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Neuer Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen zur effektiveren Durchsetzung von Russland-Sanktionen

13.05.2022

Hintergrund und Zielsetzung

Am 10. Mai 2022 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines ersten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SDG I) verabschiedet. Dieser wurde den Koalitionsfraktionen zugeleitet und wurde gestern (12.5.2022) aus der Mitte des Deutschen Bundestages in die Gesetzgebung eingebracht.

Das von SPD, Bündnis 90/die Grünen und FDP geplante SDG I soll eine effektive Durchsetzung der im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffs der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine zahlreich erlassenen EU-Sanktionen in Deutschland ermöglichen und strukturelle Schwachstellen im operativen Vollzug ausbessern, insbesondere soweit es das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verbot der Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen an gelistete Personen, aber auch den Verkehr von Waren und Dienstleistungen betrifft.

Für einen wirkungsstarken Vollzug dieser Maßnahmen auf nationaler Ebene ist es nun erforderlich, die Expertise verschiedener Behörden und Stellen auf Bundes- und Länderebene zu vereinen und eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Hierzu soll das SDG I einen speziell auf die Sanktionsdurchsetzung abgestimmten Rechtsrahmen schaffen und Regelungslücken schließen.

Konkrete Ausgestaltung

Mit dem SDG I werden das Außenwirtschaftsgesetz, das Geldwäschegesetz, das Kreditwesengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz geändert.

Die für die Sanktionsdurchsetzung zuständigen Behörden, namentlich die Deutsche Bundesbank, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium der Finanzen, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie die nach Landesrecht zuständigen Behörden sollen nach § 9a AWG-E die Befugnis erhalten, zur Ermittlung von Geldern, Vermögenswerten und wirtschaftlichen Ressourcen

  • Auskünfte und Vorlage von Unterlagen zu verlangen,
  • Zeugen vorzuladen und zu vernehmen,
  • Beweismittel sicherzustellen,
  • Wohnungen und Geschäftsräume zu durchsuchen,
  • Einsicht in Grundbücher und andere öffentliche Register zu nehmen,
  • Konten zu ermitteln und abzufragen.

9b AWG-E soll den zuständigen Behörden die Befugnis geben, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen sicherzustellen, um deren Verbringung oder Verfügung zu verhindern. Zu dem gleichen Zweck können Verfügungsbeschränkungen angeordnet werden. Sichergestellte Gegenstände sollen verwahrt werden, wobei § 9c AWG-E unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Verwertung zulässt, z.B. wenn eine wesentliche Wertminderung droht oder die Verwahrung mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist.

Von einem Einfrier- und Bereitstellungsverbot betroffene und in einer Sanktionsmaßnahme gelistete Personen sollen nach § 23a AWG-E verpflichtet werden, der Deutschen Bundesbank Gelder und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wirtschaftliche Ressourcen anzuzeigen, die sich in Deutschland befinden. Die gleiche Pflicht soll auch für Logistikdienstleiser im Sinne der §§ 453 und 467 HGB bestehen, die Kenntnis von derartigen Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen haben.

Der Verstoß gegen Anzeigepflichten nach § 23a AWG-E soll als Straftat mit einer Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht werden (§ 18 Abs. 5b AWG-E).

Der Verstoß gegen Sende-, Übertragungs-, Verbreitungs- oder sonstige Dienstleistungsverbote, die bislang teilweise lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 82 AWV dargestellt haben oder nicht sanktioniert waren, sollen als Sanktionsbruch zur Straftat nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AWG-E hochgestuft werden.

Darüber hinaus enthält das SDG I weitere verfahrensrechtliche Regelungen, nämlich eine ersatzweise Zuständigkeit der Landesbehörden für Ermittlungs- und Sicherstellungsmaßnahmen, eine Erweiterung der Möglichkeiten, sanktionsrelevante Informationen zwischen Behörden auszutauschen durch Schaffung von Datenzugriffs- und Datenübermittlungsbefugnissen, die Mitwirkung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) bei der Vermögensfeststellung sowie eine Ergänzung der Sofortmaßnahmen der FIU zur Untersagung von Transaktionen mit möglichem Sanktionsbezug sowie der operativen Analyse von Amts wegen und die Verankerung einer spezialgesetzlichen Befugnis der BaFin zur Anordnung sämtlicher Maßnahmen zur Durchsetzung von Handelsverboten bei Sanktionsbezug.

Einordnung und Ausblick

Diese Regelungen sind weitreichend und gehen deutlich über die bestehenden Instrumente hinaus. Mit ihnen sind zum Teil tiefgreifende Grundrechtseingriffe verbunden. An dem Grundproblem der Sanktionsdurchsetzung, dass gerade bei verschachtelten Konzernstrukturen unter Zwischenschaltung von Stiftungen, Trusts und ähnlichen Strukturen eine Kontrolle einer gelisteten Person über Vermögenswerte nur schwer festzustellen ist, wird sich hierdurch vermutlich nicht viel ändern. Anzeigepflichten nach § 23a AWG-E bestehen nämlich nur für im Inland belege Vermögenswerte. Auskunftspflichten nach § 9a Abs. 2 AWG-E werden auch nur gegen im Inland ansässige oder dort aufhältige Personendurchgesetzt werden können.

Dem SDG I soll später das Zweite Sanktionsdurchsetzungsgesetz (SDG II) folgen. Dessen Ziel ist die Einrichtung eines nationalen Registers für Vermögen unklarer Herkunft und für sanktionierte Vermögenswerte. Ferner soll ein eigenständiges Verwaltungsverfahren zur Aufklärung von Vermögen unklarer Herkunft eingeführt und eine besondere Hinweisgeberstelle geschaffen werden.

 


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