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Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen (Teil 2)

20.11.2015

5.             Das Aus der sog. „Vorratserlaubnis“

Bislang war es im Rahmen von Fremdpersonaleinsätzen auf Basis von Werk- oder Dienstverträgen gängige Praxis, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „zur Sicherheit“ vorzuhalten. Erweist sich nämlich der Einsatz tatsächlich als Arbeitnehmerüberlassung, weil die eingesetzten Arbeitnehmer beim Werkbesteller oder Dienstberechtigten eingegliedert sind (sog. „verdeckte Arbeitnehmerüberlassung“), konnten sich die Beteiligten so vor den Folgen illegaler Arbeitnehmerüberlassung schützen. Insbesondere ließ sich hierdurch verhindern, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen den eingesetzten Arbeitnehmern und dem Entleiher zustande kommt.

Diese Praxis wird ab dem 1. Januar 2017 nicht mehr aufrecht erhalten werden können: Wer Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte überlässt, muss diese Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag künftig ausdrücklich als solche bezeichnen. Der eingesetzte Arbeitnehmer muss ferner vor jeder Überlassung vom Verleiher informiert werden, dass er als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird.

Findet ein Fremdpersonaleinsatz damit auf Basis eines Dienst- oder Werkvertrags statt, der aber tatsächlich als Arbeitnehmerüberlassung zu beurteilen ist, fehlt es an der geforderten Kenntlichmachung. Dann soll eine gleichwohl bestehende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr die Folgen illegaler Arbeitnehmerüberlassung verhindern können. Die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis greift nur noch bei der „offenen“, nicht mehr bei der „verdeckten“ Arbeitnehmerüberlassung.

Als Konsequenz kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen den eingesetzten Arbeitnehmern und dem Werkbesteller bzw. Dienstberechtigten zustande. Dieser ist damit auch verantwortlich für die Abführung der Beiträge zur Sozialversicherung und Abführung der Lohnsteuer.

Durch die oftmals bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung des passenden Vertragstyps tragen Unternehmen künftig ein noch größeres Risiko beim Einsatz von Fremdpersonal. Diese zeigen sich insbesondere bei komplexer Projektarbeit, wo eine Vielzahl  von Arbeitsschritten durch Fremdpersonal übernommen wird. Dabei geht es den Beteiligten nicht um Lohndumping, sondern um die inhaltliche Herausforderung, Know-How Träger für einen begrenzten Zeitraum zusammenzuführen. Auch neue Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise „Scrum“ stellen die Praxis bei der Beantwortung der Frage, welcher Vertragstyp zugrunde zu legen ist, vor besondere Herausforderungen.

6.             Verbot des Kettenverleihs

Der Entwurf stellt klar, dass Arbeitnehmer nur von ihrem vertraglichen Arbeitgeber überlassen werden können. In Übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis der Agentur für Arbeit wird damit bestätigt, dass ein sog. Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt ist. Absichernd wird ein neuer Ordnungswidrigkeitentatbestand eingeführt. Außerdem wird ein Arbeitsverhältnis zum letztlichen Entleiher begründet, wenn der Zwischenverleiher nicht über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt. Der Kettenverleih kann ferner erlaubnisrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Ein entsprechender Kettenverleih kommt in der Praxis häufiger vor als verbreitet gedacht. Man denke beispielsweise an umfassend benötigtes Fremdpersonal, das ein Verleiher mit seinen angestellten Leiharbeitnehmern allein überhaupt nicht zur Verfügung stellen kann und sich daher Dritter bedienen muss, um den Auftrag zu erfüllen. Auch das „Staffing“ von Projekten erfolgt aus Gründen der Einfachheit vielfach aus einer Hand. Hinter dieser Ressourcenbündelung können sich jedoch mehrfache Überlassungen von Arbeitnehmern verstecken.

Von besonderer Brisanz kann in diesem Fällen zukünftig auch die Einschaltung von Unternehmen und Subunternehmen auf Basis von Dienst- oder Werkverträgen sein, wenn Arbeitnehmer des Subunternehmens in den Betrieb des ursprünglichen Werkbestellers oder Dienstberechtigten eingegliedert werden. Ein derartiger verdeckter Kettenverleih dürfte unter Zugrundelegung des Diskussionsentwurfs nun mit der Begründung von Arbeitsverhältnissen mit dem Werkbesteller oder Dienstberechtigten besonders gravierende Folgen haben, vor denen auch das Vorhalten einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht mehr schützen wird.

7.             Berücksichtigung bei Schwellenwerten

Ferner greift der Entwurf das auf, was durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung – teilweise im deutlichen Widerspruch zur zivilgerichtlichen Rechtsprechung – im Wesentlichen schon entschieden war: Leiharbeitnehmer sind bei Schwellenwerten der Mitbestimmung zu berücksichtigen, soweit dies der Zielsetzung der jeweiligen Vorschrift nicht widerspricht. Dies umfasst z. B. Schwellenwerte im Betriebsverfassungsrecht wie beispielsweise den für die Größe des Betriebsrats oder das Vorliegen einer Betriebsänderung maßgeblichen Schwellenwert. Ebenfalls mitgezählt werden Leiharbeiter – im klaren Widerspruch zu jüngeren zivilgerichtlichen Entscheidungen – bei Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung. Hier hatte jüngst das Bundesarbeitsgericht schon entschieden, Leiharbeitnehmer seien bei der Berechnung des Schwellenwerts für das Wahlverfahren der Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Aufsichtsrat zu berücksichtigen (BAG Beschluss vom 4. November 2015, Az. 7 ABR 42/13) [vgl. dazu unseren Beitrag Zählen Leiharbeitnehmer für Aufsichtsratswahlen].

Ob dieser erste Entwurf tatsächlich am 1. Januar 2017 Gesetz wird, ist offen. Als Ergebnis parlamentarischer Beratungen sind Änderungen durchaus wahrscheinlich. Das Medienecho ist schließlich bereits jetzt enorm und schonungslos. So wird der Entwurf mitunter als „undurchführbar“, „praxisfern“ oder sogar „schwachsinnig“ bezeichnet.

Unternehmen müssen sich damit nicht sofort umstellen. Auswirkungen auf derzeit laufende Fremdpersonaleinsätze bestehen aktuell nicht. Die bisherige Praxis selbst sollte aber kritisch geprüft und das auf ihr beruhende Geschäftsmodell vorsorglich hinterfragt werden.

Arbeitsrecht

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