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OLG Frankfurt: Entscheidung zur Präklusions­vorschrift im Konzessions­recht

19.03.2018

Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Beschluss vom 26. Februar 2018 für die seit dem 03. Februar 2017 geltende Präklusionsvorschrift im Konzessionsrecht entschieden, dass

    • unterlegene Bieter durch die Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz innerhalb der Frist des § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG ihre Einwände wahren und eine Präklusion auch in Bezug auf ein späteres Hauptsacheverfahren verhindern;
    • die Gemeinde durch einen (vorschnellen) Abschluss des Konzessionsvertrages vor der Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren keine Präklusion herbeiführen kann;
    • die Gemeinde durch einen vorschnellen Abschluss des Konzessionsvertrages die Vorteile des einstweiligen Verfügungsverfahrens verliert, nämlich die schnelle und effiziente Überprüfung des Vergabeverfahrens sowie die Begrenzung des Streitwertes auf 100 000 Euro.

Mit Beschluss vom 26. Februar 2018 stellt das OLG Frankfurt am Main klar, dass die fristgemäße Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG dazu führt, dass der rügende Bieter in einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren mit seinen Einwänden nicht präkludiert ist. Der Altkonzessionär kann überdies seine Einwände in einer möglichen Klage auf Netzherausgabe durch den Neukonzessionär entgegenhalten. Die Gemeinde kann keine Präklusion herbeiführen, indem sie während des laufenden einstweiligen Verfügungsverfahrens den Vertrag mit dem Neukonzessionär abschließt.

1. Die gesetzliche Neuregelung

Durch die Gesetzesnovelle zum Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die am 03. Februar 2017 in Kraft trat, wurde in § 47 EnWG ein mehrstufiges Rüge- und Präklusionsregime im Rahmen von Strom- und Gaskonzessionierungsverfahren eingeführt. Hierdurch soll das Konzessionierungsverfahren beschleunigt und mit einem höheren Maß an Rechtssicherheit ausgestattet werden. Es obliegt den Bietern nunmehr, die für sie erkennbaren Verfahrensverstöße (Rechtsverletzungen) bereits in dem jeweiligen Verfahrensstadium gegenüber der Gemeinde zu rügen. Rügt der Bieter innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen nicht, droht ihm, mit seinen Einwänden ausgeschlossen zu sein. Im Einzelnen sind die Rügen nach der Bekanntmachung des Konzessionsverfahrens im Bundesanzeiger, nach der Mitteilung der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung sowie nach der Mitteilung der Auswahlentscheidung zu erheben. Hilft die Gemeinde den Rügen des Bieters nicht ab, so obliegt es dem Bieter ferner, diese Rügen innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Mitteilung über die Nichtabhilfe gerichtlich geltend zu machen (§ 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG), andernfalls drohen die Einwände ebenfalls zu präkludieren. Dabei sind auf die gerichtliche Geltendmachung die Vorschriften über das einstweilige Verfügungsverfahren (§ 47 Abs. 5 Satz 2 EnWG) anwendbar.

2. Der Hintergrund des einstweiligen Verfügungsverfahrens

Der im Konzessionsverfahren vermeintlich unterlegene Altkonzessionär eines Gasnetzes ersuchte einstweiligen Rechtsschutz gegen den drohenden Vertragsschluss der Gemeinde mit dem vermeintlichen Neukonzessionär. Hierzu beantragte der Altkonzessionär nach Nichtabhilfe seiner Rügen innerhalb der 15-Tage-Frist des § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG eine einstweilige Verfügung. Obwohl das einstweilige Verfügungsverfahren rechtshängig war und dies der Gemeinde auch bekannt war, schloss die Gemeinde am ersten Tag nach Ablauf der 15-Tage-Frist und bevor das Gericht über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung entscheiden konnte, den Konzessionsvertrag mit dem vermeintlichen Neukonzessionär ab. Der Altkonzessionär stellte seinen Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren daraufhin um und begehrte, den Vollzug des Vertrages einstweilig zu untersagen. Nach der Zurückweisung des Antrags durch das LG Wiesbaden entschied das OLG Frankfurt am Main über die vom Altkonzessionär hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde.

3. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main

Das OLG Frankfurt am Main wies die sofortige Beschwerde zurück und führte aus, dass kein besonderes Interesse an einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz bestehe, weil der Altkonzessionär seine Rechte und Einwände vollumfänglich in einem möglichen Hauptsacheverfahren geltend machen könne. Die Rechte des Altkonzessionärs seien sowohl hinsichtlich einer negativen Feststellungsklage, dass der geschlossene Konzessionsvertrag nichtig ist als auch im Rahmen einer gegen den Altkonzessionär gerichteten Klage auf Netzherausgabe gewahrt. Hierzu führte das Gericht aus:

„Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin daran gehindert wäre, ein Hauptsacheverfahren mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit des Konzessionsvertrages anzustrengen.“

Entsprechendes gelte auch für ein mögliches Verfahren gegen den Altkonzessionär auf Herausgabe der Netze:

„Der Altkonzessionär ist zwar verpflichtet, die Verteilungsanlagen dem Neukonzessionär unter den in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG festgelegten Voraussetzungen zu übertragen. Der Überlassungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG setzt allerdings einen wirksamen Konzessionsvertrag mit dem neuen Betreiber voraus. Wenn die Auswahlentscheidung der Gemeinde zulasten des bisherigen Netzbetreibers gegen das Gebot diskriminierungsfreien Zugangs und damit gegen § 46 EnWG, § 20 GWB verstößt, so ist der Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig. Selbst wenn die Antragsgegnerin der B. [der Neukonzessionärin, Anm. d. Unterzeichnerin] ihren Herausgabeanspruch abtreten würde, so könnte die Antragstellerin als bisherige Netzbetreiberin dem Überlassungsanspruch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten (BGH von 17. Dezember 2013 – KZR 66/12 – Stromnetz Berkenthin Tz. 105, Tz. 122). Dass der Antragstellerin dieser Einwand durch die Novelle der §§ 46, 47 EnWG abgeschnitten wäre, ist nicht ersichtlich [...].“

4. Folgen für die Praxis

Hinsichtlich des neu eingeführten Rügeregimes des § 47 EnWG sind in der Rechtspraxis noch viele Fragen offen. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main enthält daher mehrere begrüßenswerte Klarstellungen.

Zunächst ist es für die Verhinderung der Präklusion nach § 47 Abs. 5 EnWG ausreichend, wenn innerhalb der 15-Tagesfrist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Gericht zugeht und somit rechtshängig wird. Eine gerichtliche Entscheidung muss nicht innerhalb dieser Frist ergehen. Diese Klarstellung des Gerichts erscheint vor dem Wortlaut des Gesetzes, der die Präklusion an die unterbliebene gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 15 Tagen anknüpft, folgerichtig. Für andere Interpretationen, etwa dass innerhalb dieser 15 Tage eine – ohnehin nicht in der Hand des Antragstellers liegende – gerichtliche Entscheidung herbeizuführen wäre, dürfte nach dieser obergerichtlichen Entscheidung kaum mehr Raum bestehen.

Der Vertragsschluss der Gemeinde mit dem Neukonzessionär während eines laufenden Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz bewirkt gerade nicht, dass der Altkonzessionär mit seinen Einwänden in zukünftigen Hauptsacheverfahren oder in einem Verfahren auf Netzherausgabe präkludiert wäre.

Auch wenn § 47 Abs. 6 EnWG der Gemeinde die Möglichkeit einräumt, den Konzessionsvertrag nach Ablauf der 15-Tage-Frist zu schließen, hilft ein vorschneller Abschluss der Gemeinde nicht. Er führt nicht zu einer Präklusion der im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemachten Einwände. Tatsächlich birgt ein vorschneller Abschluss erhebliche Risiken für die Gemeinde. So begibt sich die Gemeinde hierdurch unmittelbar nach Ablauf der Frist des § 47 Abs. 5 Satz 1 EnWG der Möglichkeit, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine schnelle und effiziente vorläufige gerichtliche Überprüfung des Vergabeverfahrens zu erhalten.

Überdies verliert die Gemeinde die Möglichkeit, eine kostengünstige Entscheidung herbeizuführen. So gilt die in § 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG vorgesehene Streitwertbegrenzung mit einem Wert von höchstens 100 000 Euro nur für das Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG, mithin nur im einstweiligen Verfügungsverfahren. Sehr häufig liegen die Streitwerte in den Hauptsacheverfahren deutlich höher.
Schließlich setzt sich die Gemeinde im Verhältnis zum vermeintlichen Neukonzessionär unter Umständen sogar Schadensersatzpflichten aus, wenn sie in Kenntnis, dass ein unterlegender Bewerber eine einstweilige Verfügung beantragt hat, den Vertrag mit dem vermeintlichen Neukonzessionär schließt und ihm dies verschweigt.

Gerne senden wir Ihnen den Beschluss auf Anfrage zu. Senden Sie hierzu einfach eine kurze Email an Dr. Cornelia Kermel oder Christopher Lautenbach.

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