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Russland: EU-Kommission sieht sanktions­rechtliche Hürden für Share Deals

09.01.2024

Nach Verabschiedung des 12. Sanktionspakets hat die EU-Kommission ihre FAQs zu den Russland-Sanktionen aktualisiert. Obwohl das Sanktionspaket hinsichtlich Russland-Exits nur die Fristen der Genehmigungsmöglichkeiten nach Art. 12b der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verlängert, nutzte die Kommission die Gelegenheit, ihre bislang informelle Ansicht, dass Share Deals güterbezogenen Sanktionen unterliegen, schriftlich niederzulegen.[1] Beachtlich mit Blick auf Exit-Transaktionen westlicher Unternehmen ist, dass die Kommission für Share Deals ein Genehmigungserfordernis annimmt, wenn das betroffene Unternehmen gelistete Güter hält. Angesichts der Breite der gelisteten Güter dürfte dies auf die allermeisten Unternehmen zutreffen – man denke nur an die Listung einer Flasche Champagner (Anh. XVIII Nr. 4) und alltäglicher Verschlüsselungstechnologie (Anh. VII). Produktionsausrüstung dürfte regelmäßig ebenso erfasst sein wie Teile der IT-Ausrüstung.

Die Kommission betrachtet den Verkauf von Anteilen an Unternehmen, die gelistete Güter oder Technologien halten,[2] als von den mittelbaren Verkaufs-, Liefer-, Verbringungs- und Ausfuhrverboten nach Russland oder zur dortigen Verwendung erfasst.[3] Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob alle Anteile an den betroffenen Unternehmen verkauft werden. Irrelevant soll sein, ob die gelisteten Waren in Russland belegen sind oder von dort ausgeführt werden könnten. Nach Ansicht der Kommission ist daher eine Genehmigung nach Artikel 12b Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erforderlich. Eine solche kann bis zum 30. Juni 2024 erteilt werden, wenn der Share Deal dem Abzug von Investitionen aus Russland dient und weitere Bedingungen erfüllt sind.

In den USA besteht eine faktische Meldepflicht für Share Deals in Russland, dies vor dem Hintergrund, dass die Zahlung der in Russland obligatorischen Exit Tax, die über die russische Zentralbank abgewickelt wird, eine Genehmigungspflicht auslöst.

Uneinheitliches Stimmungsbild in den Mitgliedsstaaten

Die in der Vergangenheit bereits informell geäußerte Auffassung der Kommission bezüglich Share Deals und güterbezogenen Sanktionen traf bislang auf ein gemischtes Echo unter den nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten. Aus dem Markt bekannt ist, dass etwa die deutschen Behörden Share Deals grundsätzlich nicht den Beschränkungen der güterbezogenen Sanktionen unterworfen haben.

Share Deals sollten nicht an güterbezogenen Sanktionen gemessen werden

Nach unserem Dafürhalten sprechen gewichtige Gründe gegen die Auffassung der Kommission.[4]

Insbesondere kommt es bei Share Deals zu keinen Änderungen an den unmittelbaren Besitz- und Eigentumsverhältnissen an den gelisteten Gütern. Diese bleiben weiterhin im Eigentum der Zielgesellschaft. Anders liegt es hingegen bei den Tatbeständen der Exportverbote. Bei Verkaufs-, Liefer-, Verbringungs- und Ausfuhrverboten kommt es regelmäßig zu Eigentümerwechseln. Somit erfasst bereits der Wortlaut des Verkaufsverbots den Share Deal nicht.

Systematisch spricht gegen die Kommissionsmeinung, dass Lieferung, Verbringung und Ausfuhr eine Warenbewegung voraussetzen – das schuldrechtliche Geschäft bei einem Share Deal ist hierauf aber gerade nicht ausgerichtet. Gleichermaßen nehmen Bereichsausnahmen und Genehmigungsmöglichkeiten zu den güterbezogenen Verboten jeweils Bezug auf Warenbewegungen und Lieferungen.

Teleologisch fragwürdig erscheint außerdem, dass die Kommission irgendwo belegene gelistete Güter im Besitz der Zielgesellschaft genügen lässt. Eine Unterscheidung danach, wo die gelisteten Güter belegen sind, trifft die Kommission nicht. Dies blendet die unterschiedliche Bedrohung aus, die von gelisteten Gütern etwa in der EU im Vergleich zu bereits in Russland befindlichen Gütern ausgeht, welche latent dem staatlichen russischen Zugriff unterliegen. Ebenso lässt dies Unterschiede etwa zwischen notorisch umgehungsgeneigten Drittländern und engen Partnerländern der EU außer Acht.

Wir sehen daher gute Gründe dafür, dass die deutschen Behörden an ihrer aus dem Markt bekannten Rechtsauffassung festhalten, dass Share Deals nicht den güterbezogenen Sanktionen unterliegen.

Russland Exits mit zusätzlicher Unsicherheit behaftet: Compliance-Herausforderungen

Letztlich hat die Kommission mit Niederlegung ihrer Rechtsauffassung in den FAQ eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der zukünftigen Verwaltungspraxis der Mitgliedsstaaten geschaffen. EU-Unternehmen, die Anteile an russischen Unternehmen abstoßen wollen, tun weiterhin gut daran, auch die sanktionsrechtlichen Fragen eines Russland-Exits rechtlich begleiten zu lassen.

 

[1]    European Commission, Commission Consolidated FAQs on the implementation of Council Regulation No 833/2014 and Council Regulation No 269/2014, Stand 22. Dezember 2023, abrufbar unter https://finance.ec.europa.eu/publications/consolidated-version_en.

[2]    In Anhängen II, VII, X, XI, XVI, XVIII, XX und XXIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 oder in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 2021/821 (EU-Dual-Use-Verordnung).

[3]    Art. 2 Abs. 1, 2a Abs. 1, 3 Abs. 1, 3b Abs. 1, 3c Abs. 1, 3f Abs. 1, 3h Abs. 1 und 3k Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014.

[4]    Sachs/Schäffer, Sanktionsrechtliche Compliance beim Rückzug aus Russland, UKuR 2022, 637 (638 f.).

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