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Betriebliche Alters­ver­sorgung: Ergänzungs­ansprüche von Arbeit­nehmern gegen den Arbeit­geber bei arbeit­geber­finanzierten Pensions­kassen oder Direkt­versicherungen

05.11.2014

Bei der Gestaltung von Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung schleichen sich oft Fehler ein, die sich meist erst viel später wirtschaftlich auswirken und offenbar werden. Dann sind die gestalterischen Spielräume zur Ausbesserung aber äußerst begrenzt. Deshalb gilt gerade hier der Grundsatz: Vorsorge ist besser als Nachsorge – und zwar auch für die vermeintlich „einfachen“ versicherungsförmigen Durchführungswege der Pensionskasse und der Direktversicherung. Angesichts der Langfristigkeit von Versorgungsansprüchen haben selbst kleine Fehler ggf. erhebliche finanzielle Folgen. Schlecht beraten sind Arbeitgeber insbesondere damit, sich insoweit nur auf die Formulare der Versicherungsunternehmen zu verlassen, die oft nicht sämtliche Eventualitäten berücksichtigen. Negative Folgen können sich dann nämlich nicht erst beim Eintritt des Versorgungsfalls ergeben. Auch bei einem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles kann es aufgrund der sog. Subsidiärhaftung des Arbeitgebers (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG) zu unerwarteten Erfüllungs- oder Haftungsansprüchen der Arbeitnehmer kommen, die sich bei entsprechender Gestaltung der Versorgungszusage meist leicht hätten vermeiden lassen. Erforderlich dazu ist nämlich lediglich die rechtzeitige Wahl der „versicherungsrechtlichen Lösung“ und eine entsprechende Gestaltung des Versicherungsvertrags.  

Das Quotierungsverfahren als Haftungsfalle für Arbeitgeber

Hintergrund für das von Arbeitgebern häufig übersehene und in Versicherungsformularen meistens nicht beachtete Haftungsrisiko des Arbeitgebers ist zunächst das vom Gesetzgeber für unverfallbare Versorgungsanwartschaften grundsätzlich vorgesehene Berechnungsverfahren, das sog. „Quotierungsverfahren“: Scheidet ein Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalles mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis aus, bleiben ihm künftige Ansprüche auf Versorgungsleistungen gegen seinen bisherigen Arbeitgeber erhalten. Das ist bei ab dem 1.1.2009 erteilten Versorgungszusagen der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis das 25. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage fünf Jahre bestanden hat. Bei vor dem 1.1.2009 erteilten Versorgungszusagen gelten nach einer Übergangsregelung unterschiedliche längere Fristen.

Nach dem zur Berechnung von unverfallbaren Anwartschaften gem. § 2 Abs. 1 BetrAVG grundsätzlich vorgesehenen Quotierungsverfahren bleibt dem Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis derjenige Teil der Versor-gungsanwartschaften gegenüber dem Arbeitgeber erhalten, der dem Verhältnis seiner tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur potentiell möglichen Betriebszugehörigkeit ohne das vorzeitige Ausscheiden entspricht.  

Leistungen der Pensionskasse oder der Direktversicherung

Eine Berechnung der Versorgungsansprüche nach dem Quotierungsverfahren führt allerdings häufig dazu, dass der Arbeitnehmer gegen seinen bisherigen Arbeitgeber höhere Ansprüche auf Versorgungsleistungen hat, als er durch die Pensionskasse oder Direktversicherung nach dem Versicherungsvertrag ausbezahlt bekommt. Denn bei dem Quotierungsverfahren werden gegenüber dem Arbeitgeber keine Kosten und/oder Gebühren berücksichtigt, die bei Versicherungen in der Regel anfallen (z.B. Abschlusskosten und Verwaltungsgebühren). Aus diesem Grund besteht besonders zu Beginn eines Versicherungsvertrages eine nicht unerhebliche Differenz zwischen den nach dem Quotierungsverfahren berechneten Versorgungsansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber und den Versorgungsansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber der (Pensionskassen- oder Direkt-) Versicherung, für die – zur Überraschung vieler Unternehmen – der Arbeitgeber haftet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nämlich zuletzt mit Urteil vom 18.2.2014 (3 AZR 452/13) klargestellt, dass der Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG gegen den Arbeitgeber einen Ergänzungsanspruch auf Ausgleich dieser Differenz hat. Diese Rechtsprechung wird man auf eine Direktversicherungsversorgung übertragen müssen.

Die Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung zur Haftungsvermeidung

Der Arbeitgeber kann – auch nach der Rechtsprechung des BAG – die dargestellte Differenzhaftung vermeiden, wenn der er bei einer Pensionskassen- oder Direktversicherungsversorgung alternativ zum Quotierungsverfahren rechtzeitig die sog. versicherungsrechtliche Lösung (auch versicherungsvertragliche oder versicherungsförmige Lösung genannt) gewählt hat. Denn dann beschränken sich die Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers auch gegenüber dem Arbeitgeber auf den Betrag, der durch die Pensionskasse oder Direktversicherung nach dem maßgeblichen Versicherungsvertrag erbracht werden kann. Ein Ergänzungsanspruch des Arbeitnehmers kann also durch diese Wahl ausgeschlossen werden. Dabei ist aber regelmäßig Eile geboten. Der Arbeitgeber muss von seinem Wahlrecht nämlich spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers Gebrauch machen (§ 2 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 3 BetrAVG). Tut er dies nicht (rechtzeitig), unterliegt er dem Ergänzungsanspruch des Arbeitnehmers.

Darüber hinaus muss in doppelter Hinsicht bereits hinsichtlich der Versorgungszusage und des Versicherungsvertrags vorgesorgt werden. Denn die Wahl der versicherungsförmigen Lösung setzt einerseits die Erfüllung der in § 2 Abs. 2 S. 2 ff., Abs. 3 S. 2 f. BetrAVG geregelten sozialen Auflagen im Versicherungsvertrag und andererseits die Wahl der sog. „verzinslichen Ansammlung“ (im Gegensatz zur „Bardividende“) als Form der Überschussbeteiligung voraus. Ohne einen diesen Vorgaben gerecht werdenden Versicherungsvertrag, ist die Wahl der versicherungsvertraglichen Lösung nämlich nicht möglich und eine Differenzhaftung nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG vorprogrammiert.

Voraussetzung dafür, dass diese – äußerst einfache – Lösungsmöglichkeit rechtzeitig gewählt werden kann, ist natürlich, dass der Arbeitgeber sie rechtzeitig kennt und vertraglich vorsorgt. Deshalb lässt sich gerade in Bezug auf die Gestaltung von Versorgungszusagen gar nicht oft genug wiederholen: Vorsorge ist besser als Nachsorge.

Arbeitsrecht

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