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Bundestag beschließt Reform zum (Insolvenz-)Anfechtungs­recht

22.02.2017

Reduzierung der Anfechtungsrisiken für Unternehmen

Vergangenen Donnerstag, den 16.02.2017, wurde dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz (Drs. 18/7054) gemäß der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (Drs. 18/11199) mehrheitlich im Bundestag zugestimmt. Damit wird einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag Rechnung getragen, die diese Reform vorsieht. Es ist daher davon auszugehen, dass die vom Bundestag beschlossene Gesetzesreform im Bundesrat keinen Widerspruch erfährt und noch vor Ablauf der Legislaturperiode (im September 2017) in Kraft treten wird.

Ziel der Gesetzesreform

Durch die Gesetzesreform sollen übermäßige Belastungen des Geschäftsverkehrs und von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beseitigt werden, die durch die bisherigen Regelungen des Insolvenzanfechtungsrechts und der ausufernden Rechtsprechung hierzu bestehen. Dazu sollen die Insolvenzanfechtungsvoraussetzungen punktuell erschwert und (Zins)Anreize für Insolvenzverwalter wegen eines Zuwartens mit Insolvenzanfechtungsprozessen beseitigt werden.

Wesentliche Neuerungen

Die wesentlichen Neuerungen bei den Regelungen zum (Insolvenz-)Anfechtungsrecht lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Kern des Reformvorhabens ist es, Insolvenzverwaltern eine Insolvenzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO (sog. Vorsatzanfechtung) zu erschweren. Die Neuerungen sehen vor, dass der Zeitraum von Rechtshandlungen, die potentiell der Vorsatzanfechtung unterliegen können, bei sog. Deckungshandlungen (dazu sogleich) auf vier Jahre statt bislang zehn Jahre verkürzt wird. Damit soll klargestellt werden, dass bei schuldnerischen Rechtshandlungen, die der Erfüllung eines Anspruchs (zur Befriedigung oder Sicherung eines Gläubigers) dienen (sog. Deckungshandlungen), die Anfechtungsrisiken in zeitlicher Hinsicht reduziert werden. Im Übrigen bleibt es beim Zehnjahres-Zeitraum des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO, insbesondere für die paradigmatischen Fälle der Vorsatzanfechtung, wie z. B. die Rückgängigmachung absichtlicher Vermögensverschiebungen zulasten der übrigen Gläubiger.

  • Für Deckungshandlungen sieht die Gesetzesreform eine neue Regelung (in § 133 Abs. 3 InsO-E) vor, allerdings nur für Fälle sog. kongruenter Deckungshandlungen, bei denen ein Schuldner eine Leistung in der geschuldeten Art und Weise bei Fälligkeit erbringt. Für diese Fälle soll künftig gelten, dass die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei Vornahme der Rechtshandlung nur dann vermutet wird, wenn der Anfechtungsgegner (positive) Kenntnis der beim Schuldner eingetretenen Zahlungsunfähigkeit Schuldner hatte. Bislang genügte für diese Vermutung (die zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Insolvenzverwalters führt), dass der Anfechtungsgegner Kenntnis von einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Mit der Neuerung werden die Voraussetzungen an die Darlegung einer Kenntnis des Anfechtungsgegners von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erschwert. Die bloße Behauptung vermeintlich zwingender Indizien für eine lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners seitens eines Insolvenzverwalters genügt bei der Anfechtung kongruenter Deckungshandlungen gemäß § 133 InsO hierfür künftig nicht mehr.

  • Eine zusätzliche Hürde sieht der Regierungsentwurf für die Vorsatzanfechtung von Zahlungen vor, die der Schuldner vor Insolvenzantragstellung auf Basis von Zahlungserleichterungen (wie z.B. einer Ratenzahlungsvereinbarung) erbracht hat. Bei solchen Zahlungen wird künftig (gesetzlich) vermutet, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung (d. h. der einzelnen Zahlung) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (und damit auch dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz) nicht kannte. Diese Vermutung führt zu einer Beweislastumkehr zulasten des Insolvenzverwalters. Ein Insolvenzverwalter muss künftig bei der Anfechtung von Zahlungen, die aufgrund einer Zahlungsvereinbarung/-erleichterung vom Schuldner erbracht wurden, klare Beweise dafür benennen können, dass der Anfechtungsgegner bei Erhalt der Zahlungen Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (bzw. dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz) hatte. Es genügt nicht (mehr), dass ein Insolvenzverwalter bloße Indizien dafür benennt. Dieser Beweislast gerecht zu werden, dürfte Insolvenzverwaltern nur selten gelingen.

  • Eine weitere Gesetzesänderung wird bei der Regelung des Bargeschäfts gemäß § 142 InsO vorgenommen. Danach soll eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist, künftig nur noch anfechtbar sein, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1-3 gegeben sind, und der andere Teil (Anfechtungsgegner) erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

    Mit dem neuen Erfordernis der Unlauterkeit verschärft der Gesetzgeber die Anforderungen an eine Vorsatzanfechtung bei Bargeschäften. Nach der Neuregelung soll es nicht mehr darauf ankommen, ob die in das Vermögen des Schuldners gelangende Gegenleistung eines Anfechtungsgegners den Gläubigern konkreten Nutzen verspricht (oder die Fortführung des Unternehmens unrentabel ist). Allen Geschäften, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, fehlt nach der Gesetzesbegründung die Unlauterkeit, auch wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist. An die Annahme einer Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns sind also hohe Anforderungen zu stellen. Unlauterkeit setzt nach der Gesetzesbegründung mehr voraus, als das bloße Bewusstsein des Schuldners, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können (Beispiele für Unlauterkeit nach der Gesetzesbegründung: Schädigungsabsicht des Schuldners; Vermögensverschleuderung für Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger; Abstoßen von fortführungsnotwendigem Betriebsvermögen). Der Leistungsempfänger muss die Unlauterkeit zudem erkannt haben (es bedarf also positiver Kenntnis vom unlauteren Handeln des Schuldners).

    In § 142 InsO-E wird zudem eine Definition für die Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs aufgenommen, wonach die Unmittelbarkeit letztlich branchenspezifisch zu beurteilen sein wird, weil es auf die „Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ ankommen wird. Hier bleibt abzuwarten, welche Zeiträume sich in der (Rechtsprechungs-Praxis) für die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhanges bei den einzelnen Leistungsarten und Branchen herausbilden werden.

  • Eine weitere wesentliche Änderung ist die Verzinsung der Herausgabeansprüche, die bei bestehender Anfechtbarkeit gemäß § 143 InsO entstehen. Diese sind künftig nicht mehr in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinsatz seit dem Stichtag der Insolvenzeröffnung zu verzinsen, sondern nur noch im Fall des Schuldnerverzugs oder bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 291 BGB. Durch die Neuregelung wird vermieden, dass Insolvenzverwalter mit der Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsansprüchen (auf Kosten der Anfechtungsgegner) bis kurz vor Ablauf der Verjährungsfristen zuwarten, um die Masse mit weiteren Zinsforderungen anzureichern.

    Durch die Neufassung der Überleitungsvorschrift (im EGInsO) durch den Rechtsausschuss wird die neue Verzinsungsregelung ab Inkrafttreten des Gesetzes teilweise auch für Altfälle gelten. Diese sind nur noch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nach den alten Maßstäben zu verzinsen, jedoch ab Inkrafttreten des Gesetzes nur, sofern Schuldnerverzug vorliegt oder die Voraussetzungen des § 291 BGB erfüllt sind.
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Auswirkungen auf den Geschäftsverkehr (mit kriselnden Geschäftspartnern)

Die Neuregelungen führen dazu, dass Gläubiger, die ihre Forderungen von einem Schuldner (Vertragspartner) vor Insolvenzantragstellung noch in der vereinbarten Art und Weise bezahlt bekommen haben, sich künftig einem geringeren Risiko gegenübersehen, die erhaltenen Beträge nach Insolvenzeröffnung wieder im Wege der Insolvenzanfechtung an den Insolvenzverwalter zurückgeben zu müssen. Insbesondere in Fällen, in denen Vertragspartnern Liquiditätshilfen durch Zahlungserleichterungen (wie Ratenzahlungsvereinbarungen) gewährt und von diesen auch (zumindest teilweise) eingehalten werden, brauchen Zahlungsempfänger grundsätzlich nicht mehr fürchten, nach Insolvenzeröffnung im Wege der Vorsatzanfechtung für ihren liquiditätsverbessernden Beitrag „bestraft“ zu werden. Eine Ausnahme besteht nur, wenn ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bei der Vereinbarung und/oder Umsetzung dieser Zahlungserleichterungen klar erkennbar (und dokumentiert) ist.

Fazit

Dass sich die Bundesregierung zu der Gesetzesreform entschieden hat, ist insgesamt zu begrüßen, da die mit ihr verbundenen Neuerungen zu größerer Rechtssicherheit (insbesondere) bei Unternehmen führen werden, die mit kriselnden Unternehmen in Geschäftsverbindung stehen und bereit sind, diese bei Liquiditätsengpässen mit Zahlungserleichterungen zu unterstützen und auf dieser Basis vor Insolvenzantragstellung noch Zahlungen erhalten. Für die Gesetzesreform hatten sich aus diesem Grund auch bereits unsere Kollegen Grotebrune und Dr. Rüppell in einem Fachaufsatz in NZI 2015, 832 ff. ausgesprochen.