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Update Foreign Subsidies Regulation („FSR“): Erste Durchsuchung der Europäischen Kommission bei einem chinesischen Hersteller von Sicherheitstechnik

25.04.2024

Die Europäische Kommission hat am Dienstag, den 23. April 2024, die erste unangekündigte Durchsuchung („dawn raid“) im Rahmen einer Ex officio-Untersuchung nach der FSR wegen des Verdachts auf den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen durchgeführt. Durchsucht wurden laut Pressemitteilung der Europäischen Kommission mehrere Geschäftsräume eines Herstellers von Sicherheitstechnik in der Europäischen Union.

Bei dem betroffenen Unternehmen handelt es sich um das chinesische Staatsunternehmen Nuctech, einen Hersteller von Überwachungstechnik und Sicherheitsausrüstung, dessen Geschäftsräume in Rotterdam (Niederlande) und Warschau (Polen) durchsucht wurden. Laut verschiedenen Presseberichten wurden im Rahmen der Durchsuchung IT-Equipment, Mobiltelefone sowie Dokumente und weitere Daten beschlagnahmt. Dabei wurden die Beamten der Europäischen Kommission von Mitarbeitern der nationalen Wettbewerbsbehörden begleitet.

Nuctech ist ein Hersteller von Überwachungstechnik und Sicherheitsausrüstung und produziert unter anderem Gepäckscanner für Flug- und Seehäfen. Nuctech befindet sich laut öffentlich verfügbaren Quellen vollständig in chinesischem Staatsbesitz und wurde von den USA als Unternehmen eingestuft, das den Sicherheitsinteressen der USA entgegensteht. Auch in der Europäischen Union war eine Zusammenarbeit mit Nuctech bereits in der Vergangenheit umstritten.

Die Europäische Kommission kann nach Art. 10 Abs. 1 b) und Art. 14 FSR im Rahmen einer sogenannten Vorprüfung bei Verdacht auf drittstaatliche, den Binnenmarkt verzerrende Subventionen Durchsuchungen bei Unternehmen auf dem Gebiet der Europäischen Union durchführen und in diesem Zusammenhang Unterlagen beschlagnahmen bzw. anfordern oder auf sonstige Informationen zugreifen. Dabei arbeitet die Europäische Kommission in der Regel mit Beamten der Mitgliedsstaaten zusammen – wie im vorliegenden Fall mit Beamten der niederländischen und polnischen Behörden. Daneben hat die Europäische Kommission nach Art. 15 FSR die Möglichkeit, auch außerhalb der Europäischen Union Nachprüfungen durchzuführen.

Die chinesische Handelskammer zeigte sich in ihrem offiziellen Statement „ernsthaft besorgt“ über die unangekündigte Durchsuchung der europäischen Tochtergesellschaften eines chinesischen Unternehmens. Diese erste Durchsuchung folgt auf eine Reihe vertiefter Prüfungen der Europäischen Kommission auf Basis des Vergaberechtsinstruments der FSR, welche sich bisher alle gegen chinesische Unternehmen richteten, sowie eine erste Ex officio-Untersuchung gegen chinesische Hersteller von Windturbinen (siehe unsere Beträge vom 19. Februar 2024 und vom 11. April 2024). Es ist damit die zweite Ex officio-Untersuchung – einer Untersuchung, bei der die Europäische Kommission aus eigener Initiative tätig wird – und der erste dawn raid unter der FSR. Neben diesen Untersuchungen auf Grundlage der FSR hat die Europäischen Kommission weitere Untersuchungen gegen China eingeleitet, etwa ein Antisubventionsverfahren im Bereich elektrischer Fahrzeuge oder unlängst Untersuchungen nach dem International Procurement Instrument für medizinische Geräte.

Ausblick

Die jüngste Maßnahme der Europäischen Kommission verdeutlicht, dass die Europäische Kommission schon kurz nach Inkrafttreten der FSR das volle ihr unter der FSR zur Verfügung stehende Instrumentarium ausschöpft. Neben den bisherigen vertieften Prüfungen auf Grundlage des Vergaberechtsinstruments ist die Europäische Kommission offensichtlich bereits darauf vorbereitet, Ex officio-Untersuchungen einzuleiten und dabei im Verdachtsfall auch Durchsuchungen bei Unternehmen vor Ort durchzuführen. Es ist zu erwarten, dass weitere Ex officio-Untersuchungen folgen werden.

Bezeichnend (wenn auch wenig überraschend) ist, dass sich die Prüfungen und Untersuchungen der Europäischen Kommission bisher ausschließlich gegen chinesische Unternehmen richten. Dies steht im Einklang mit den sonstigen handelsrechtlichen und politischen Maßnahmen der Europäischen Union. China dürfte daher auch künftig weiterhin im Fokus der FSR-Anwendung stehen. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die Untersuchungen der Europäischen Kommission im Rahmen der FSR dabei zunehmend an Dynamik gewinnen. Für Unternehmen ist es daher umso wichtiger, die Entwicklungen im Zusammenhang mit der noch jungen FSR genau im Blick zu behalten.

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