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Wandeldarlehen gewinnen für Start-ups an Bedeutung - Ariane Neubauer und Anka Ehrich im Interview mit der Börsen-Zeitung

24.08.2020

Vielen Start-ups fehlen Rücklagen, um die Corona-Krise zu überstehen. Welche Finanzierungsmöglichkeiten stehen ihnen aktuell offen?

Neubauer: Wenn sich Start-ups nicht mit eigenen Mitteln finanzieren können, versuchen sie Venture-Capital-Geber (VCs), Business Angels oder Family Offices als Investoren zu gewinnen. Diese beteiligen sich üblicherweise im Rahmen von Eigenkapitalfinanzierungsrunden auf Grundlage der aktuellen Bewertung der Start-ups. Deren Ermittlung ist per se schwierig und durch die Corona-Krise noch komplexer geworden. Dies ist einer der Gründe, weshalb Wandeldarlehen aktuell an Bedeutung zunehmen. Auch das von der Bundesregierung für Start-ups aufgesetzte 2-Mrd.-Euro-Hilfspaket eröffnet weitere Finanzierungsmöglichkeiten, bei denen Wandeldarlehen eine wichtige Rolle spielen.

Welche konkreten Vorteile bieten Wandeldarlehen?

Ehrich: Die Möglichkeit der Verschiebung von Bewertungsfragen in die Zukunft ist der größte Vorteil. Die Bewertung eines Start-ups ermittelt sich auf der Grundlage verschiedener Faktoren, die Rückschlüsse auf das Potenzial des Start-ups, die Validität seines Geschäftsmodells und dessen Krisenresilienz zulassen. Naturgemäß liegen bei Start-ups keine belastbaren historischen Unternehmenskennziffern vor. Die Bewertung wird vielmehr häufig zur Verhandlungssache zwischen Investoren und Gründern. Weitere Vorteile sind, dass Wandeldarlehen schnell und kostengünstig umgesetzt werden können und bei der Ausgestaltung weitgehende vertragliche Flexibilität ermöglichen.

Wie lässt sich die Bewertungsproblematik lösen?

Neubauer: Bei einem Wandeldarlehen wird die Bewertungsfrage zeitlich nach hinten verlagert, indem vereinbart wird, dass die Rückzahlungsforderung des darlehensgebenden Investors erst im Zuge der nächsten Eigenkapitalfinanzierungsrunde gewandelt wird. Dabei erfolgt die Wandlung auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt geltenden Bewertung.

Was sollte bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden?

Ehrich: Es sollte bedacht werden, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwer abzusehen ist, auf welcher Bewertung die Wandlung später erfolgt. Um eine zu starke Verwässerung der Gründer zu verhindern, kann etwa eine Mindestbewertung für die Wandlung (Floor) vereinbart werden. Die Investoren haben andererseits ein Interesse an der Sicherung ihres Investments und an einem Ausgleich für ihr Investitionsrisiko, weshalb sie sich häufig einen Abschlag auf die Bewertung bei der Wandlung (Discount) einräumen lassen und die Vereinbarung einer Höchstbewertung (Cap) fordern.

Gerade bei Finanzierungen während der Corona-Krise bietet sich ferner die Vereinbarung eines Darlehens mit mehreren Tranchen an, deren Auszahlung an verschiedene Milestonesgeknüpft wird. Auf diese Weise lassen sich auch die von dem Start-up zu ergreifenden Maßnahmen der Krisenbewältigung im Wandeldarlehensvertrag reflektieren. Zudem sollten vor allem aus Sicht des Start-ups alle zulässigen Kündigungsgründe im Wandeldarlehensvertrag konkret definiert werden, um eine vorzeitige Fälligstellung zu verhindern. Im Übrigen ist ein qualifizierter Rangrücktritt vorzusehen.

Können Wandeldarlehen mit Mitteln aus dem Start-up-Hilfspaket der Bundesregierung kombiniert werden?

Neubauer: Im Rahmen der Corona Matching Fazilität, der Säule 1 des Hilfspakets, stehen Wandeldarlehen als matchingfähiges Finanzierungsinstrument zur Verfügung. Wenn akkreditierte VC-Fonds Start-ups im Wege eines Wandeldarlehens finanzieren, können diese Mittel mit staatlichen Geldern in einem bestimmten Matchingverhältnis gespiegelt werden. Im Rahmen der Säule 2 variiert die Förderstruktur zwischen den einzelnen Bundesländern, Wandeldarlehen spielen dabei in den meisten Bundesländern eine wesentliche Rolle, sind zum Teil sogar als einziges Finanzierungsinstrument vorgesehen.

Müssen Gründer fürchten, die Kontrolle zu verlieren?

Ehrich: Im Zeitpunkt der Wandlung tritt bei den Gründern eine Verwässerung ihrer Beteiligung ein. Die Gründer haben jedoch die Möglichkeit, bis zur nächsten Finanzierungsrunde durch eine positive Geschäftsentwicklung auf eine hohe Bewertung hinzuarbeiten und damit ihre eigene Verwässerung zu begrenzen.

Das Interview ist am 22. August 2020 in der Börsen-Zeitung erschienen.

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