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§ 50d Abs. 3 EStG: EuGH kippt nun auch aktuelle Gesetzesfassung

04.07.2018

Nach der Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017 (Rs C‑504/16 - Deister Holding AG - und C‑613/ 16 - Juhler Holding A/S -, siehe Noerr-News vom 22.12.2017) erklärt der EuGH nun mit Beschluss vom 14.6.2018 in der Rechtssache RS (C-440/17) wie allgemein von der Beraterschaft erwartet, dass die deutsche Anti-Treaty-Shopping-Regelung in § 50d Abs. 3 EStG nicht nur in der Fassung bis 2011, sondern auch die gegenwärtige - seit 2012 geltende - Fassung nicht mit der EU-Freiheit zu vereinbaren ist.

Entscheidendes Argument des EuGH ist erneut der auf Pauschalierungen beruhende Missbrauchsvorwurf, der jegliche Einzelfallprüfung ausschließt. Zudem hält der EuGH daran fest, dass Holdinggesellschaften für sich allein nicht als missbräuchlich angesehen werden können; es müssen zusätzliche Elemente hinzutreten, eine Management-Holding oder das Vorliegen besonderer Substanzanforderungen bedarf es also nicht.

Bisherige Reaktionen der Finanzverwaltung und deren Bewertung

Das BMF hatte zwar mit Schreiben vom 04.04.2018 wohl bereits im Vorgriff auf die nun erfolgte Entscheidung des EuGH auch den Anwendungsbereich des § 50d Abs. 3 EStG 2012  eingeschränkt (siehe Noerr-News vom 10.04.2018). Der Erlass blieb aber weiterhin auf die Fälle des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit und der Mutter-Tochter-Richtlinie beschränkt, erfasste nicht auch die Fälle einer nur Portfolio-Beteiligung (Kapitalverkehrsfreiheit) und öffnete auch nicht umfassend die Möglichkeiten eines Nachweises fehlenden Gestaltungsmissbrauchs.

Konkreter Handlungsbedarf für ausländische Gesellschafter

Nach der neuerlichen Entscheidung des EuGH ist eines klar: eine Korrektur allein im Wege einer Verwaltungsregelung ist nicht möglich. Diese kann lediglich im Hinblick auf die Vergangenheit Klarheit für eine Vielzahl von Fällen schaffen, sodass das Bundeszentralamt für Steuern in allen offenen Fällen entscheiden kann und nicht der zeitaufwendige Weg über die Gerichte beschritten werden muss.

Da die Erstattung von deutschen Quellensteuern allerdings befristet ist, empfiehlt sich zeitnah Einspruch gegen die Versagung der Erstattung der Kapitalertragsteuer einzulegen bzw. die Erstattung der Kapitalertragsteuer erstmals zu beantragen.

Mögliche Anforderungen an eine gesetzliche Neuregelung

Der Gesetzgeber ist also aufgerufen, das derzeitige Gesetzgebungsverfahren zu nutzen, um eine den europarechtlichen Anforderungen genügende Anti-Treaty-Shopping-Regelung zu schaffen. Vorgaben hierzu lassen sich zum einen den in jüngster Zeit in den DBA aufgenommenen Missbrauchsregelungen und zum anderen aus der Vielzahl von EuGH-Entscheidung zum Vorliegen eines Missbrauchs und dessen Nachweises entnehmen:

- ein alleiniges Anknüpfen an allgemeine Kriterien ist nicht mehr hinreichend, es muss vielmehr eine individuelle Prüfung im Einzelfall vorgesehen sein;

- der Vorgang als Ganzes ist daraufhin zu prüfen, ob eine künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Steuergestaltung zur Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile vorliegt; in diesem Rahmen sind auch Gesichtspunkte wie die organisatorischen, wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Merkmale des Konzerns, zu dem die betreffende Muttergesellschaft gehört, sowie die Strukturen und Strategien dieses Konzerns einzubeziehen;

- die Beweislast eines Missbrauchs liegt bei den Steuerbehörden, ein einfacher und pauschaler Anfangsbeweis für das Fehlen wirtschaftlicher Gründe oder ein Indiz für die Steuerhinterziehung ist nicht hinreichend

- dem betroffenen Steuerpflichtigen muss stets die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Sinne eines Vorliegens u.a. wirtschaftlicher. Gründe eingeräumt werden (insb. wenn der Gesetzgeber mit Regelbeispielen gesetzestechnisch arbeiten sollte)  

Steuerrecht

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