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BGH: Risiko­ausschlüsse bei Transport­versicherungen

13.04.2018

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Beschlüssen vom 08.11.2017 (Hinweisbeschluss) bzw. vom 22.02.2018 (Beschluss), Az. IV ZR 318/16, zu zwei beim Warenexport in der Praxis relevanten Risikoausschlüssen bei Transportversicherungen Klarheit geschaffen.

Hintergrund

Unternehmen schließen regelmäßig sowohl für innerdeutsche Transporte als auch für Exporte Transportversicherungen ab. Gerade aber bei grenzüberschreitenden Transporten kommt es immer wieder dazu, dass die Zollbehörden die Transportverpackungen öffnen und das Transportgut besichtigen. Der BGH hatte hier einen Fall zu entscheiden, bei dem es nach einer Zollkontrolle zu Beschädigungen am Transportgut gekommen ist.

Die Klägerin, eine Möbelherstellerin, hatte verschiedene Exponate per Lkw zu einer Möbelmesse nach Moskau versandt. Mit der Durchführung des Transports wurde ein Transportunternehmen beauftragt. Dafür hatte die Klägerin bei der Beklagten eine Transportversicherung abgeschlossen. Dieser Versicherung lagen die „Allgemeinen Bedingungen für die Ausstellungsversicherung (AVB Ausstellung 1988), Fassung Januar 2008“, (im Folgenden: AVB) zugrunde. Die AVB enthielten u .a. zwei Risikoausschlüsse vom Versicherungsschutz betreffend

  1. die Gefahren der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand und
     
  2. sämtliche Schäden, die durch Fehlen oder Mängel der Verpackung verursacht werden.

Die Möbelherstellerin machte im Verfahren geltend, dass die bei der Verladung ordnungsgemäß in speziell für den Transport angefertigten Kisten verpackten Exponate in Moskau beschädigt angekommen seien. Der russische Zoll habe die Exponate aus den Kisten herausgenommen und anschließend nur lose in die Transportkisten „geschmissen“, damit unzureichend verpackt diese zum Weitertransport überlassen habe. Hierdurch sei ein erheblicher Schaden entstanden, den die klagende Möbelherstellerin als Versicherungsnehmerin des Transports ersetzt verlangt.

Der beklagte Transportversicherer hat den Versicherungsschutz indessen abgelehnt und sich auf die vorgenannten Ausschlussgründe berufen. Er war der Auffassung, dass der entstandene Schaden nicht versichert sei, da dieser durch einen Eingriff der russischen Zollbehörde (also von hoher Hand) verursacht wurde. Zudem handele es sich um einen – wenn auch möglicherweise von den Zollbehörden verursachten – Verpackungsmangel.

Das LG Frankfurt wies die Klage erstinstanzlich ab (Entscheidung vom 19.03.2014, Az. 3-03 O 168/12), das OLG Frankfurt a.M. gab der Klage statt und ließ die Revision zu (Entscheidung vom 19.10.2016, Az. 7 U 61/14).

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat den geltend gemachten Versicherungsschutz bejaht und in seinem Hinweis-beschluss vom 08.11.2017 bzw. Beschluss vom 22.02.2018 (Az. IV ZR 318/16) ausgeführt, dass die von der Beklagten gegen das Urteil des OLG Frankfurt a.M. eingelegte Revision zurückzuweisen ist:

  1. Der BGH stellte zunächst fest, dass das OLG Frankfurt a.M. die streitgegenständlichen Klauseln rechtsfehlerfrei ausgelegt und den Versicherungsschutz zutreffend bejaht habe: Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.
      
  2. Danach kann sich der Transportversicherer vorliegend nicht auf den Ausschlusstatbestand „mangelnde Verpackung“ berufen. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde annehmen, dass der Ausschlusstatbestand für Schäden aufgrund einer fehlenden oder mangelhaften Verpackung allein daran anknüpft, ob die versicherten Güter bei ihrer Aufgabe zum Transport ordnungsgemäß verpackt waren (anfänglicher Verpackungsmangel). Er werde dagegen nicht davon ausgehen, dass ein erst während des versicherten Transports auftretender Verpackungsmangel zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen soll, da die Versicherung gerade gegen alle Gefahren des Transports abgeschlossen worden ist.
      
  3. Nach Auffassung des BGH kann sich der Transportversicherer auch nicht auf den Ausschlusstatbestand „sonstige Eingriffe von hoher Hand“ berufen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer gehe nämlich nicht davon aus, dass dieser Ausschluss auch solche Beschädigungen transportierter Güter erfasst, die bloß anlässlich einer Zollkontrolle durch den unsachgemäßen Umgang mit den kontrollierten Gegenständen verursacht werden. Die Aufzählung „sonstiger Eingriffe“ neben den Tatbeständen der Beschlagnahme und Entziehung ist aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers vielmehr so zu verstehen, dass nur solche Gefahren unter diesen Ausschlusstatbestand fallen, bei denen die Anordnung der behördlichen Maßnahme selbst ursächlich für den eingetretenen Schaden ist, nicht jedoch eine während der Durchführung der Zollmaßnahmen begangene Sorgfaltspflichtverletzung, der kein hoheitlicher Charakter anhaftet (unmittelbare Schädigungen von hoher Hand).

Fazit und Ausblick

Die Auslegung des BGH zu den zwei hier relevanten Deckungsausschlüssen „Eingriffe von hoher Hand“ und „Schäden durch Fehlen oder Mängel der Verpackung“ entspricht der in der Literatur diesbezüglich einhellig vertretenen Auffassung. Der Beschluss verdeutlicht die versicherungsrechtlichen Besonderheiten bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen und speziell bei der Auslegung von Risikoausschlüssen. Denn – wie vom BGH dargestellt – kommt es bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, sofern diese vom Versicherer stammen, auf einen objektiv-subjektivierten Maßstab an, nämlich die Sicht des sogenannten „durchschnittlichen Versicherungsnehmers“.

Das bedeutet Folgendes:

i. Bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen kommt es nur auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf dessen Interessen an.

ii. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen.

iii. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

iv. Soweit es – wie hier – um Risikoausschlussklauseln geht, sind diese eng auszulegen. Denn bei ihnen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht.

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt damit relativ hohe Anforderungen an die transparente und formwirksame Formulierung von Risikoausschlüssen in Versicherungsverträgen. Diese im Rahmen der Transportversicherung bestätigten Grundsätze gelten für sämtliche Versicherungszweige. Vor diesem Hintergrund sollten Risikoausschlussklauseln, die nicht klar und eindeutig formuliert sind bzw. die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht deutlich formulieren, in der Regulierungspraxis und bei Deckungsentscheidungen kritisch hinterfragt werden.

Rechtsanwalt Dr. Mansur Pour Rafsendjani und Rechtsanwalt Dr. Paul Malek beraten unsere Mandanten regelmäßig in Angelegenheiten der Logistik, des Transportrechts und des Transportversicherungsrechts.

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