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Zivil­prozessuale Fragen bei grenz­über­schreitenden Wett­bewerbs­verstößen

16.03.2015

I. Sachverhalt und Fragestellung

Die rechtliche Verfolgung wettbewerbswidriger Äußerungen von Konkurrenten wirft bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Reihe zivilprozessualer Fragen auf. In diesem Zusammenhang soll der folgende Beispielsfall gebildet werden:

Ein deutsches Unternehmen möchte einen US-amerikanischen Wettbewerber mit Sitz in den USA wegen rufschädigender Internet-Äußerungen vor deutschen Gerichten verklagen. Die Geschäftsführung des deutschen Unternehmens ist insbesondere deshalb an der stattgebenden Entscheidung eines deutschen Gerichts interessiert, weil sie einem möglichen Ansehensverlust bei ihren (potentiellen) Kunden entgegenzuwirken möchte. Sie fürchtet, dass eine Schädigung ihrer Reputation wirtschaftliche Einbußen in Form eines konkreten Umsatzrückgangs zur Folge haben könnte. Beide Unternehmen stehen auf verschiedenen Märkten in den USA und der Europäischen Union, nicht aber in Deutschland, im Wettbewerb.

Kann das deutsche Unternehmen zur Verfolgung seiner Ansprüche gegen den US-amerikanischen Wettbewerber mit Aussicht auf Erfolg deutsche Gerichte in Anspruch nehmen, obgleich die beiden Unternehmen hierzulande nicht im Wettbewerb zueinander stehen?

Zu dieser praxisrelevanten Frage nimmt der Beitrag „Inanspruchnahme deutscher Gerichte bei im Ausland begangenen rufschädigenden Internet-Äußerungen, auch wenn die Unternehmen im Inland nicht im Wettbewerb zueinander stehen?“ in Betriebsberater 2015, S. 520 ff. Stellung. Im Überblick kommen die Autoren zu folgenden Ergebnissen:


II. Ergebnisse im Überblick

  • Bei im Ausland begangenen rufschädigenden Internet-Äußerungen zulasten eines Unternehmens mit Sitz im Inland lässt sich sowohl eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts begründen, auch wenn die beiden Unternehmen auf dem deutschen Markt keine Wettbewerber sind.

    • Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mithilfe des Schadensorts herleiten, sofern der Schadenseintritt zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört. Als Schaden könnte das deutsche Unternehmen im vorliegenden Fall den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit wettbewerbswidrigem Verhalten durch Konkurrenten anerkannten Marktverwirrungsschaden geltend machen. Hierunter versteht man einen Störungszustand, der durch eine diffuse Desinformation der Marktteilnehmer zulasten des Geschädigten entsteht. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang jedoch noch nicht eindeutig entschieden, ob ein bloßer durch die Rufschädigung verursachter Reputationsverlust ausreicht oder ob sich dieser stets bereits in einem kausal mit der rufschädigenden Äußerung zusammenhängenden Umsatzrückgang geäußert haben muss.

    • Auch zur Begründung der Anwendbarkeit deutschen Rechts ist eine Auslegung des Begriffs des Schadensorts von Bedeutung, hier im Kontext der Rom II-VO. In der deutschen juristischen Literatur wird hierzu mehrheitlich vertreten, der Begriff sei als Erfolgsort im Sinne des deutschen Rechtsverständnisses auszulegen, d.h. als das Recht des Ortes, an dem die Rechtsgutverletzung erfolgt. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass nicht nur eine Differenzierung zwischen den Begriffen des Schadens- und des Erfolgsorts sondern auch die Zuordnung des „Ortes, an dem der Schaden eintritt“ zu letzterem einem spezifisch deutschen Rechtsverständnis Rechnung trägt, dessen Berechtigung in einem autonomen unionsrechtlichen Kontext zumindest in Frage gestellt werden kann.

  • In jedem Fall sollte einer Klageerhebung in Deutschland eine Analyse der konkreten Ziele vorausgehen, die das deutsche Unternehmen mit einer gerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche gegen den US-amerikanischen Wettbewerber vor deutschen Gerichten realisieren möchte. Kommt es dem deutschen Unternehmen vorrangig auf die Vollstreckung eines möglichen Titels in den USA an, mag eine Klageerhebung in Deutschland unter Umständen nicht zweckmäßig sein. Die Inanspruchnahme deutscher Gerichte mag für ein deutsches Unternehmen aber von Interesse sein, sofern insbesondere die Wiedererlangung seiner Reputation im Mittelpunkt steht. Im Ergebnis mag dann der möglichen Veröffentlichung einer stattgebenden Entscheidung ein Stellenwert zukommen, der einer Vollstreckung in den USA zumindest gleichkommt.

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