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Gesetzes­entwurf zur Änderung des COVID-19-Insolvenz­aussetzungs­gesetzes

17.09.2020

Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten materiellen Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – „COVInsAG“) wurde am 27. März 2020 vom Bundestag beschlossen und trat rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft. Nunmehr liegen eine Formulierungshilfe der Bundesregierung vom 28. August 2020 sowie ein – soweit ersichtlich – wortlautgleicher Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drs. 19/22178 vom 8. September 2020) zur Änderung des COVInsAG vor. Nachfolgend geben wir einen Überblick zu den zentralen Regelungen des COVInsAG sowie zum Inhalt dieses Gesetzesentwurfs.

I. Regelungen des COVInsAG

Bereits am 27. März 2020 berichteten wir über das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BT-Drs. 19/18110), welches unter anderem das COVInsAG beinhaltet.

Wesentlicher Inhalt des COVInsAG war und ist es, die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO) bis zum 30. September 2020 („Aussetzungszeitraum“) in Fällen auszusetzen, in denen die Krise eines Unternehmens auf der COVID-19-Pandemie beruht und in denen es nicht aussichtlos erscheint, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Diese Voraussetzungen werden vom COVInsAG (widerlegbar) vermutet, sofern der Schuldner nicht zum 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig war.

Für die Dauer der ausgesetzten Antragspflicht wurden zudem die Zahlungsverbote gemäß § 64 S. 1 GmbHG (und Parallelvorschriften) gelockert, um der Geschäftsleitung die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs zu erleichtern, ohne erhebliche Haftungsrisiken in dieser Zeit befürchten zu müssen. Weiter werden Insolvenzanfechtungsrechte eines Insolvenzverwalters/Sachwalters zur Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredites (auch Gesellschafterdarlehen) sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten für solche Kredite (aber nicht für Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen) eingeschränkt. Daneben werden Insolvenzanfechtungsrechte eines Insolvenzverwalters/Sachwalters wegen kongruenter Deckungshandlungen allgemein und wegen bestimmter inkongruenter Deckungshandlungen eingeschränkt. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen sind, was insbesondere für die Gewährung von Krediten durch Banken eine wichtige Klarstellung war. Kredite im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der COVID-19-Pandemie sind überdies auch über den Aussetzungszeitraum hinaus besonders privilegiert.

§ 4 COVInsAG ermächtigt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) dazu, durch Rechtsverordnung den Aussetzungszeitraum bis maximal zum 31. März 2021 zu verlängern.

II. Im Gesetzesentwurf der Fraktionen der CSU/CSU und SPD vorgesehene Neuerungen

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass nicht von der Verordnungsermächtigung gemäß § 4 COVInsAG für das BMJV Gebrauch gemacht wird. Grund für die stattdessen angestrebte Gesetzesänderung per Änderungsgesetz ist das gesetzgeberische Ziel, nur noch die Insolvenzantragspflicht aufgrund des Insolvenzgrundes der Überschuldung (§ 19 InsO), nicht aber mehr aufgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) zu verlängern und bis zum 31. Dezember 2020 auszusetzen. Ob § 4 COVInsAG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage per Verordnung für eine solche nur eingeschränkte Verlängerung des Aussetzungszeitraums ermöglicht, ist aus Sicht der Fraktionen der CDU/CSU ungewiss.

Ab dem 1. Oktober 2020 müssen daher diejenigen Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, gemäß § 15a InsO wieder unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, Insolvenzantrag stellen, spätestens aber binnen drei Wochen. Die dreiwöchige Frist darf dann jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn nicht nur vage Hoffnungen auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, sondern konkrete, greifbare Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit. Die gesetzliche Vermutung gemäß § 1 S. 3 COVInsAG, dass Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen, entfällt mit Ablauf des 30. September 2020, sodass die volle Darlegungs- und Beweislast für konkrete Aussichten auf eine Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit insofern wieder bei der Geschäftsführung des in Krise geratenen Unternehmens liegt.

Für „lediglich“ überschuldete Unternehmen im Sinne des § 19 InsO ändert sich die Rechtslage hingegen nicht. Insofern bleibt die Insolvenzantragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 weiter ausgesetzt, sofern die Voraussetzungen gemäß § 1 COVInsAG (Überschuldung beruht auf der Pandemie; Sanierung ist nicht aussichtslos) weiterhin vorliegen. Diese Unterscheidung zwischen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit wird damit begründet, dass die Krise bei einer Zahlungsunfähigkeit in der Regel bereits weiter fortgeschritten ist und das Unternehmen laufende Kosten und Verbindlichkeiten nicht mehr decken kann. Eine weitere Verschonung von zahlungsunfähigen Unternehmen sei nunmehr, anders als noch zur Zeit der Verabschiedung des COVInsAG, aus Sicht des Gesetzgebers nicht mehr verhältnismäßig. Zudem beruhe die Überschuldungsprüfung auch auf einer Fortführungsprognose, die im Wesentlichen eine Liquiditätsprognose ist und sich auf einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren bezieht. Gegenwärtig könne dieser Prognosezeitraum jedoch aufgrund der Unwägbarkeiten der COVID-19-Pandemie kaum zuverlässig beurteilt werden, da mit einer nachhaltigen Erholung erst ab Verfügbarkeit eines Impfstoffs zu rechnen ist und ein solcher frühestens in einigen Monaten greifbar sein wird.

Die haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen gemäß § 2 COVInsAG gelten nach dem Gesetzesentwurf dementsprechend nur noch für überschuldete Unternehmen über den 30. September 2020 hinaus bis zum 31. Dezember 2020 fort. Für zahlungsunfähige Unternehmen entfällt diese Privilegierung zum 1. Oktober 2020 mit der Folge, dass Kreditgeber und Vertragspartner dann den gewöhnlichen Insolvenzanfechtungs- und Haftungsrisiken wieder ausgesetzt sind.

III. Ausblick

Zwar bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf in der jetzigen Form beschlossen wird. Wir gehen jedoch davon aus, dass dies (hinsichtlich der vorgenannten, wesentlichen Regelungen) der Fall sein wird, auch da dem Gesetzesentwurf umfangreiche Gespräche mit Insolvenz- und Sanierungsexperten vorausgingen.

Geschäftsleiter sind daher gehalten, zeitnah die wirtschaftliche Lage ihrer Gesellschaft auf eine mögliche Zahlungsunfähigkeit (und Überschuldung) hin zu überprüfen. Wird eine Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) festgestellt, so ist weiter zu prüfen, welche Sanierungschancen für die Gesellschaft bestehen. Erscheint eine Sanierung aussichtslos, ist bereits jetzt unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen und sind Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nur noch eingeschränkt zulässig. Denn der Aussetzungszeitraum bis zum 30. September 2020 darf nur ausgeschöpft werden und die weiteren haftungs- und anfechtungsrechtlichen Privilegierungen gelten nur, wenn die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit (im Ergebnis also eine Sanierung) nicht aussichtslos erscheint. Sofern eine Sanierung nicht aussichtslos erscheint, sind alle bestehenden Sanierungschancen umgehend von den Geschäftsleitern (parallel) zu verfolgen. Denn spätestens ab dem 1. Oktober 2020 läuft die Drei-Wochen-Frist für einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß §§ 15a InsO, 42 Abs. 2 BGB und entfallen vorgenannte insolvenzrechtliche Privilegierungen.

Aus dem Wegfall der haftungs- und anfechtungsrechtlichen Erleichterungen bei Zahlungsunfähigkeit ergeben sich ab dem 1. Oktober 2020 für Vertragspartner dann auch wieder Risiken.

Banken und sonstige Kreditgeber werden verstärkt darauf achten müssen, sich nicht einem Haftungsrisiko wegen Mitwirkung an einer Insolvenzverschleppung oder aus § 826 BGB durch Kreditvergabe an zahlungsunfähige Unternehmen auszusetzen. Bei Kreditgewährungen ab dem 1. Oktober 2020 werden aus Sicht der finanzierenden Banken als Mindestvoraussetzung daher Nachweise erforderlich, aus denen sich ergibt, dass die kreditnehmende Gesellschaft nicht zahlungsunfähig ist oder dass eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch die Kreditaufnahme zumindest wieder vollständig und nachhaltig beseitigt werden kann. Insbesondere mit Blick auf die ab dem 31. Dezember 2020 auch bei Überschuldung wieder eintretende Insolvenzantragspflicht werden Kreditgeber sich erwartungsgemäß zudem einen Liquiditätsplan vorlegen lassen, aus dem sich ergibt, dass die Gesellschaft aus heutiger Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im laufenden und kommenden Geschäftsjahr durchfinanziert ist, sodass auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft fernliegend ist und eine positive Fortbestehensprognose der Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann.

Gläubigern ist insgesamt anzuraten, bei Anzeichen wirtschaftlicher Probleme ihrer Vertragspartner Vorsicht walten zu lassen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um Forderungsausfälle zu vermeiden, etwa durch eine (vertragliche) Anpassung der Zahlungsmodalitäten (Verkürzung der Zahlungsziele auf unter 30 Tage; Lieferung von Ware nur noch gegen Vorkasse oder dergleichen). Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Entgegennahme inkongruenter Gegenleistungen, also andere als die vom Vertragspartner geschuldeten Leistungen (z.B. Forderungsabtretung statt Barzahlung) vermieden werden.

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