auf vertragliche (Gegen-)Rechte und insbesondere die Vergütung / Gegenleistung von EU-Unternehmen erfährt. Daneben hat der Verordnungsgeber auch auf die Schwierigkeiten reagiert, mit denen EU-Unternehmen konfrontiert sind, weil sie in russischen Joint Ventures gebunden sind und ihr diesbezügliches Engagement beenden wollen: Transaktionen, einschließlich Verkäufe, sind nicht verboten, wenn und soweit sie für die Abwicklung eines Gemeinschaftsunternehmens oder einer ähnlichen Rechtsgestaltung, das bzw. die vor dem 16. März 2022 eingegangen wurde, unbedingt erforderlich sind. Die Abwicklungsfrist endet am 05. September 2022 (Art. 5aa Abs. 3 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.). Ferner sind Transaktionen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsdiensten oder Rechenzentrumsdiensten und der Bereitstellung von Diensten und Ausrüstungen, die für deren Betrieb, Wartung und Sicherheit erforderlich sind, und von Callcenter-Diensten für eine juristische Person, Organisation oder Einrichtung gemäß Art. 5aa der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, nun von dem allgemeinen Geschäftsverbot ausgenommen (Art. 5aa Abs. 3 lit. e).

Mit dem Paket werden das Vereinigte Königreich und die Republik Korea zu der Liste der Partnerländer hinzugefügt, die im Wesentlichen gleichwertige Ausfuhrbeschränkungen beschlossen haben, Art. 2, 2a, 2d und erweiterter Anhang VIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.

Der Rat hat zudem beschlossen, weitere 65 Personen und 18 Einrichtungen mit restriktiven Maßnahmen zu belegen. In Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 n.F. wurden der für die Gräueltaten in Butscha und Mariupol verantwortliche Militärstab, führende Geschäftsleute, Politiker, Propagandisten und Familienangehörige bereits gelisteter Oligarchen und Kreml-Funktionäre ergänzt, die nun dem Einfrierge- und Bereitstellungsverbot des Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 unterliegen. Unter den sanktionierten Einrichtungen sind Unternehmen, die die russischen Streitkräfte und die Regierung unterstützen, darunter auch der Nationale Zentralverwahrer (National Settlement Depository, die größte Wertpapierverwahrstelle des Landes). Insgesamt sind nun über 1000 Personen und fast 100 Einrichtungen mit Sanktionen belegt.

Umsetzung und Ausblick

Dieses Paket, das mit den internationalen Partnern der EU abgestimmt wurde, zielt darauf ab, den wirtschaftlichen Druck auf Russland weiter zu erhöhen und seine Fähigkeit, den Angriffskrieg gegen die Ukraine unter Verstoß gegen die fundamentalen Grundsätze des Völkerrechts fortzusetzen, einzuschränken.

Die Europäische Kommission begrüßte die Verabschiedung des Pakets und bekundete ihre Bereitschaft, sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Wirtschaftsakteure in der EU uneingeschränkt zu unterstützen, um die Umsetzung der Maßnahmen in der gesamten Union zu gewährleisten. Tatsächlich liegt es in erster Linie in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, die wirksame und vollständige Umsetzung der neuen Sanktionen sicherzustellen. Insbesondere verpflichten die neuen Bestimmungen die Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 festzulegen, sofern noch nicht geschehen. Im vergangenen Mai hat die Europäische Kommission zudem Maßnahmen vorgeschlagen, um die wirksame Umsetzung der EU-Sanktionen durch ergänzende strafrechtliche Maßnahmen zu gewährleisten und die Vorschriften für die Einziehung und Beschlagnahme von Vermögenswerten zu verschärfen.

Der lange Weg dieses sechsten Sanktionspakets, insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen über das Ölembargo, macht deutlich, dass es für die europäischen Institutionen immer schwieriger wird, die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen. Indes haben Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, bereits erklärt, dass noch nichts vom Tisch sei und ein mögliches Verbot von russischem Gas nicht ausgeschlossen werden könne. Tatsächlich arbeiten die europäischen Institutionen daran, die europäische Abhängigkeit von allen fossilen Brennstoffen aus Russland, Gas eingeschlossen, zu beenden und einige europäische Länder (wie Polen, Estland und Lettland) haben bereits ihre Unterstützung für ein mögliches siebtes Sanktionspaket zum Ausdruck gebracht, das auch die Einfuhr von russischem Gas in die EU umfassen soll.

 


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