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Neu seit 15.03.2024: Streit­verkündungen in DIS-Schiedsverfahren – Die Ergänzenden Regeln für Streitverkündungen (DIS-ERS)

18.04.2024

Streitverkündungen sind in staatlichen Gerichtsverfahren in Deutschland ein bewährtes Mittel, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden oder eine Verjährungshemmung herbeizuführen. Wird einem Dritten, der nicht Partei eines Rechtsstreits ist, der Streit verkündet, muss der Dritte die Entscheidung in einem Folgerechtsstreit gegen sich gelten lassen. Hauptanwendungsfall der Streitverkündung sind Konstellationen, in denen Ansprüche gegen einen Dritten auf Gewährleistung oder Schadloshaltung im Raum stehen. Dies betrifft häufig Lieferketten- und Subunternehmerverhältnisse oder gesamtschuldnerischer Haftung. Der Dritte – auch Streitverkündungsempfänger genannt – kann dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten, um aktiv am Verfahren teilzunehmen und die Verteidigung der Hauptpartei zu unterstützen.

Die Streitverkündung in staatlichen Gerichtsverfahren ist gesetzlich in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Die Beteiligung Dritter an einem Schiedsverfahren ist dagegen schwieriger, da hierfür die Zustimmung aller Beteiligten erforderlich ist. Zwar gibt es unter anderem in der Schiedsordnung (DIS-SchO) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) bisher schon Regelungen zur Einbeziehung Dritter (vgl. Art. 18 f. DIS-SchO). Sie bleiben aber hinter dem Konzept der Streitverkündung in der ZPO zurück.

Mit den am 15.03.2024 in Kraft getretenen Ergänzenden Regeln für Streitverkündungen (DIS-ERS) wird nun – ähnlich den Vorgaben für Gerichtsverfahren in der ZPO – die Möglichkeit geschaffen, Dritten nach standardisiertem Vorgehen einfacher und rechtssicherer den Streit zu verkünden. Anders als bisher Art. 18 f. DIS-SchO regeln die DIS-ERS die Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen einer Streitverkündung umfassend.

Nach Art. 1 DIS-ERS gelten die Regeln, wenn die Parteien deren Anwendbarkeit vereinbart haben. Auch nach den DIS-ERS bleibt es dabei, dass alle Beteiligten zustimmen müssen, um an das Ergebnis eines Schiedsverfahrens gebunden zu sein. Jedoch sehen die DIS-ERS Mustervereinbarungen vor, die diese Zustimmung erleichtern. Die Musterklauseln finden sich auf der Website der DIS: Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS): DIS-Musterklauseln (disarb.org). Beim Abschluss neuer Verträge, kann mit den DIS-ERS schon vor Entstehung eines Streits standardmäßig eine spätere Streitverkündung ermöglicht werden.

Die DIS-ERS im Einzelnen:

Zulässigkeit und Ablauf

Eine Streitverkündung ist nach Art. 2 DIS-ERS zulässig wenn eine Partei glaubt, für den Fall des für sie ungünstigen Ausganges des DIS-Schiedsverfahrens einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten zu haben oder den Anspruch eines Dritten besorgt. Zudem muss der Dritte sich mit einer Streitverkündung nach Maßgabe der DIS-ERS einverstanden erklärt haben (angelehnt an § 72 ZPO).

Zur Streitverkündung reicht eine Partei einen Schriftsatz bei der DIS ein. Die DIS unterstützt die streitverkündende Partei, indem sie den Schriftsatz dem Dritten, dem der Streit verkündet wird, und der anderen Partei des DIS-Schiedsverfahrens übermittelt (Art. 3, 6 DIS-ERS). In dem Schriftsatz ist insbesondere auch die Vereinbarung zu benennen, nach der sich der Dritte mit einer Streitverkündung nach den DIS-ERS einverstanden erklärt hat. Wie nach den Regeln der ZPO (§ 75 ZPO), kann auch nach den DIS-ERS der Dritte dem Schiedsverfahren als Nebenintervenient zur Unterstützung der streitverkündenden Partei beitreten (Art. 6.2 DIS-ERS). Ein solcher Beitritt hat grundsätzlich innerhalb von 21 Tagen nach Übermittlung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Dritten zu erfolgen.

Ein wesentlicher Aspekt des Schiedsverfahrensrechts ist, dass die am Verfahren beteiligten Parteien die Schiedsrichter selbst auswählen. Mit den DIS-ERS wird gewährleistet, dass neben den Parteien auch der Dritte, sofern er dem Verfahren als Nebenintervenient beitritt, auf die Schiedsrichterauswahl Einfluss nehmen kann. Zu diesem Zweck ist vorgesehen, dass eine Streitverkündung grundsätzlich vor Konstituierung des Schiedsgerichts stattfindet (Art. 4, 7, 8 DIS-ERS).

Das Schiedsgericht kann eine Streitverkündung aber auch zu einem späteren Zeitpunkt im Schiedsverfahren zulassen. Dies setzt voraus, dass der Dritte der Streitverkündung zustimmt und erklärt, dass er (a) keine Einwendungen gegen die Zusammensetzung des Schiedsgerichts erhebt und (b) das Verfahren in der Lage annimmt, in der es sich zu der Zeit der Streitverkündung befindet.

Einwendungen gegen Wirksamkeit und Wirkung der Streitverkündung

Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Streitverkündung können die Parteien oder der Nebenintervenient innerhalb von 21 Tagen nach Übermittlung der Beitrittserklärung des Nebenintervenienten erheben. Nur ein beigetretener Dritter kann als Nebenintervenient eine solche Einwendung geltend machen. Art. 10.1 Satz 2 DIS-ERS ermöglicht allerdings dass ein Dritter dem Schiedsverfahren nur zu dem Zweck beitritt, um die Wirksamkeit der Streitverkündung zu rügen.

Die Wirkungen der Streitverkündung nach den DIS-ERS orientieren sich ebenfalls an den Vorschriften der ZPO. Insbesondere wird der Dritte im Verhältnis zur streitverkündenden Partei in einem Folgerechtsstreit nicht mit der Behauptung gehört, dass der Rechtsstreit unrichtig entschieden sei (Art. 11.1 DIS-ERS). Aufgrund seiner Zustimmung zu den DIS-ERS ist er gegenüber der streitverkündenden Partei im Folgerechtsstreit verpflichtet, diese Wirkungen anzuerkennen (Art. 11.2 DIS-ERS). Ferner wird die Verjährung gegenüber dem Dritten gehemmt (Art. 11.4 DIS-ERS).

Bewertung und Ausblick

Insgesamt sind die Regelungen der DIS-ERS zu begrüßen. Sie ermöglichen es, rechtssicher auch in DIS-Schiedsverfahren den Streit zu verkünden. Dabei berücksichtigen sie die Interessen der beteiligten Parteien in einem ausgewogenen Verhältnis. Hervorzuheben ist, dass eine Streitverkündung nach den DIS-ERS ihre Wirkung nicht nur dann entfaltet, wenn der Folgeprozess ebenfalls ein DIS-Schiedsverfahren ist, sondern auch, wenn es sich dabei um ein Schiedsverfahren nach anderen Regeln oder ein staatliches Verfahren handelt. Zwar gibt es auch andere Angebote für Regelungen zur Streitverkündung im Schiedsverfahren, insbesondere die Münchener Regeln zur Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren (Munich Rules). Im Vergleich dazu bieten die DIS-ERS aufgrund der Anlehnung an die ZPO und der zur Verfügung gestellten Musterklauseln eine rechtssicherere Variante. Bei den Munich Rules dagegen hängt die Streitverkündungswirkung im Einzelfall von Auslegungsfragen im Verhältnis der Parteien zueinander ab.

Die DIS-ERS sind darüber hinaus sowohl in der deutschen als auch der englischen Fassung verbindlich, was insbesondere für internationale Beteiligte die Vereinbarung erleichtern sollte. Es wird sich zeigen, ob sie für internationale Konstellationen relevant werden, da international die Einbeziehung von Dritten naturgemäß nicht dem ZPO-Vorbild entspricht.

Die DIS-ERS sind hier abrufbar: Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS): DIS-Regeln (disarb.org).

Bereits beim Entwurf neuer Schiedsklauseln sollte ab jetzt an die mögliche Vereinbarung der DIS-ERS gedacht werden, um später davon profitieren zu können. Es bleibt spannend zu sehen, wie das Instrument in der Praxis angenommen wird.