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Die Risiken für Unternehmensstrafen steigen – Neues aus Osteuropa

24.03.2017

In ganz Europa steht die Strafbarkeit von Unternehmen auf der politischen Agenda. Der bevorstehende Bundestagswahlkampf könnte die Diskussion über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts beleben. In zahlreichen Ländern Osteuropas war der Gesetzgeber schneller und hat ein Unternehmensstrafrecht eingeführt bzw. bestehende Regelungen verschärft. Wir betrachten in diesem Beitrag die aktuellen Entwicklungen in der Slowakei, Tschechien und Rumänien.

Slowakei: Einführung eines Unternehmensstrafrechts

Am 1. Juli 2016 ist das Gesetz Nr. 91/2016 Slg. über die Strafbarkeit von juristischen Personen in Kraft getreten. Hierdurch wird erstmalig ein Unternehmensstrafrecht in die slowakische Rechtsordnung implementiert. Gelingt es den Unternehmen nachzuweisen, dass sie ein funktionsfähiges Compliance-System eingerichtet haben, können sie straffrei ausgehen. Im Einzelnen:

Bislang sah das Gesetz einen abschließenden Katalog von ca. 75 Straftaten als mögliche Unternehmenstaten vor. Eine Gesetzesnovelle hat diesen Katalog schließlich seit dem 1. Januar 2017 um weitere klassische Wirtschaftsstraftaten erweitert.

Unternehmen können strafrechtlich verfolgt werden, wenn ein Organ, ein Aufsichtsratsmitglied oder ein sonstiger Vertreter oder Entscheidungsträger eine Katalogstraftat begangen hat und zwischen der Straftat und der Tätigkeit des Unternehmens ein kausaler Zusammenhang besteht.

Die Unternehmenssanktionen reichen von der Auflösung der Gesellschaft über den Verfall von Vermögenswerten zu einer Geldstrafe von bis zu EUR 1,6 Mio. Auch können zeitliche Tätigkeitsverbote sowie der Ausschluss von Fördermitteln und öffentlichen Ausschreibungen veranlasst werden. Mehrere Strafarten können nebeneinander stehen. Die Strafe wird in einem Strafregister sowie im Handelsregister eingetragen. Es ist nicht eindeutig geregelt, ob die Registereinträge nach Vollstreckung der Strafe komplett gelöscht werden. Dies wird durch die Rechtsprechung zu klären sein.

Kann das Unternehmen nachweisen, dass es unternehmensinterne Richtlinien und Systeme zur Vermeidung von Compliance-Verstößen ausgearbeitet hat, die grundsätzlich effektiv sind, bleibt es straffrei. Dies ist ein besonderer Anreiz zur Überprüfung der bestehenden Compliance-Vorgaben in slowakischen Unternehmen sowie zur stetigen Kontrolle ihrer Effektivität, etwa durch anlassunabhängige Audits.

Tschechien: Ausweitung der Strafbarkeit von Unternehmen

Der tschechische Gesetzgeber weitet im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität ebenfalls die Strafbarkeit von Unternehmen aus.

Bereits seit dem 1. Januar 2012 ermöglicht das Gesetz über die Strafbarkeit juristischer Personen („GStJP“) die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, dass eine Tat in Tschechien begangen wurde. Allerdings können Strafen auch gegenüber ausländischen Unternehmen verhangen werden, die in Tschechien nur gelegentlich tätig sind oder dort Vermögensgegenstände besitzen. Denn ein Sitz oder eine Niederlassung in Tschechien ist keine Voraussetzung für eine Unternehmensstrafe. Es genügt zum Beispiel, wenn ein Handelsvertreter in Tschechien für das Unternehmen tätig wird oder sich dort Lagerbestände befinden.

Am 1. Dezember 2016 trat eine Novelle des GStJP in Kraft. Unternehmen können nun wegen nahezu aller im tschechischen Strafgesetzbuch genannter Delikte verfolgt werden.

Die Ausweitung der Strafbarkeit von Unternehmen führt zu einer weiteren Professionalisierung der Strafverfolgungsbehörden und einer intensiveren Verfolgung von Unternehmensstraftaten. Dabei liegt der Fokus der Behörden in der Praxis auf klassischen Wirtschaftsstraftaten wie etwa Korruption, Steuerhinterziehung oder Buchführungsdelikten. Unternehmen sollten ihre Compliance-Management-Systeme überprüfen und auf die geänderten Anforderungen ausrichten, falls sie Defizite feststellen.

Rumänien: Verstärkte strafrechtliche Verfolgung von Unternehmen

Die rumänischen Strafverfolgungsbehörden nehmen Unternehmen in der jüngsten Vergangenheit verstärkt ins Visier. In den vergangenen Monaten kam es zu mehreren öffentlichkeitswirksamen Verurteilungen von Unternehmen überwiegend wegen Steuerstraftaten. Zudem werden derzeit eine Vielzahl von Verfahren wegen des Verdachts von Korruptionsdelikten gegen in Rumänien tätige Unternehmen geführt.

Nach dem rumänischen Strafgesetzbuch haften juristische Personen für Straftaten, die in Erfüllung des Unternehmensgegenstandes oder im Interesse oder im Namen der juristischen Person begangen werden.

Die strafrechtliche Verantwortung tritt ungeachtet der Rechtsform der juristischen Personen ein. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen zumindest eine Vertretung oder eine Zweigniederlassung ohne eigene Rechtspersönlichkeit in Rumänien gegründet hat.

Dabei knüpft die Strafbarkeit nicht nur an strafbare Handlungen von Organen und Vertretern an. Ausreichend ist, dass eine Person im Interesse des Unternehmens tätig wird, ohne dass ein Anstellungsverhältnis bestehen muss. Bei der Zusammenarbeit mit Handelsvertretern oder anderen Geschäftspartnern besteht demnach ein erhöhtes Risiko eine Unternehmensstrafe zu verwirken. Dies sollte bei der rechtlichen und organisatorischen Ausgestaltung der entsprechenden Verhältnisse beachtet werden.

Im Falle einer Verurteilung drohen dem Unternehmen sog. Haupt- und Komplementärstrafen. Die Hauptstrafe ist die Geldstrafe. Die Komplementärstrafen reichen von der Auflösung der juristischen Person über zeitlich begrenzte Tätigkeitsverbote und Schließungen von Betriebsstätten bis zum Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Das Strafurteil kann veröffentlicht werden.

In der Rechtsprechungspraxis orientieren sich die Unternehmensstrafen am Grad des Verschuldens. Hierbei wird berücksichtigt, ob die Organisationsstruktur des Unternehmens die Begehung der Straftat erleichtert hat. Das Bestehen eines effektiven Compliance-Management-System kann daher den Grad des Verschuldens und somit die Höhe der zu erwartenden Strafe erheblich beeinflussen.

Weltweit ist eine Tendenz zur verstärkten Strafverfolgung von Unternehmen erkennbar. Dabei stoppen die Aktivitäten der Strafverfolger nicht an der Grenze. Dies zeigen z.B. die Sanktionen, die das US-amerikanische Department of Justice in den vergangenen Monaten gegen deutsche Unternehmen aufgrund der unterschiedlichsten Sachverhalte verhängt hat. Der Deutsche Bundestag diskutiert derzeit über einen Gesetzesentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, der die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland fordert. Der Ausgang dieser Diskussion ist weiterhin offen.