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Beschlag­nahme­freiheit von Unterlagen aus Internal Investigations

25.11.2015

In seinem Beschluss vom 21.07.2015 (Az.: 6 Qs 116/15) hat das LG Braunschweig die Beschlagnahme von Unterlagen, die durch eine Anwaltskanzlei im Zuge einer Internal Investigation erstellt wurden, für unzulässig erklärt. Das Beschlagnahmeverbot soll auch dann gelten, wenn sich die Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens befinden. Unterlagen, welche im Rahmen einer Internal Investigation erstellt wurden, seien als Verteidigungsunterlagen nach §§ 97, 148 StPO einzuordnen. Diese genießen dem Beschluss zufolge daher die durch die Rechtsprechung etablierte, über § 97 Abs. 2 S. 1 StPO hinausreichende Beschlagnahmefreiheit. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich diese dem Beschluss zufolge auch schon auf die Zeit vor Einleitung eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens.

Für die Praxis unternehmensinterner Untersuchungen ist diese Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Die Übung zur Aufklärung deliktischer Verdachtsfälle innerhalb eines Unternehmens Internal Investigations durchführen zu lassen, wird heute als fester Bestandteil eines effektiven Compliance Systems angesehen.

Die Rechtsprechung hatte sich bisher nur vereinzelt zum Schutz der hieraus gewonnenen Ergebnisse geäußert und hierbei jeweils den Ansatz vertreten, dass Unterlagen in derartigem Zusammenhang kein konkretes Verteidigungsverhältnis betreffen und daher nicht als Verteidigungsunterlagen dem Beschlagnahmeverbot unterfallen:

Das LG Hamburg (Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10) hatte sich insofern noch mit der alten Rechtslage, vor Änderung des § 160a StPO, auseinander zu setzen. Hierbei vertrat es die Auffassung, dass sich ein Mandatsverhältnis zwischen einer juristischen Person und einem Berufsgeheimnisträger nicht auf deren Organe erstrecke und daher auch kein geschütztes Vertrauensverhältnis entstehen könne, welches für ein Beschlagnahmeverbot ausschlaggebend sei. Auch Unterlagen, die sich im Gewahrsamsbereich einer mit einer internen Untersuchung beauftragten Kanzlei befinden, sollten hiernach keinem Beschlagnahmeverbot unterliegen.

Nach Inkrafttreten der neuen Fassung des § 160a StPO zum 01.02.2011 hatte dann das LG Mannheim (Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1/12; 24 Qs 2/12) über die Frage der Beschlagnahmefähigkeit von Mandatsunterlagen im Zusammenhang mit unternehmensinternen Untersuchungen zu entscheiden. Nach Auffassung des LG Mannheim sollten diese durch die Neufassung des § 160a StPO anderen Mandatsunterlagen im Sinne des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO gleichgestellt und damit im Gewahrsamsbereich der Kanzlei beschlagnahmefrei sein, soweit sie nicht missbräuchlich dorthin verbracht worden seien. Ein weiterreichender Schutz wurde jedoch abgelehnt. Bei Unterlagen, die im Auftrag des Unternehmens, das selbst nur potentiell als Nebenbeteiligte in ein Strafverfahren einbezogen werden könne, handele es sich nicht um Verteidigungsunterlagen.

Der Beschluss des LG Braunschweig tritt dem nun in aller Deutlichkeit entgegen und führt aus, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen dabei keine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer schützenswerten Vertrauensbeziehung im Rahmen des Beschlagnahmeverbots nach §§ 87, 148 StPO ist. Hierzu reiche auch die bloße Befürchtung aus, das ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen eine juristische Person eingeleitet werde. Die Aufbereitung des Sachverhalts im Wege einer Internal Investigation könne ein wesentliches Element der Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung darstellen, ohne dass bereits konkrete Verteidigungsstrategien im Raum stehen müssen. Das LG Braunschweig kommt hiernach zu dem Ergebnis, dass im Rahmen einer Internal Investigation erstellte Unterlagen selbst dann nicht beschlagnahmt werden können, wenn diese bei dem Unternehmen selbst aufgefunden werden.

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