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BGH entscheidet zu widersprüchlichen Verfügungen beim Oder-Sparkonto

10.07.2018

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat praxisrelevante Klarstellungen zu widersprüchlichen Verfügungen bei sog. Oder-Sparkonten – Konten, über die zwei und mehr Inhaber einzelverfügungsberichtigt sind – vorgenommen. In der Konsequenz des Urteils wird zumindest erschwert, dass Streitigkeiten zwischen Mitkontoinhabern auf dem Rücken der Banken ausgetragen werden (Urteil vom 20.03.2018, Az. XI ZR 30/16).

  • Die Regelung in den Sparbedingungen, wonach das Kreditinstitut Abhebungen von mehr als EUR 2.000,00 nur bei Einhalthaltung einer Kündigungsfrist zulassen muss, begründet keinen Schutz des Mitkontoinhabers. Dem Kreditinstitut steht es frei, auch höhere Verfügungen ohne Kündigung zuzulassen.
  • Die einzige Möglichkeit des Kontoinhabers, Verfügungen des Mitkontoinhabers zu verhindern, ist die Umwandlung in ein sog. Und-Konto.
  • Einem Auszahlungsbegehren muss das Kreditinstitut nicht nachkommen, wenn das Sparbuch nicht vorgelegt wurde. Das Kreditinstitut muss das Sparkonto auch nicht sperren, um dem Mitkontoinhaber die Vorlage des Sparbuchs zu ermöglichen.
  • Es besteht auch keine Pflicht des Kreditinstitutes, den Mitkontoinhaber unverzüglich über die Nichtausführung seiner Auszahlungsanweisung zu unterrichten.

In dem vom BGH entschiedenen Fall führten der Kläger und seine mittlerweile von ihm getrennt lebende Ehefrau bei dem beklagten Kreditinstitut gemeinsam ein Sparkonto als sog. Oder-Konto. Bei einem sog. Oder-Konto ist jeder Kontoinhaber berechtigt, allein und unbeschränkt über das Konto zu verfügen. In den einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ (Sparbedingungen) war weiterhin u.a. geregelt, dass die Kündigungsfrist für die Kontoinhaber drei Monate betrage und die Kontoinhaber ohne Kündigung lediglich bis zu EUR 2.000,00 pro Kalendermonat zurückfordern konnten. Ferner hatte nach den Sparbedingungen jeder Kontoinhaber das Recht, die Alleinverfügungsberechtigung des Mitkontoinhabers gegenüber dem Kreditinstitut zu widerrufen, wodurch das Sparkonto in ein sog. Und-Konto (die Kontoinhaber können nur gemeinsam über das Konto verfügen) umgewandelt würde. Schließlich war geregelt, dass die Auszahlung des Sparguthabens nur gegen Vorlage des Sparbuches und einer etwaigen Sicherungskarte verlangt werden konnte.

Der Kläger verlangte schriftlich die Auszahlung der Hälfte des vorhandenen Sparguthabens an sich, ohne jedoch das Sparbuch vorzulegen. Das Kreditinstitut lehnte daher die Auszahlung an den Kläger ab. Anschließend zahlte sie das Guthaben auf Verlangen der Ehefrau an diese aus. Bei diesen Auszahlungen an die Ehefrau wurde der monatliche Auszahlungsbetrag von EUR 2.000,00 überschritten. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die Auszahlungen an seine Ehefrau, soweit diese die Hälfte des vormaligen Sparguthabens übersteigen.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen und das Kammergericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen hatte, unterlag der Kläger auch beim BGH.

Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, dass der Kläger die Alleinverfügungsbefugnis seiner Ehefrau nicht widerrufen habe. Die entsprechende Auslegung seines Schreibens durch das Berufungsgericht sei nicht zu beanstanden. Daher habe die Auszahlung an die Ehefrau Erfüllungswirkung. Das Kreditinstitut könne Auszahlungen mit Erfüllungswirkung nur an den Kontoinhaber vornehmen, der dies verlangt. Die Erfüllungswirkung trete auch bei Vorliegen von widersprüchlichen Verfügungen der Mitkontoinhaber ein. Denn das gleichzeitige, sich widersprechende Auszahlungsbegehren beider Mitkontoinhaber ändere an der Alleinverfügungsbefugnis nichts. Will der Kontoinhaber Verfügungen des anderen Mitkontoinhabers verhindern, so könne er dies nur durch einen Widerruf der Alleinverfügungsbefugnis erreichen, wodurch das sog. Oder-Konto in ein sog. Und-Konto umgewandelt würde. Dem Auszahlungsbegehren des Klägers habe das Kreditinstitut mangels Vorlage des Sparbuches nicht nachkommen müssen.

Das Kreditinstitut sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Sparkonto solange zu sperren, bis dem Auszahlungsbegehren des Klägers durch Vorlage des Sparbuchs entsprochen werden könne.

Es stellte auch keine Pflichtverletzung des Kreditinstitutes dar, wenn es Verfügungen zulässt, die den Monatsbetrag von EUR 2.000,00 übersteigen. Insbesondere entfalte diese Regelung keine Schutzwirkung zu Gunsten des anderen Mitkontoinhabers.

Schließlich bestünde auch keine Pflicht des Kreditinstitutes, den Mitkontoinhaber unverzüglich von der Nichtausführung seiner Anweisung zu unterrichten. Die entsprechenden Regelungen zu Zahlungsdiensten (hier § 675o Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12.01.2018 geltenden Fassung) seien nicht anwendbar. Denn bei einem Sparkontovertrag handele es sich nicht um einen Zahlungsdiensterahmenvertrag, da es nach den Sparbedingungen nicht dem Zahlungsverkehr diene. Auf Grund der dreimonatigen Kündigungsfrist bestehe auch keine vertragliche Nebenpflicht zur Unterrichtung.

Die Entscheidung bringt erfreuliche Klarstellungen für die Praxis der Kreditinstitute. Hierdurch wird zumindest erschwert, dass die Mitkontoinhaber ihren aus dem Innenverhältnis rührenden Streit auf dem Rücken des kontoführenden Kreditinstitutes austragen. Durch die Vorlage des Sparbuches erlangt das Kreditinstitut insoweit Rechtsicherheit.  Unsicherheiten können sich lediglich bei der Frage ergeben, ob eine schriftliche Erklärung des Mitkontoinhabers als Widerruf der Alleinverfügungsbefugnis auszulegen ist. Entsprechen jedoch beide gegenläufigen Auszahlungsbegehren den vertraglichen Anforderungen (wurde beispielsweise kein Sparbuch erteilt), ist offen, welche das Kreditinstitut ausführen muss. Der BGH hat ausdrücklich den in der Rechtsprechung und Literatur bestehenden Streit nicht entschieden, ob es auf den Zeitpunkt des Leistungsverlangens oder auf den Zeitpunkt der Möglichkeit der Erfüllung ankomme.

Für die Mitkontoinhaber verdeutlicht diese Entscheidung einmal mehr, dass bei einem Streit mit dem anderen Mitkontoinhaber ein Vorgehen gegen das Kreditinstitut allein nicht zur Rechtswahrnehmung ausreicht. Zwar können künftige Verfügungen des anderen Mitkontoinhabers durch einen Widerruf der Alleinverfügungsbefugnis je nach Ausgestaltung der Vertragsbedingungen verhindert werden. Allerdings kann dann auch der Widerrufende nicht mehr allein über das Konto verfügen. Daher sollte als Alternative – je nach Sachverhalt – eine Pfändung und Überweisung der Ansprüche des anderen Mitkontoinhabers und/oder die Erlangung des Sparbuches geprüft werden.

Schiedsverfahren

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