News

Deutliche Steigerung des Verbraucherschutzes beim Kauf digitaler Produkte sowie auf Online-Marktplätzen

02.02.2021

Zu Beginn des neuen Jahres reagiert das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gleich doppelt und veröffentlicht zwei Gesetzesentwürfe, um einerseits die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (2019/770/EU) sowie andererseits die Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (2019/2161/EU) umzusetzen. Beide Entwürfe wurden am 13. Januar 2021 von der Bundesregierung beschlossen und liegen nun dem Bundesrat zur Stellungnahme vor. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über ausgewählte wesentliche Neuerungen gegeben.

Umsetzungsgesetz zur Richtlinie digitaler Inhalte

Zielsetzung der Richtlinie ist die Harmonisierung gewisser vertragsrechtlicher Aspekte zur Gewährleistung eines gesteigerten Verbraucherschutzes mit dem letztendlichen Ziel der Verwirklichung eines digitalen Binnenmarkts. So sollen auf der einen Seite die Verbraucher dadurch geschützt und ihr Vertrauen hinsichtlich des Erwerbs digitaler Produkte und Dienstleistungen gestärkt werden, in dem einheitliche Regelungen in allen Mitgliedstaaten gelten. Zugleich verfolgt die Richtlinie das Ziel, auch auf Seiten der Unternehmer gerade beim Vertrieb ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen in anderen als dem eigenen Mitgliedstaat durch erhöhte Rechtssicherheit Kosten und Misstrauen zu senken. Die Anpassung von Verträgen an die Voraussetzungen der einzelnen Mitgliedstaaten haben insbesondere kleinere Unternehmen aber auch solche des Mittelstands stets vor große (finanzielle) Herausforderungen gestellt – ein Problem was vielen auch noch aus dem Bereich des Datenschutzes und der Zeit vor Anwendbarkeit der Europäischen Datenschutzgrundverordnung 2016/679 bekannt sein dürfte. Damals hatten grenzüberschreitend agierende Unternehmen ihre Datenverarbeitungsaktivitäten stets an den Standards der einzelnen unterschiedlichen Datenschutzgesetze messen lassen müssen.

Die Umsetzung hat bis zum 1. Juli 2021 zu erfolgen. Die daraus entstehenden mitgliedstaatlichen Bestimmungen gelten sodann für sämtliche Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden.

Anwendungsbereich

In dem § 327 BGB-Entwurf wird der Anwendungsbereich unter dem Titel „Verbraucherverträge über digitale Produkte“ klar definiert: Demzufolge sind die §§ 327 ff. BGB-Entwurf auf Verbraucherverträge anzuwenden, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben (§ 327 Abs. 1 Satz 1 BGB-Entwurf). Interessanterweise sind vom Anwendungsbereich gleichermaßen Verträge erfasst, bei denen die Gegenleistung des Verbrauchers nicht in monetärer Form erfolgt, sondern die Entgeltlichkeit des Vertrages in der Zurverfügungstellung von personenbezogenen Daten liegt (siehe § 327 Abs. 3 BGB-Entwurf) – ein Ansatz, der im AGB-Recht vom Schrifttum ohnehin schon länger diskutiert wird. Dies gilt natürlich nicht, sofern die Zurverfügungstellung dieser Daten durch den Verbraucher erforderlich ist, damit der Unternehmer seine Pflichten aus dem Vertrag überhaupt erfüllen kann.

Gleichzeitig wird in § 327 BGB-Entwurf für eine Reihe von Verträgen klargestellt, dass diese nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind. Herauszuheben sind neben Verträgen über Finanzdienstleistungen (§ 327 Abs. 6 Nr. 5 BGB-Entwurf) hier beispielsweise Verträge über die Bereitstellung von Software, für die der Verbraucher keinen Preis zahlt und die der Unternehmer im Rahmen einer freien und quelloffenen Lizenz anbietet, sofern die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer ausschließlich zur Verbesserung der Sicherheit, der Kompatibilität oder der Interoperabilität der vom Unternehmer angebotenen Software verarbeitet werden (§ 327 Abs. 6 Nr. 6 BGB-Entwurf).

Ein neuer Vertragstyp im Zusammenhang mit digitalen Inhalten wurde vom europäischen Gesetzgeber an dieser Stelle nicht erschaffen. Ob der jeweilige Vertrag letztlich als Kauf-, Werk-, Dienst-, Mietvertrag oder als Vertrag eigener Art zu qualifizieren ist, bleibt somit weiterhin dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber überlassen.

Bereitstellung digitaler Produkte

Der Entwurf regelt explizit, wann eine Bereitstellung bei digitalen Inhalten (§ 327b Abs. 3 BGB-Entwurf) sowie bei digitalen Dienstleistungen erfolgt (§ 327b Abs. 3 BGB-Entwurf). Die Beweislast für die erfolgreiche Bereitstellung ist zu Lasten des Unternehmers abweichend von § 363 BGB umgekehrt (§ 327b Abs. 6 BGB-Entwurf). Erfolgt eine Bereitstellung durch den Unternehmer trotz Fälligkeit und Aufforderung des Verbrauchers nicht unverzüglich, hat der Verbraucher die Möglichkeit den Vertrag zu beenden (§ 327c Abs. 1 BGB-Entwurf).

Erweitertes Mängelrecht und Verpflichtung zur Aktualisierung

Der Entwurf sieht ein eigenes Mängelrecht für digitale Produkte und Dienstleistungen vor und definiert ausdrücklich die Voraussetzungen für deren Mangelfreiheit. So muss das digitale Produkt bzw. die digitale Dienstleistung den subjektiven und objektiven Anforderungen sowie den Anforderungen an die Integration entsprechen (§ 327e BGB-Entwurf). Bei Vorliegen eines Mangels stehen dem Verbraucher das Recht auf Nacherfüllung, Beendigung, Schadenersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen sowie Minderung zu (§ 327i BGB-Entwurf). Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die verlängerte Beweislastumkehr für die Mangelfreiheit zu Lasten des Unternehmers: So wird vermutet, dass ein digitales Produkt bereits bei Bereitstellung mangelhaft war, wenn sich innerhalb eines Jahres ab Bereitstellung ein (Rechts-)Mangel zeigt oder eine Aktualisierung ausbleibt (§ 327k BGB-Entwurf). Dies ist gegenüber dem regulären Verbrauchsgüterkauf, der lediglich eine Beweislastumkehr von sechs Monaten vorsieht (§ 477 BGB), als enorme Steigerung des Verbraucherschutzes zu bewerten.

Herauszustellen ist zudem die im Entwurf normierte Aktualisierungspflicht des Unternehmers. So hat der Unternehmer sicherzustellen, dass dem Verbraucher Aktualisierungen – also funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates –, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind, bereitgestellt werden und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird (§ 327f BGB-Entwurf).

Umsetzungsgesetz zur Modernisierungsrichtlinie

Mit der Modernisierungsrichtlinie sollen Betreibern von Online-Marktplätzen wie beispielsweise eBay oder Amazon stärkere Hinweispflichten zugunsten von Verbrauchern auferlegt werden. Im Mittelpunkt steht dabei ganze klar das Thema der Transparenz. Der Verbraucher soll hinsichtlich seines Vertragspartners, seiner ihm angezeigten Suchergebnisse und des ihm angebotenen Preises mehr Informationen erlangen.

Anwendungsbereich

Die neuen Informationspflichten treffen Betreiber von Online-Marktplätzen. § 312k BGB-Entwurf definiert einen Online-Marktplatz als einen Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die vom Betreiber oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Webseite oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen.

Informationspflichten

Die umfassenden Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen beschreibt Art. 246d EGBGB-Entwurf. Demnach muss der Verbraucher u.a. zum Ranking der Waren und Dienstleistungen, die ihm in Folge seiner Suchanfrage angezeigt werden – unter Darlegung der Hauptparameter und der Gewichtung dieser Hauptparameter für das jeweilige Ranking – unterrichtet werden. Weiterhin muss der Betreiber den Verbraucher darüber informieren, ob der jeweilige Anbieter ein mit ihm verbundenes Unternehmen, generell ein Unternehmer oder gar eine Privatperson ist. Letztere Information ist für den Verbraucher von besonderer Relevanz, weil bei Vertragsschluss mit einer Privatperson die besonderen Vorschriften für Verbraucherverträge keine Anwendung fänden. Auch beim Weiterverkauf von Veranstaltungskarten kommt es zu Änderungen, weil der ursprüngliche Preis des Veranstalters dem Verbraucher zukünftig mitzuteilen ist.

Bußgeld

Wenn ein Betreiber seinen Informationspflichten nicht nachkommt, handelt er ordnungswidrig und es kann gegen ihn ein Bußgeld bis zu EUR 50.000 verhängt werden. Ist der Betreiber jedoch ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als EUR 1.250.000, so kann die Geldbuße sogar bis zu 4 % des Jahresumsatzes (!) oder, wenn dieser Umsatz nicht ermittelt werden kann, bis zu EUR 2.000.000 betragen.

Fazit

Die Neuerungen sind insbesondere aus Gesichtspunkten der Rechtssicherheit begrüßenswert und waren aufgrund stetig steigender Angebote und Nutzung digitaler Produkte und Dienstleistungen – was nicht zuletzt durch die Pandemie beschleunigt wurde – längst überfällig. Bekanntermaßen geht mit jeder Änderung im Verbraucherrecht Abmahnpotenzial einher, weswegen eine Überprüfung und gegebenenfalls die Anpassung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zeitnah anzuraten ist.

Digital Business
Einkauf Logistik & Vertrieb

Share