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Haftung von WLAN-Anbietern für urheberrechtliche Verstöße: könnte „Free Wi-Fi“ sich verteuern?

14.10.2016

Entschuldigung, haben Sie zufällig WLAN?“ Diese Frage wird nicht nur jeder Café-Mitarbeiter einmal zu viel gehört haben – das Anbieten von „Free Wi-Fi“ als sekundären Dienst für potentielle Kunden ist im EU-Binnenmarkt weitgehend verbreitet und wird von der Europäischen Kommission zwecks der grundrechtlichen Informationsfreiheit explizit gefördert.

Trotz der beträchtlichen Beliebtheit dieses Dienstes unter seinen Nutzern geht die „passive“ Netzwerkvermittlung für Inhaber von Urheberrechten allerdings mit einem wesentlichen Nachteil einher – nämlich dem, dass die WLAN-Vermittler wenig Kontrolle über die von Nutzern übertragenen Daten haben, zumal weil sie nicht über die hierzu erforderlichen technischen Mittel verfügen und darüber hinaus mit ihrer primären unternehmerischen Tätigkeit ausgelastet sind. Es kann daher schlicht vorkommen, dass ein WLAN-Nutzer ohne das Wissen des passiven WLAN-Vermittlers ein urheberrechtlich geschütztes Werk illegal aus dem Internet runterlädt, wofür dem etwaigen Copyright-Inhaber ein Anspruch auf Schadenersatz entstehen wird. In Anbetracht der geringen Aufsichtsmöglichkeiten des passiven WLAN-Vermittlers wirft sich deshalb die Frage auf, wer für solche urheberrechtlichen Verstöße haften soll. Ist das nur der WLAN-Nutzer als direkter Verletzter oder auch der duldende WLAN-Vermittler? Genau mit dieser Problematik befasste sich neulich der Europäische Gerichtshof („EuGH“) in der Entscheidung Mc Fadden v Sony Music Entertainment Germany GmbH („Mc Fadden v Sony“).

 

Hintergrund

In der oben genannten Sache wurde ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München I, das die Auslegung des Artikels 12 der sog. E-Commerce-Richtlinie („ECR“) betraf, behandelt. Herr Mc Fadden, ein Geschäftsinhaber, hatte im Rahmen seiner primären Unternehmenstätigkeiten seinen Kunden eine unentgeltliche WLAN-Verbindung angeboten. Über diese Verbindung wurde ohne das Wissen von Mc Fadden von einem WLAN-Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Lied aufs Netzwerk hochgeladen und dadurch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt – dies geschah ohne die Erlaubnis des Copyright-Inhabers, Sony Music, welche Mc Fadden nachfolgend auf Schadensersatz verklagte. Mc Fadden verteidigte sich damit, er trage gemäß Art. 12 ECR keinerlei Verantwortlichkeit für die Daten, die über das von ihm zugänglich gemachte Netzwerk übertragen worden seien.

Art. 12 ECR besagt, dass ein Anbieter von sog. Diensten der Informationsgesellschaft („IG-Dienst/e“), deren Gegenstand lediglich die Übermittlung von Daten oder die Vermittlung des Zugangs zu einem Netzwerk ist (sog. „Reine Durchleitung“), keine Verantwortung für die übermittelten Daten trägt, sofern er (i) die Übermittlung nicht veranlasst, (ii) den Adressaten der übermittelten Daten nicht auswählt und (iii) die Daten nicht auswählt oder verändert.

Das Landgericht München beantragte in seinen Vorlagefragen die richtige Auslegung dieses und der zusammenhängenden Artikel der ECR, insbesondere (i) inwiefern ein Anbieter des „Free Wi-Fi“ als sekundärem (seine Unternehmenstätigkeit ergänzenden) Dienst als ein IG-Dienst-Anbieter zu behandeln ist und dadurch im Falle eines Verstoßes seitens eines WLAN-Nutzers gemäß Art. 12 ECR allgemein von der Haftung befreit ist, (ii) wer die Kosten einer etwaigen zusammenhängenden Unterlassungsanordnung zu tragen hat und (iii) welche umzusetzenden Schutzmaßnahmen eine solche Unterlassungsanordnung von dem WLAN-Vermittler verlangen darf.

 

Entscheidung des EuGH

Haften WLAN-Vermittler für rechtswidrige Datenübertragungen der WLAN-Nutzer?

Der EuGH stellte klar, Mc Ladden erfülle als Vermittler einer öffentlichen WLAN-Verbindung die Voraussetzungen des Art. 12 ECR und könne deshalb gegenüber der Geschädigten, Sony Music, als passiver IG-Dienst-Anbieter den dort enthaltenen Haftungsausschluss wahrnehmen.

Sony Music hatte eingewandt, Mc Ladden habe die WLAN-Verbindung unentgeltlich angeboten und daher die Definition von IG-Diensten, d.h. „in der Regel gegen Entgelt … erbrachte Dienstleistung[en]“ nicht erfüllt. Hierzu äußerte sich der EuGH dahingehend, dass die IG-Dienste nicht unbedingt direkt vom Empfänger zu bezahlen seien und gleichermaßen in andere Kosten einbezogen werden dürften, bzw. dass diese sogar umsonst erbracht werden können, sofern sie in Verbindung mit und als Werbung für die primäre wirtschaftliche Tätigkeit des WLAN-Vermittlers angeboten werden. Mc Ladden habe die WLAN-Verbindung grundsätzlich als Lockmittel für potentielle Kunden vermittelt, weshalb er den Haftungsabschluss im Art. 12 ECR in Anspruch nehmen dürfe.

Die Vorlagefrage, ob die Bestimmung des Art. 14 ECR, die Datenhosting-Anbietern die Pflicht auferlegt, rechtswidrige Daten zu entfernen, sobald sie von diesen Kenntnis erlangen (sog. „notice and take down rule“), analog auch auf passive, i.S.d. Art. 12 ECR „reine Durchleitung“ vermittelnde IG-Dienst-Anbieter (wie im vorliegenden Fall) anwendbar ist, verneinte der EuGH. Die IG-Dienste i.S.d. Art. 12 ECR seien im Gegensatz zu Datenhosting-Diensten von ihrer automatischen und passiven Natur charakterisiert und es sei deshalb nicht zu erwarten, deren Anbieter würden genügende Aufsicht ausüben können.

Wer hat die Kosten für ein mit urheberrechtlichen Verstößen verbundenes Verfahren zu tragen?

Der EuGH bestätigte, passive IG-Dienst-Anbieter hätten im Lichte des allgemeinen Haftungsausschlusses keine Abmahndungs-, bzw. Gerichtskosten zu tragen, die mit einem urheberrechtlichen Verstoß des IG-Dienst-Adressaten (z.B. des WLAN-Nutzers) zusammenhingen.

Dies müsse allerdings von den Kosten solcher Unterlassungsaufforderungen oder gerichtlicher Unterlassungsanordnungen, die direkt gegen den IG-Dienst-Anbieter gerichtet sind (siehe Art. 12 Abs. 3 ECR), abgegrenzt werden – solche Aufwände des Copyright-Inhabers dürften nämlich potentiell zu Lasten des Anbieters gehen.

Welche Präventionsmaßnahmen dürfen vom passiven IG-Dienst-Anbieter im Rahmen einer Unterlassungsanordnung verlangt werden?

Der EuGH hatte bei Beantwortung der obengenannten Frage die schwierige Aufgabe, eine Abwägung zwischen drei verschiedenen, aus der EU-Charta der Grundrechte stammenden Rechten vorzunehmen, nämlich (i) dem Eigentumsrecht der Sony Music, (ii) dem Recht eines passiven IG-Dienst-Anbieters auf unternehmerische Freiheit und (iii) dem Recht eines IG-Dienst-Adressaten auf Informationsfreiheit.

Aus dieser Sicht adressierte der EuGH die im Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München konkret angesprochenen Anordnungsalternativen: Diesbezüglich war er war der Auffassung, dass, erstens, eine zwingende Überprüfung aller Daten durch den WLAN-Vermittler der ausdrücklichen Befreiung von der allgemeinen Überwachungspflicht gemäß Art. 15 ECR entgegenstehe. Zweitens erläuterte der EuGH, dass eine zwingende Abschaltung des Internetanschlusses durch den WLAN-Vermittler die unternehmerische Freiheit des Vermittlers unverhältnismäßig beeinträchtigen würde.

Die letzte vom Landgericht München angesprochene Schutzmaßnahme, nämlich die Sicherung des WLAN-Zugangs durch ein Passwort, hielt der EuGH für angemessen. Der Passwortschutz sei zwar grundsätzlich in der Lage, sowohl die unternehmerische Freiheit des passiven IG-Dienst-Anbieters wie auch die Informationsfreiheit der Netzwerk-Nutzer zu gefährden, jedoch fand der EuGH, dass ein solcher Eingriff in die Grundfreiheiten des Anbieters und des Nutzers geringfähig und insofern im angemessenen Verhältnis zu den berechtigten Interessen des potentiell geschädigten Copyright-Inhabers stehe. Das Gericht hatte in der früheren UPC Telekabel -Entscheidung festgestellt, die vom Adressaten der Anordnung ergriffene Schutzmaßnahmen müssten „(…) hinreichend wirksam sein, um einen wirkungsvollen Schutz des betreffenden Grundrechts sicherzustellen, d.h., sie müssen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen“. In diesem Lichte wäre es laut EuGH ungenügend, den WLAN-Zugang lediglich mit einem Passwort zu verschließen – vielmehr wäre zu gewährleisten, dass ein solcher Passwortschutz mit der Offenbarung der Identität des WLAN-Nutzers gekoppelt ist.

 

Praktische Auswirkungen

Inwiefern dürfte „Free Wi-Fi“ sich nunmehr verteuern? Diesbezüglich wurde in der Entscheidung Mc Fadden v Sony Folgendes geklärt: WLAN-Vermittler sind mit relativer Rechtssicherheit als IG-Dienst-Anbieter i.S.d. Art. 12 ECR einzustufen und haften insofern nicht für urheberrechtliche Verstöße von WLAN-Nutzern (und die zusammenhängenden Gerichtskosten). Auch hier ließ der EuGH jedoch gewisse Fragen offen: Wie ist die Haftung eines WLAN-Vermittlers zu beurteilen, wenn der kostenlose WLAN-Zugang etwa nicht offensichtlich als Werbung für die primäre wirtschaftliche Tätigkeit des Vermittlers angeboten wird, bzw. wenn dieser nicht nachweislich mit der primären Unternehmenstätigkeit zusammenhängt/in deren Kosten einbezogen wird? Wäre ein solcher WLAN-Vermittler gleichfalls als passiver und haftungsloser IG-Dienst-Anbieter i.S.d. Art. 12 ECR einzuordnen? Angesichts dieser ferner zu prüfenden Unklarheiten kann im Interesse der Sicherheit empfohlen werden, im Zusammenhang mit der angebotenen WLAN-Verbindung deutlich auf die primäre unternehmerische Tätigkeit zu verweisen.

Die EuGH-Entscheidung kommt auch mit einer für die WLAN-Vermittler etwas unangenehmeren Erkenntnis einher: Der Geschädigte darf gerichtlich verlangen, dass der passive WLAN-Vermittler weitere Verstöße seitens der WLAN-Nutzer verhindert, wobei es nicht ausgeschlossen ist, dass der WLAN-Vermittler sämtliche damit verbundenen Kosten zu tragen hat. Positiv ist jedoch zu beurteilen, dass der EuGH die Möglichkeit ausschließt, dem WLAN-Vermittler die Umsetzung erheblich belastender Maßnahmen anzuordnen. Im vorliegenden Fall wurde der Schutz des Zugangs durch ein Passwort als geeignet betrachtet – bemerkenswert ist allerdings auch, dass der EuGH diese Maßnahme nur dann als effektiv wahrnimmt, wenn sie mit der zwingenden Identifizierung des jeweiligen WLAN-Nutzers verbunden ist.

Hieraus folgt, dass die Vermittler eines kostenlosen WLAN-Zugangs jeweiligen Unterlassungsaufforderungen seitens der geschädigten Copyright-Inhaber am besten dadurch vorbeugen können, dass sie die Verbindung zum WLAN durch einen einfachen Registrierungsprozess (d.h. etwa die zwingende Anführung des Namens und der Email-Adresse des Nutzers) bedingen. Um sicherzustellen, dass die betreffende kostenlose WLAN-Verbindung tatsächlich als ein passiver IG-Dienst i.S.d. Art. 12 ECR eingeordnet wird (und dadurch jegliche Haftungspflichten ausgeschlossen werden), ist, wie bereits oben angedeutet, weiterhin zu empfehlen, dass die jeweilige Registrierungsseite einen deutlichen Verweis auf die zusammenhängende unternehmerische Tätigkeit des WLAN-Vermittlers („Herzlich Willkommen im Café XYZ!“) einschließt. Solange diese einfachen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden, ergibt sich unseres Erachtens kein Grund, weshalb „Free Wi-Fi“ doch etwas teuer werden sollte.

 

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