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DOJ: Neues Memorandum zur Verfolgung natürlicher Personen

22.09.2015

Das US-amerikanische Department of Justice (“DOJ”) hat ein neues Memorandum zur Verfolgung natürlicher Personen im Kontext wirtschaftsstrafrechtlicher Ermittlungen veröffentlicht. Das Memorandum formuliert u.a. konkrete Anforderungen an Unternehmen, die sich durch Aufklärungsbeiträge ein Entgegenkommen der Strafverfolgungsbehörden verdienen wollen, und ist deshalb im Rahmen von unternehmensinterner Untersuchungen bzw. den sich anschließenden Folgemaßnahmen von erheblicher Bedeutung.

Das Memorandum bringt deutlich zum Ausdruck, dass die strafrechtliche Verfolgung von natürlichen Personen im Rahmen wirtschaftsstrafrechtlicher Ermittlungen Priorität genießen soll. Gleich zu Beginn heißt es „One of the most effective ways to combat corporate misconduct is by seeking accountability from the individuals who perpetrated the wrongdoing.“ Während sich aus der aktuellen Diskussion zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland der Eindruck ergeben mag, dass hierzulande gerade der strafrechtlichen Verfolgung von Unternehmen zentrale Bedeutung für eine effektive strafrechtliche Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zugesprochen wird, will das DOJ also verstärkt natürliche Personen zur Verantwortung ziehen.

Im Unterschied zu Deutschland kennt das US-amerikanische Strafrecht eine Unternehmensstrafbarkeit (auf Bundesebene) zwar bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen der Verfolgungspraxis werden Unternehmen zunehmend ermutigt, auch freiwillig umfassende Aufklärungsbeiträge zu leisten, welche dann bei der Sanktionierung des Unternehmens zu dessen Gunsten berücksichtigt werden. Bei der Bewertung des Kooperationsbeitrages kam es bisher unter anderem darauf an, inwieweit dieser auch der Verfolgung natürlicher Personen dient. Dies geht bereits aus Prinzipien hervor, die das DOJ erstmals 1999 formuliert hat und die heute Bestandteil des U.S. Attorney Manuals sind. Auch in Folge hat das DOJ kontinuierlich deutlich gemacht, dass die Kooperation eines Unternehmens mit den Verfolgungsbehörden letztere nicht von der Verfolgung der involvierten Individuen abhalten soll.

Mit dem nun veröffentlichten Memorandum geht es noch einen Schritt weiter und fordert insbesondere, dass Unternehmen zwingend Informationen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Individuen vorlegen müssen, wenn sie hierfür einen – wie auch immer gearteten – Bonus erhalten wollen. Dies ergibt sich aus dem ersten der insgesamt sechs, im Folgenden überblickartig zusammengestellten Prinzipien:

  1. Ein Unternehmen soll alle Personen benennen, welche in strafrechtliche Verstöße involviert oder daran beteiligt waren und alle hierzu zur Verfügung stehenden Informationen offenlegen. Anders als bisher ist dies Voraussetzung dafür, dass der Aufklärungsbeitrag überhaupt zugunsten des Unternehmens berücksichtigt werden kann
  2. Die strafrechtliche Verantwortung natürlicher Personen soll in strafrechtlichen als auch zivilrechtlichen Verfahren von Beginn an berücksichtigt werden.
  3. Die Koordinierung Strafverfolgungs- und Zivilverfahren soll zur Regel werden.
  4. Es sollen keine strafprozessuale Verständigungen mit Unternehmen getroffen werden, in denen das Absehen von Maßnahmen gegen natürliche Personen vereinbart wird.
  5. Gegen Unternehmen gerichtete strafrechtliche Verfahren sollen nur eingestellt werden, wenn ein konkreter Plan zum weiteren Vorgehen gegen natürliche Personen vorliegt.
  6. Zivilrechtliche Verfahren sollen sich auf natürliche Personen fokussieren.

Insbesondere die Anforderung, Informationen zu allen involvierten Einzelpersonen bereitzustellen ist für den Aufsatz unternehmensinterner Ermittlungen sowie der sich ggf. anschließenden Verteidigung von erheblicher praktischer Bedeutung. Dies umso mehr, als ein Unternehmen auf die Verwertung dieser Informationen auch keinerlei Einfluss ausüben und Verfolgungsschritte gegen einzelne Mitarbeiter auch im Zuge einer Verständigung nicht mehr verhindern kann. Hierdurch werden entscheidende Anreize, welche Unternehmen ihren ggf. betroffenen Mitarbeitern zur Mitwirkung an der Tataufklärung bieten könnten, weitgehend verbaut. Unternehmensinterne Ermittlungen werden hierdurch von Beginn an deutlich konfliktanfälliger und eine den Interessen aller Beteiligter dienliche, koordinierte Verteidigung von Unternehmen und Einzelpersonen erheblich erschwert.

Umso mehr sollten die Interessen aller beteiligten Personen sowie des Unternehmens selbst vom ersten Aufkommen eines Verdachtsfalles an besonders sorgfältig geprüft und bei allen weiteren Schritten, etwa auch dem Umgang mit Informationen zu laufenden Untersuchungen, laufend berücksichtigt werden.

Das Memorandum steht hier im Volltext zum Download bereit.

 

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