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Einmal gemeinsam schadet nicht – BGH erhöht Rechts­sicherheit beim Acting in Concert

26.11.2018

Der BGH hat für die kapitalmarktrechtliche Praxis eine wichtige Frage zum WpHG und WpÜG geklärt. Durch sein jüngst veröffentlichtes Urteil vom 25.09.2018 – II ZR 190/17 hat er entschieden, dass die sog. Einzelfallausnahme bei einem Acting in Concert "formal" (quantitativ) und nicht "materiell" (qualitativ) zu verstehen ist.

Acting in Concert – Bedeutung

Im Fall eines "abgestimmten Verhaltens" (sog. Acting in Concert) in Bezug auf eine börsennotierte Gesellschaft, das sich häufig aufgrund von Stimmbindungs- oder Poolverträgen ergibt, werden sämtlichen Beteiligten gegenseitig und in voller Höhe die Stimmrechte aus den von ihnen gehaltenen Aktien zugerechnet (§ 34 Abs. 2 WpHG bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG). Dies hat Relevanz sowohl für die Stimmrechtsmitteilungspflichten (§ 33 WpHG) als auch für die Pflicht zur Abgabe von Übernahmeangeboten (§§ 29 ff. WpÜG). Den drastischen Rechtfolgen für Pflichtverstöße steht in der Praxis dabei ein nicht eindeutig konturierter Anwendungsbereich gegenüber.

Acting in Concert – Tatbestand

Ein Acting in Concert setzt voraus, dass der Meldepflichtige bzw. Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken. Ausgenommen sind Verhaltensabstimmungen in Einzelfällen.

Acting in Concert – Einzelfallausnahme

Unter welchen Voraussetzung eine solche Einzelfallausnahme vorliegt, war bislang in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten:

Materielle Auslegung: Teilweise wurde das Vorliegen eines Einzelfalls materiell danach beurteilt, ob das Acting in Concert eine nachhaltige Folge für die unternehmerische Ausrichtung der Gesellschaft nach sich zieht (Qualität). Ein Einzelfall schied danach aus, wenn bereits einer einzelnen, abgestimmten Maßnahme ein besonderes Gewicht zukommt oder mit ihr zusätzlich eine weitreichende Zielvereinbarung verbunden ist.

Formale Auslegung: Nach der Gegenauffassung ist der Einzelfall ausschließlich nach der Häufigkeit des abgestimmten Verhaltens zu bestimmen (Quantität). Einen Einzelfall stellen danach insbesondere alle Abstimmungen dar, deren Umsetzung nur eine einmalige Handlung erfordert, wie etwa die Abwahl und Neubesetzung des Aufsichtsrats in einer Hauptversammlung. Eine solche Einzelfallabstimmung begründet danach auch dann kein Acting in Concert, wenn sie ggf. erhebliche oder dauerhafte unternehmenspolitische Folgen nach sich zieht.

Der BGH hat sich nun für die formale Auslegung entschieden und insoweit für mehr Rechtssicherheit gesorgt.

Ausblick

Die BaFin tendierte in ihrer Verwaltungspraxis bislang zu einer materiellen Betrachtung der Einzelfallausnahme. So weist auch der erst jüngst von ihr veröffentlichte, neue Emittentenleitfaden noch in diese Richtung. Aufgrund der klaren Position des BGH wird die BaFin allerdings ihre Verwaltungspraxis nun überdenken müssen.
Zudem ist zu erwarten, dass vor allem auch aktivistische Aktionäre versuchen werden, den Handlungsspielraum zu nutzen, den ihnen die BGH-Entscheidung nun für eine folgenlose Verhaltensabstimmung vor einer Hauptversammlung insbesondere im Hinblick auf Aufsichtsratswahlen oder sonstige große und strategisch bedeutsame Transaktionen gibt. Der Blick wird sich in diesen Fällen dann auf die Frage richten, ob die einzelfallbezogene (Stimmrechts-)Koordination nicht Teil eines darüber hinausgehenden Gesamtplans nachhaltiger Einflussnahme ist, der eigentlicher (und tauglicher) Gegenstand des Acting in Concert ist und der in einer abgestimmten Stimmrechtsausübung zu einem isolierten Beschlussgegenstand nur seinen Ausdruck findet. Einen solchen Gesamtplan der Beteiligten nachzuweisen, ist für betroffene Gesellschaften und Mitaktionäre in der Praxis jedoch ein schwieriges Unterfangen.

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